19. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 083, K. 02

19. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 083, K. 02

Wie kein anderes System repräsentiert sich das Re…
1 Stunde 13 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 4 Jahren
Wie kein anderes System repräsentiert sich das Recht in allen
seinen Operationen durch die Unterscheidung zwischen Normen und
Fakten. Kommunikation ist ein ständiger Wechsel zwischen Selbst-
und Fremdreferenz. Bei Selbstreferenz beobachtet das System sich
selbst. Die Kommunikation nimmt Bezug auf interne Normen. Bei
Fremdreferenz bezieht sich die Kommunikation auf die Umwelt. Das
System zeigt sich kognitiv offen dafür, Fakten zu verarbeiten – und
zu lernen. Beide Differenzen (Selbst-/Fremdreferenz und
Geschlossenheit/Offenheit) lassen sich einander zuordnen. Logische
Voraussetzung dafür, dass ein System überhaupt offen sein kann, ist
die normative Geschlossenheit – denn ohne sie wäre das System gar
kein System. Auf Druck aus der Umwelt reagiert das Rechtssystem
üblicherweise durch „Nachregulierung”. Z.B. ermöglicht das
Opportunitätsprinzip, dass die Staatsanwaltschaft in gesetzlich
gekennzeichneten Ausnahmefällen von Strafverfolgung absehen kann.
Ein historisches Beispiel für Existenzkämpfe des Rechtssystems ist
die Einführung der Gewaltenteilung, die sich erst gegen den
Absolutismus durchsetzen musste. (Aus heutiger Sicht geschah dies
in typischer Kampagnenform: Der Vorwurf, es würde durch
„Machtsprüche” regiert, ebnete den Weg für
Veränderungsbereitschaft. Der Begriff „Machtsprüche” erscheint als
„Framing”, ein bildhaftes Verknüpfen von zwei Sinngehalten zu einem
neuen, gemeinsamen Gedankenrahmen.) Historische Umbrüche sind
jedoch sehr viel seltener als der Normalfall, der hier betrachtet
werden soll. Luhmann kommt nun wieder auf das Verhältnis von
normativer Geschlossenheit und kognitiver Offenheit zurück. Über
ein Konditionalprogramm sind Geschlossenheit und Offenheit
verknüpft: Eine „Wenn, dann”-Konstellation regelt, dass
Entscheidungsregeln immer anhand der eigenen Normen begründet
werden müssen. Wenn dies der Fall ist, dann kann eine Ableitung der
Entscheidung aus kognitiv zu ermittelnden Fakten erfolgen. Externen
Fakten wird somit eine Form vorgeschrieben, die durch systeminterne
Normen definiert wird. Form ist im Sinne der Formsprache von George
Spencer Brown zu verstehen, als „Unterscheidung und Bezeichnung“,
die einen Unterschied macht. Schon im römischen Zivilrecht kam es
so zu einer Fachterminologie. Normen regeln, ob und wie
Informationen ins System kommen, sie konditionieren die Fakten.
Informationen aus der Umwelt kann ein System also nur als intern
erzeugte Informationen zur Kenntnis nehmen. Die Aussage „a
difference, that makes a difference“ von Gregory Bateson verweist
darauf, dass das System dabei seinen eigenen Zustand ändert.
Kognitive Offenheit heißt nicht, dass es von der Umwelt verändert
wird, sondern es erzeugt die Veränderung selbst, anhand eigener
Normen. Kurz, Informationen werden immer nur im System gewonnen. Es
gibt keinen „Transfer“ von außen. So haben z.B. weder Moral noch
Wissenschaft eine unmittelbare rechtliche Relevanz. Ein
Wissenschaftler kann nicht dafür verurteilt werden, dass er sich
geirrt hat; es sei denn, es läge ein Rechtsfehler vor. In keinem
anderen System ist die Unterscheidung zwischen Normen und Fakten
von so hoher Bedeutung wie im Rechtssystem. Das Recht unterscheidet
bei allen Operationen zwischen Normen und Fakten, zwischen
Selbstreferenz und Fremdreferenz, zwischen sich und der Umwelt. In
dieser Leitdifferenz repräsentiert sich das Recht.

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