Beschreibung
vor 4 Jahren
Wie war es möglich, dass sich in der Gesellschaft einige wenige
Funktionssysteme ausdifferenzierten? Welche Hindernisse musste
dabei das Rechtssystem überwinden? Dieser Abschnitt führt zu den
zwei wichtigsten Voraussetzungen für die Bildung von
Funktionssystemen: funktionale Spezifikation und binäre Codierung.
Soziale Systeme sind operativ geschlossen: Sie entscheiden autonom,
welche Operation (Kommunikation) zum System gehört und welche
nicht. Dabei sind sie in der Lage, ihren eigenen Output wieder als
Input in das System einzuführen. Durch jede Operation verändern sie
ihren Zustand. Gleichzeitig sind sie in gesellschaftliche
Strukturen eingebettet und werden durch diese mitbestimmt. Das
wirft die Frage auf, wie überhaupt ein autonomes Funktionssystem
wie das Recht entstehen konnte. Welche Voraussetzungen braucht es
für diese Autonomie? In der historischen Entwicklung war vor allem
die Stratifikation ein Emanzipationshindernis. Solange die
Gesellschaft geschichtet war, mussten Richter die Ungleichheit
durch Schichtung in ihren Urteilen reproduzieren. Zudem war man
nicht allein zuständig für Rechtsprechung, sondern z.B. auch Könige
und Oligarchen. Weitere Hindernisse waren persönliche Beziehungen
von Richtern. „Klüngel“ verhinderte ein Vertrauen in unabhängige
Urteile. Daran konnte auch die Trennung von Gesetzgebung und
Rechtsprechung nichts ändern, die bereits auf Aristoteles
zurückgeht. Gelöst wurde dieses Problem erst durch Rechtspflege:
Auch der Richter wurde ans Gesetz gebunden. Dieser Schritt war nur
mithilfe rechtserheblicher, also interner Unterscheidungen möglich.
D.h. das Rechtssystem desolidarisierte sich von seinen
Abhängigkeitsverhältnissen, und es löste seine Bindung von der
Gesellschaft auch sprachlich, um dies zu tun. Damit nimmt die
Autopoiesis des Rechtssystems Fahrt auf. Doch erst mit dem Ende der
Stratifikation verlor die Herkunft qua Geburt endlich an Bedeutung.
Das Recht konnte sich nun für alleinzuständig erklären und über
alle Schichten hinweg Recht sprechen. Von nun an trifft es von sich
aus Fürsorge, um seine einzigartige Funktion autonom zu erfüllen.
Neben der funktionalen Spezifikation gibt es jedoch noch eine
zweite, gleichermaßen wichtige Voraussetzung für die Bildung eines
Funktionssystems: Es braucht eine binäre Codierung. Luhmann weist
darauf hin, dass alle Funktionssysteme eine Leitdifferenz haben,
d.h. eine leitende Unterscheidung, an der jede (!) Operation
ausgerichtet ist: Wirtschaft: zahlen/nicht zahlen Politik:
Macht/keine Macht Wissenschaft: wahr/unwahr Massenmedien:
informieren/nicht informieren Recht: Recht/Unrecht Die
Leitdifferenz von sozialen Systemen besteht aus einem negativen und
einem positiven Wert. Beide Werte sind immer zugleich relevant. Nur
ihre Unterscheidung gibt ihnen Sinn. Die Leitdifferenz bildet die
oberste Steuerungsfunktion im System. Sie hilft, Komplexität zu
reduzieren. Denn alle Operationen werden darauf gefiltert, ob sie
den Code berühren und damit relevant sind. Sind sie es nicht, kann
das System sie außer Acht lassen und sich insofern entlasten. Ist
eine Kommunikation rechtlich relevant, wird sie in
rechtsspezifischer Form rekonstruiert. Das Rechtserhebliche daran
wird mit eigener Semantik, mit eigenen Begrifflichkeiten
herausgearbeitet.
Funktionssysteme ausdifferenzierten? Welche Hindernisse musste
dabei das Rechtssystem überwinden? Dieser Abschnitt führt zu den
zwei wichtigsten Voraussetzungen für die Bildung von
Funktionssystemen: funktionale Spezifikation und binäre Codierung.
Soziale Systeme sind operativ geschlossen: Sie entscheiden autonom,
welche Operation (Kommunikation) zum System gehört und welche
nicht. Dabei sind sie in der Lage, ihren eigenen Output wieder als
Input in das System einzuführen. Durch jede Operation verändern sie
ihren Zustand. Gleichzeitig sind sie in gesellschaftliche
Strukturen eingebettet und werden durch diese mitbestimmt. Das
wirft die Frage auf, wie überhaupt ein autonomes Funktionssystem
wie das Recht entstehen konnte. Welche Voraussetzungen braucht es
für diese Autonomie? In der historischen Entwicklung war vor allem
die Stratifikation ein Emanzipationshindernis. Solange die
Gesellschaft geschichtet war, mussten Richter die Ungleichheit
durch Schichtung in ihren Urteilen reproduzieren. Zudem war man
nicht allein zuständig für Rechtsprechung, sondern z.B. auch Könige
und Oligarchen. Weitere Hindernisse waren persönliche Beziehungen
von Richtern. „Klüngel“ verhinderte ein Vertrauen in unabhängige
Urteile. Daran konnte auch die Trennung von Gesetzgebung und
Rechtsprechung nichts ändern, die bereits auf Aristoteles
zurückgeht. Gelöst wurde dieses Problem erst durch Rechtspflege:
Auch der Richter wurde ans Gesetz gebunden. Dieser Schritt war nur
mithilfe rechtserheblicher, also interner Unterscheidungen möglich.
D.h. das Rechtssystem desolidarisierte sich von seinen
Abhängigkeitsverhältnissen, und es löste seine Bindung von der
Gesellschaft auch sprachlich, um dies zu tun. Damit nimmt die
Autopoiesis des Rechtssystems Fahrt auf. Doch erst mit dem Ende der
Stratifikation verlor die Herkunft qua Geburt endlich an Bedeutung.
Das Recht konnte sich nun für alleinzuständig erklären und über
alle Schichten hinweg Recht sprechen. Von nun an trifft es von sich
aus Fürsorge, um seine einzigartige Funktion autonom zu erfüllen.
Neben der funktionalen Spezifikation gibt es jedoch noch eine
zweite, gleichermaßen wichtige Voraussetzung für die Bildung eines
Funktionssystems: Es braucht eine binäre Codierung. Luhmann weist
darauf hin, dass alle Funktionssysteme eine Leitdifferenz haben,
d.h. eine leitende Unterscheidung, an der jede (!) Operation
ausgerichtet ist: Wirtschaft: zahlen/nicht zahlen Politik:
Macht/keine Macht Wissenschaft: wahr/unwahr Massenmedien:
informieren/nicht informieren Recht: Recht/Unrecht Die
Leitdifferenz von sozialen Systemen besteht aus einem negativen und
einem positiven Wert. Beide Werte sind immer zugleich relevant. Nur
ihre Unterscheidung gibt ihnen Sinn. Die Leitdifferenz bildet die
oberste Steuerungsfunktion im System. Sie hilft, Komplexität zu
reduzieren. Denn alle Operationen werden darauf gefiltert, ob sie
den Code berühren und damit relevant sind. Sind sie es nicht, kann
das System sie außer Acht lassen und sich insofern entlasten. Ist
eine Kommunikation rechtlich relevant, wird sie in
rechtsspezifischer Form rekonstruiert. Das Rechtserhebliche daran
wird mit eigener Semantik, mit eigenen Begrifflichkeiten
herausgearbeitet.
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