17. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 076, K. 02

17. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 076, K. 02

Das Verhältnis eines Systems zur Umwelt lässt sic…
1 Stunde 12 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 4 Jahren
Das Verhältnis eines Systems zur Umwelt lässt sich in der
Kommunikation beobachten: Bezieht sich die Kommunikation aufs
System, auf die Umwelt oder auf deren Differenz? Außerdem: Welche
Rolle spielt die Moral in Funktionssystemen? Das bisher gezeichnete
Bild von operativer Geschlossenheit erweitert Luhmann nun um den
Begriff der Umwelt. Systeme haben selbstverständlich Beziehungen
zur Umwelt. Doch ihre Kommunikation mit der Umwelt produzieren sie
autonom: in autopoietischer Geschlossenheit, nach ihren eigenen
„Regeln“, die sich alle an der jeweiligen Leitdifferenz wie
Recht/Unrecht orientieren. Insofern sind Systeme operativ
geschlossen und offen zugleich. Die Geschlossenheit ist sogar
Voraussetzung für die Offenheit: Indem das System durch
Kommunikation seine Grenze zieht und sich schließt, unterscheidet
es sich selbst von etwas anderem und konstituiert dadurch seine
Umwelt als Umwelt. Wenn Luhmann also von Geschlossenheit spricht,
so ist die Offenheit immer gleich mitgedacht. Die Fragen lauten
nun, wie das System beobachtet: Wie es sich selbst beobachtet
(Selbstreferenz), wie es seine Umwelt beobachtet (Fremdreferenz)
und wie es die Unterscheidung zwischen sich und der Umwelt wiederum
in sich selbst einführt. Diese Wieder-Einführung wird auch Re-Entry
genannt: In der Formsprache George Spencer Browns handelt es sich
um einen „Wiedereintritt der Form in die Form“. Etwas wird
unterschieden, und diese Unterscheidung wird in das Unterschiedene
wieder eingeführt. Eine Grenze (Differenz) wird gekreuzt. All das
lässt sich in der Kommunikation beobachten und ist Gegenstand der
folgenden Untersuchungen. Luhmanns Begriff von Autonomie entspricht
damit nicht dem üblichen Autonomieverständnis. Die Theorie sozialer
Systeme untersucht keine kausalen Abhängigkeiten, also keine
wechselseitigen Ursache-Wirkung-Beziehungen zwischen System und
Umwelt, die zu Rückschlüssen auf eine relative Autonomie in
bestimmten Punkten führen könnten. Stattdessen beobachtet die
Theorie, wie das System seine durch spezifische Kommunikation
erzeugte Autonomie handhabt, wie es also zwischen sich und der
Umwelt unterscheidet, die „Grenze kreuzt“, erkennbar in der
Kommunikation. Fremdreferenz bedeutet darum auch nicht
Einschränkung der Autonomie, sondern sie ist eine systeminterne
Operation. Erkennen lässt sich operative Geschlossenheit in der
Bezugnahme auf systeminterne Normen, z.B. die rechtliche Norm, bei
der Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht gleiche Fälle gleich
und ungleiche Fälle ungleich zu behandeln. Insofern sind Systeme
„normativ geschlossen“. Dagegen sind sie „kognitiv offen“: Sie
besitzen die Fähigkeiten, sowohl die Umwelt wahrzunehmen als auch
das Beobachtete zu verarbeiten. Operative Geschlossenheit schließt
die Vorstellung aus, Moral könnte im Rechtssystem (oder in der
Wirtschaft, in der Politik) ein unmittelbar geltendes
Entscheidungskriterium sein. Dies ist nicht der Fall. Das
Rechtssystem muss konsistent entscheiden, d.h. es muss die
Einheitlichkeit seines Entscheidens dauerhaft sicherstellen. Was
moralisch oder unmoralisch ist, ist dagegen eine Standpunktfrage
und wird typisch kontrovers diskutiert – ohne Aussicht auf
universellen Konsens. Als oberste Entscheidungsinstanz eignet sich
das nicht. Gleichwohl ist eine moralische Kritik des Rechts möglich
und notwendig. Moralische Diskurse bleiben notwendig, um immer aufs
Neue zu hinterfragen, ob das Rechtssystem noch an Gerechtigkeit
orientiert ist.

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