22. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 098, K. 02

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Was ist Rechtsgeltung? Frühere Vorstellungen, es …
1 Stunde 35 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 4 Jahren
Was ist Rechtsgeltung? Frühere Vorstellungen, es gäbe ein
überpositives Recht, das dem menschgemachten Recht Geltung
verschaffe, sind wissenschaftlich nicht haltbar. Rechtsgeltung ist
ein Symbol, das die Einheit des Rechtssystems erzeugt. Es hat die
Funktion, die Operationen (die Unterscheidung von Recht/Unrecht) zu
verknüpfen. Dies geschieht, indem es auf geltendes Recht verweist,
auf sich selbst. Der Symbolgehalt betrifft nur die Akzeptanz der
Kommunikation: „Geltung“ verschafft Anschlussfähigkeit. Erl.: Damit
ist „Rechtsgeltung“ ein Symbolisch generalisiertes
Kommunikationsmedium (SGK). SGK sind Strukturen, die die
Erfolgswahrscheinlichkeit von Kommunikation generell erhöhen,
unabhängig von der Situation. Es handelt sich um binäre Codes
(Geld/kein Geld, wahr/unwahr), die sich selbst im positiven Wert
lokalisieren (das Geld in Zahlungen, die Wahrheit im Wahren). Der
Geltungsbegriff selbst ist normfrei. Er lässt sich konditionieren:
Wenn …, dann gilt das Recht. Sonst nicht. Historische
Begründungsfigur war die Quellenfrage. Sie bleibt bei Zweifeln ein
wichtiges Kriterium, kann jedoch nicht beantworten, was Geltung
ist. „Quelle“ verweist zudem in die Umwelt, z.B. auf einen Vertrag,
während „Geltung“ ins Innere des Systems verweist. Geltung ist
somit ein Eigenwert des Systems. Er entsteht im rekursiven Vollzug
der Operationen und gilt nur im Rechtsystem, nirgendwo sonst.
Frühere Rechtstheorien konnten die Paradoxie nicht auflösen: Wie
soll man Geltung erklären, außer dadurch, dass das Recht gilt? Man
suchte die Erklärung in der Umwelt. D.h. man hat das Problem
„gödelisiert“ durch Verweis auf eine externe Grundlage. Dort
landete man zwangsläufig bei überpositivem Recht, das dem
menschgemachten überstünde und diesem damit Geltung verschaffe. Mal
war es Gott, dann Natur, Staat, „Volksgeist“ oder Amtsautorität,
die zur Letzterklärung herhalten mussten. So erklärte der deutsche
Rechtsgelehrte Friedrich Carl von Savigny (1779-1861), dass nur der
historisch gewachsene „Volksgeist“ dem Recht Geltung verleihen
könne. Damit blieb er bei der Idee eines überpositiven Rechts
hängen, das er eigentlich zu überwinden suchte. Auch andere
Theorien gingen von einer Hierarchie aus. Dazu zählt Hans Kelsens
„Grundnorm“. Der österreichische Rechtswissenschaftler begründete
Geltung mit einer Ursprungsnorm, die durch die souveräne
Zwangsgewalt des Staates im Denken immer schon existiere. Auch der
britische Rechtsphilosoph H.L.A. Hart („The Concept of Law“)
erklärte Rechtsgeltung mit einer Meta-Ebene. Seine „Theory of
Rules“ geht von primären, faktisch vorhandenen Regeln aus, die
durch sekündäre Regeln auf der Ebene des idealen Sollens reguliert
würden. Dem gegenüber geht Luhmanns Theorie sozialer Systeme von
selbstreferentiellen, operativ geschlossenen Systemen aus, die alle
Elemente (Kommunikationen), aus denen sie bestehen, selbst
re-/produzieren. Luhmann verlagert die Frage vom Mehrebenen-Konzept
auf die Ebene der Operationen. Rechtsgeltung ist hiernach weder
eine Norm, egal auf welcher Ebene, noch das Resultat einer externen
Ursache. Stattdessen handelt es sich um einen Eigenwert, den das
System durch seine Operationen produziert. Dieser Eigenwert ist die
Form, in der sich die Operationen dem System zuordnen. Das Recht
nimmt rekursiv Bezug auf geltendes Recht und entscheidet von
Operation zu Operation, ob es gilt oder nicht. Es kann Recht
ändern, ohne gegen interne Normen zu verstoßen. Recht gilt solange,
bis es für ungültig erklärt wird. Umgekehrt kann das Recht sich
selbst verbieten, bestimmte interne Normen zu ändern. Dies ist im
Verfassungsrecht der Fall. Eine Änderung dieses Änderungsverbots
wäre ein Normbruch im System.

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