Beschreibung
vor 4 Jahren
Wie gelangt Expertenwissen aus der Umwelt ins System? Wie kann das
System dabei autonom bleiben? Im Recht spielt die Unterscheidung
der Leitdifferenz (Recht/Unrecht) eine größere Rolle als in jedem
anderen System. Um konsistent zu entscheiden, wird zwischen
internen Normen und externen Fakten unterschieden. Erkennbar ist
dies am Wechsel zwischen Selbst- und Fremdreferenz: Bei
Selbstreferenz bezieht sich die Kommunikation auf rechtsinterne
Normen. Bei Fremdreferenz bezieht sie sich auf Ereignisse in der
Umwelt, die mittels Kognition ermittelt werden. Auch hierbei
handelt es sich um eine interne Operation. Diese Zwei-Seiten-Form
ist auf beiden Seiten anschlussfähig: Die Normenstruktur wird
komplexer, aber auch Verweise auf rechtsexterne Kriterien gewinnen
an Bedeutung. Externe Kriterien können in der Umwelt vorhandene
Normen („Gewohnheitsrecht”) oder Wissenskomplexe (Stand der
Forschung) sein. Expertenwissen bekommt zunehmend mehr Bedeutung.
Doch selbst wenn das Recht externe Normen bestätigt oder Begriffe
übernimmt, handelt es sich um eine interne Entscheidung, dies zu
tun. Anführungszeichen markieren typisch eine Distanz gegenüber
Begrifflichkeiten. Warum Rechtsprechung keiner moralischen
Begründung bedarf, wurde bereits erläutert. (Moral ist
pluralistisch, eine Frage der Perspektive. Stattdessen geht es um
konsistentes Entscheiden auf Basis rechtlicher Normen.) Doch selbst
wenn ein Richter auf externe Moralvorstellungen zu sprechen käme,
wäre dies eine rechtlich begründete Operation. Das System kann sich
also einer externen Ressource wie Moral bedienen, indem es sie nach
internen Normen behandelt. Die paradoxe Frage, wie etwas Externes
intern sein kann, löst sich mit der Figur des re-entry („Kreuzen
der Grenze der Form”, „Crossing”) auf. Externe Informationen
kreuzen die Grenze zwischen Umwelt und System, indem das System
selbst diese Operation vornimmt. Auch die Gesetzgebung findet
extern statt, im politischen System. Aus Perspektive des
Rechtssystems handelt es sich um externe Anlässe für rechtliche
Normierungen. Politische Motive oder ökonomische Interessen können
dort hereinspielen. Das Recht jedoch, das sich auf bestehende
Gesetze bezieht, operiert davon unberührt und autonom. Es
berücksichtigt nur rechtlich verwertbare Informationen auf der
Basis interner Normen. Bei der Verfassungsauslegung der USA wurde
z.B. nie versucht, die ursprünglichen Absichten durch Forschung zu
ermitteln. Die Frage, was ein Gesetzgeber ursprünglich bezweckt
haben könnte, ist ein politischer Interpretationsversuch.
Fremdreferenz ist somit kein Hinweis auf eine „Verwischung” von
Grenzen. Sie ist basaler Bestandteil der Selbstreproduktion.
Systeme interpenetrieren sich zwar gegenseitig, die durch Kognition
ermittelten Informationen verarbeiten sie jedoch nach internen
Normen. Es handelt sich um einen normalen Vorgang von
Unsicherheitsabsorption: In eine unbekannte, nicht fassbare Welt
wird eine kleine, bekannte hineinkopiert. In diesem Modell können
Probleme überschaut und gelöst werden (z.B. in der Politik mit
Parteiprogrammen). Dies erzeugt Bindung an eigene Normen. So wird
auch wissenschaftliches Expertenwissen als „Tatsachenwissen” in
eine Form gebracht, die der Entscheidungsfindung dient. Ein Teil
der Wissenschaftlichkeit kann dabei verlorengehen. Auch Irrtümer
kann das Recht nicht ausschließen. Es bleibt jedoch eine rechtliche
Entscheidung, ob darauf reagiert werden muss.
Unsicherheitsabsorption erweist sich somit als basaler Bestandteil
der Autopoiesis. Sie ermöglicht dem System, Expertenwissen aus der
Umwelt ins System zu holen und gleichzeitig seine Autonomie zu
wahren. Ausführlicher gehen wir auf „Unsicherheitsabsorption” auf
unserer Homepage ein: https://www.luhmaniac.de/
System dabei autonom bleiben? Im Recht spielt die Unterscheidung
der Leitdifferenz (Recht/Unrecht) eine größere Rolle als in jedem
anderen System. Um konsistent zu entscheiden, wird zwischen
internen Normen und externen Fakten unterschieden. Erkennbar ist
dies am Wechsel zwischen Selbst- und Fremdreferenz: Bei
Selbstreferenz bezieht sich die Kommunikation auf rechtsinterne
Normen. Bei Fremdreferenz bezieht sie sich auf Ereignisse in der
Umwelt, die mittels Kognition ermittelt werden. Auch hierbei
handelt es sich um eine interne Operation. Diese Zwei-Seiten-Form
ist auf beiden Seiten anschlussfähig: Die Normenstruktur wird
komplexer, aber auch Verweise auf rechtsexterne Kriterien gewinnen
an Bedeutung. Externe Kriterien können in der Umwelt vorhandene
Normen („Gewohnheitsrecht”) oder Wissenskomplexe (Stand der
Forschung) sein. Expertenwissen bekommt zunehmend mehr Bedeutung.
Doch selbst wenn das Recht externe Normen bestätigt oder Begriffe
übernimmt, handelt es sich um eine interne Entscheidung, dies zu
tun. Anführungszeichen markieren typisch eine Distanz gegenüber
Begrifflichkeiten. Warum Rechtsprechung keiner moralischen
Begründung bedarf, wurde bereits erläutert. (Moral ist
pluralistisch, eine Frage der Perspektive. Stattdessen geht es um
konsistentes Entscheiden auf Basis rechtlicher Normen.) Doch selbst
wenn ein Richter auf externe Moralvorstellungen zu sprechen käme,
wäre dies eine rechtlich begründete Operation. Das System kann sich
also einer externen Ressource wie Moral bedienen, indem es sie nach
internen Normen behandelt. Die paradoxe Frage, wie etwas Externes
intern sein kann, löst sich mit der Figur des re-entry („Kreuzen
der Grenze der Form”, „Crossing”) auf. Externe Informationen
kreuzen die Grenze zwischen Umwelt und System, indem das System
selbst diese Operation vornimmt. Auch die Gesetzgebung findet
extern statt, im politischen System. Aus Perspektive des
Rechtssystems handelt es sich um externe Anlässe für rechtliche
Normierungen. Politische Motive oder ökonomische Interessen können
dort hereinspielen. Das Recht jedoch, das sich auf bestehende
Gesetze bezieht, operiert davon unberührt und autonom. Es
berücksichtigt nur rechtlich verwertbare Informationen auf der
Basis interner Normen. Bei der Verfassungsauslegung der USA wurde
z.B. nie versucht, die ursprünglichen Absichten durch Forschung zu
ermitteln. Die Frage, was ein Gesetzgeber ursprünglich bezweckt
haben könnte, ist ein politischer Interpretationsversuch.
Fremdreferenz ist somit kein Hinweis auf eine „Verwischung” von
Grenzen. Sie ist basaler Bestandteil der Selbstreproduktion.
Systeme interpenetrieren sich zwar gegenseitig, die durch Kognition
ermittelten Informationen verarbeiten sie jedoch nach internen
Normen. Es handelt sich um einen normalen Vorgang von
Unsicherheitsabsorption: In eine unbekannte, nicht fassbare Welt
wird eine kleine, bekannte hineinkopiert. In diesem Modell können
Probleme überschaut und gelöst werden (z.B. in der Politik mit
Parteiprogrammen). Dies erzeugt Bindung an eigene Normen. So wird
auch wissenschaftliches Expertenwissen als „Tatsachenwissen” in
eine Form gebracht, die der Entscheidungsfindung dient. Ein Teil
der Wissenschaftlichkeit kann dabei verlorengehen. Auch Irrtümer
kann das Recht nicht ausschließen. Es bleibt jedoch eine rechtliche
Entscheidung, ob darauf reagiert werden muss.
Unsicherheitsabsorption erweist sich somit als basaler Bestandteil
der Autopoiesis. Sie ermöglicht dem System, Expertenwissen aus der
Umwelt ins System zu holen und gleichzeitig seine Autonomie zu
wahren. Ausführlicher gehen wir auf „Unsicherheitsabsorption” auf
unserer Homepage ein: https://www.luhmaniac.de/
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