18. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 079, K. 02

18. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 079, K. 02

Welche Rolle spielt Moral im Rechtssystem? Und wi…
1 Stunde 12 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 4 Jahren
Welche Rolle spielt Moral im Rechtssystem? Und wie reagiert das
Recht, wenn es durch Gewalt ausgehebelt wird? Im Rechtssystem ist
konsistentes Entscheiden die oberste Norm: Gleiche Fälle müssen
gleich und ungleiche Fälle ungleich beurteilt werden. Es wird
normativ erwartet, dass dies so geschieht. Insofern ist das
Rechtssystem normativ geschlossen. Zu den normativen Erwartungen
gehört jedoch auch, dass es in der Lage ist, seine normativen
Erwartungen zu ändern. Es wird erwartet, dass das Rechtssystem
kognitiv offen und lernfähig ist. Insofern ist es auch für
moralische Diskussionen offen. Dass etwas als unmoralisch beurteilt
wird, löst jedoch keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus. Moralische
Urteile müssen hinter den Rechtsprinzipien zurückstehen, denn Moral
ist eine Perspektivfrage. Die Möglichkeiten, etwas moralisch zu
beurteilen, sind unendlich. Auf dieser Grundlage könnte niemals ein
juristisches Urteil gefällt werden. Das Zusammenspiel von
normativen und kognitiven Erwartungen lässt sich in der
Kommunikation beobachten, und zwar auf der Ebene der Beobachtung
zweiter Ordnung. Normative Erwartungen äußern sich, wenn das System
sich auf sich selbst und seine Normen bezieht (Selbstreferenz).
Kognitive Erwartungen sind erkennbar, wenn es sich auf die Umwelt
bezieht (Fremdreferenz) und Lernfähigkeit auch in Bezug auf seine
normativen Erwartungen beweist. Eine Änderung grundlegender Normen
wäre ein Paradigmenwechsel. Auf diese Weise prozessiert die
Kommunikation im System voran. Die Selbstreproduktion (Autopoiesis)
des Rechts vollzieht sich durch rekursive Vernetzung: Kommunikation
folgt auf Kommunikation, Sequenz auf Sequenz. Und dies immer durch
den Filter, ob es sich um rechtmäßiges oder rechtswidriges
Verhalten handelt. Normative Erwartungen werden so einem ständigen
Praxistest unterzogen. Das System stellt seinen eigenen
Normzusammenhang laufend her und hinterfragt ihn. Vor politischer
Gewalt ist es dabei bedingt gefeit, wie die Historie zeigt. Ein
politisch korrumpiertes Rechtssystem verwendet den Code
Recht/Unrecht nur dem Anschein nach weiter. Dem Code wird jedoch
eine politisch motivierte Unterscheidung vorgeschaltet, z.B. die
Frage, ob ein Gesetz in bestimmten Fällen überhaupt angewendet
werden soll. Eine solche Vorprüfung ermöglicht Rechtsbrüche bei
gleichzeitigem Anschein eines funktionierenden Rechtssystems. Im
Nationalsozialismus wurde Unrecht für Recht erklärt. Unangetastet
blieb jedoch der §1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, das die
richterliche Gewalt für unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen
erklärte. Daraus könnte man die Frage ableiten: Galt damals nun das
Recht oder nicht? Sie ist jedoch klar damit zu beantworten, dass
nur aus der politisch korrumpierten Perspektive der
Nationalsozialisten das Recht damals Geltung hatte, aus heutiger
Perspektive war das Recht völlig ausgehebelt. Luhmann weist in
einer Fußnote darauf hin, dass es auf politische und nicht auf
rechtstheoretische Wachsamkeit ankommt. Ein derartiger Rechtsbruch
bleibt im System immer sichtbar: Er geht mit in die
Geschichtsbücher ein.

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