16. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 070, K. 02

16. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 070, K. 02

Codes: Wie Funktionssysteme mithilfe einer Leitdi…
1 Stunde 20 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 4 Jahren
Codes: Wie Funktionssysteme mithilfe einer Leitdifferenz ihre
Einheit vollziehen. Alle Operationen im Rechtssystem richten sich
an der Unterscheidung von Recht und Unrecht aus. Durch die
Unterscheidung eines solchen binären Codes, der alle Operationen
anleitet und darum auch Leitdifferenz heißt, vollziehen
Funktionssysteme ihre Einheit in Form einer Differenz. Zugleich
dient der Code dazu, sich operativ zu schließen, denn diese
spezifische Unterscheidung kann nur das Rechtssystem vornehmen.
Eine solche Unterscheidung kann nur auf der Ebene einer Beobachtung
zweiter Ordnung erfolgen. Zweite Ordnung bedeutet: Wir beobachten
einen Beobachter und rekonstruieren seine Beobachtung in einer
neuen Beobachtung, der wir etwas Neues hinzufügen – nämlich die
Differenz. Eine universell handhabbare Leitdifferenz ist
Voraussetzung dafür, dass sich ein Funktionssystem aus der
gesellschaftlichen Kommunikation ausdifferenzieren kann. Es würde
nicht reichen, einfach nur irgendwelche normativen Erwartungen zu
erfüllen. Erst die Leitdifferenz ermöglicht es Funktionssystemen,
eine einzigartige Funktion für die Gesellschaft zu übernehmen, sich
in dieser Hinsicht operativ zu schließen und autonom zu werden.
Durch die Unterscheidung des Codes vollzieht das System seine
Autopoiesis. Unterscheidung ist dabei als Form zu verstehen: Es
wird eine Grenze (Differenz) zwischen dem Unterschiedenen gezogen
(George Spencer Brown). Die Leitdifferenz garantiert, dass das
System lernen und sich vernetzen kann. Denn alle Kommunikationen
lassen sich an die anderen anschließen, alle beziehen sich auf
dieselbe Differenz und können so aufeinander Bezug nehmen. Der Code
gewährleistet die Anschlussfähigkeit. Die autopoietische
Geschlossenheit lässt sich in Diskursen beobachten. Zugleich
garantiert der Code die Universalität des Rechts: Es gilt immer,
jeder ist an rechtliche Entscheidungen gebunden, und diese können
durchgesetzt werden. Niemand kann ausschließen, dass er nicht in
das Recht hineingezogen wird. Auch die Entscheidung, sich
außergerichtlich zu einigen, wird noch vom Rechtssystem reguliert.
Eine Paradoxie besteht darin, dass die Unterscheidung Recht/Unrecht
nicht auf sich selbst angewendet werden kann. Es wird
vorausgesetzt, dass die Unterscheidung rechtens ist und nicht
Unrecht sein kann. Andere Betrachtungsweisen finden sich in der
Literatur, z.B. bei Franz Kafka („Der Prozess“) oder Heinrich von
Kleist („Michael Kohlhaas“). Der Begriff der Einheit ist
erklärungsbedürftig: Die Einheit ist selbst keine Operation des
Systems und auch weder ein Prinzip noch eine Norm. Das System kann
seine Einheit nicht in sich selbst einführen. Stattdessen
„repräsentiert“ es sie durch eine laufende Bezugnahme auf den Code
– wobei dann auf dieser Ebene auf Normen, Prinzipien und
Erwartungen Bezug genommen wird. Unterscheidungen von Recht und
Unrecht finden zwar auch außerhalb von Parlamenten und Gerichten
statt. Durch Verträge wird zudem viel positives Recht geschaffen,
ohne dass das Rechtssystem daran beteiligt ist. Dies stellt aber
nicht den Geltungsanspruch des Rechts in Frage. Zuletzt stellt
Luhmann klar, dass wir uns auf der Ebene einer Fremdbeobachtung
befinden. Wir beobachten, wie das System, das seinerseits zu
Selbstbeobachtung fähig ist, seine Einheit vollzieht. Dies umfasst
nicht die Wirklichkeit des Systems, sondern ist eine Reduktion auf
eine Art Modell, das wir von den elementarsten Operationen des
Systems auf maximalem Abstraktionsniveau zeichnen. Um nun diese
Einheit, die Gegenstand unserer Beobachtung und Beschreibung ist,
bezeichnen zu können, verwendet Luhmann den Begriff Identität.
Luhmanns Theorie umfasst damit auch die eigenen
Reflexionsleistungen des Systems und beschreibt das System als ein
sich selbst beschreibendes System.

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