Konnektivität molekularer Domänen bei der kraftinduzierten Entfaltung einzelner Biomoleküle

Konnektivität molekularer Domänen bei der kraftinduzierten Entfaltung einzelner Biomoleküle

Beschreibung

vor 12 Jahren
In den zellulären Stoffwechsel- und Signalnetzwerken existiert eine
Vielzahl von logischen Abhängigkeiten, die auf Prozesse auf
molekularer Ebene zurückzuführen sind. So lässt sich
beispielsweise die Effizienz einer biochemischen Reaktion über
Enzyme regulieren, deren Aktivitätsgrad von äußeren Parametern
abhängt. Kraft stellt eine dieser Einflussgrößen dar. Diese Arbeit
befasst sich damit, das Verhalten mehrerer, logisch verknüpfter,
molekularer Domänen unter Krafteinwirkung zu studieren und sich
deren Eigenschaften für nanotechnologische Verfahren zu Nutze zu
machen. Neben der Untersuchung von in der Natur vorkommenden
Proteinen mit multiplen Domänen wurden artifizielle DNA- und
proteinbasierte Systeme mit verschiedener Bindungsstärke
konstruiert. Dies ermöglicht den gerichteten Transport einzelner,
molekularer Bausteine mit der Präzision eines
Rasterkraftmikroskopes im Nanometer-Bereich. Mithilfe dieser
Single-Molecule Cut-and-Paste (SMCP) Technik können auf der Basis
gerichteter, molekularer Erkennung räumliche Arrangements
funktioneller Bausteine geschaffen werden. Diese lassen sich
mittels Fluoreszenzmikroskopie als isoliertes System betrachten.
Die Zielsetzung bei der Untersuchung der natürlichen Systeme war
es, deren Abhängigkeiten zu verstehen und herauszufinden, wie sich
diese mit ihrer Funktion und den an das Protein gestellten
Umgebungsbedingungen in Einklang bringen lassen. Die dabei
gewonnene Erkenntnis liefert nicht nur wichtige Beiträge zur
biologischen und medizinischen Grundlagenforschung, sondern kann,
wie am Beispiel der SMCP-Technik ersichtlich, auch hilfreich bei
der Entwicklung neuartiger Messmethoden der molekularen Bio- und
Nanotechnologie sein. Mittels Einzelmolekülkraftspektroskopie im
„Konstante-Kraft“ (engl. Force-Clamp) Modus wurde die
Kooperativität der fünf Proteindomänen des Enzyms Titinkinase
untersucht. Dieses Muskelprotein wandelt in der Skelett- und
Herzmuskulatur mechanische in biochemische Signale um und regelt
dadurch den Umsatz weiterer Proteine und die Expression von Genen.
Es wird gezeigt, dass sich die einzelnen mechanisch induzierten
Entfaltungsschritte gegenseitig bedingen und dass dies inhärent
durch die molekulare Faltung des Proteins vorgegeben wird. Da Kraft
zum natürlichen Parameterraum dieses Moleküls gehört, muss seine
Struktur an kraftinduzierte konformationelle Änderungen angepasst
sein. Durch die Abhängigkeit der Energiebarrieren während der
Entfaltung wird gewährleistet, dass stabilisierende und enzymatisch
wirksame Domänen nicht vor regulatorischen Domänen entfalten.
Myosin-Light-Chain Kinase (MLCK) ist ein weiteres Muskelenzym, bei
dem es Hinweise auf eine mechanische Aktivierbarkeit gibt.
Einzelmolekülexperimente dieser Dissertation zeigen, dass die
Entfaltung der Kinase ebenfalls in mehreren Schritten vonstatten
geht und dass einer der Zwischenzustände durch ATP-Bindung
stabilisiert wird. Die absoluten Entfaltungskräfte liegen dabei
unter denen der Titinkinase, was der Hypothese der mechanischen
Aktivierbarkeit entgegenkommt. Als weiteres System wurde das
Cellulosom des thermophilen Bakteriums Clostridium Thermocellum auf
seine mechanische Stabilität überprüft. Cellulosome sind an der
Außenseite von Bakterien und Pilzen verankerte Proteinkomplexe, die
in der Lage sind Lignozellulose zu zersetzen. Bei der Prozessierung
der Cellulose können im Cellulosom hohe Scherkräfte auftreten, da
dieses das gesamte Bakterium mit dem makromolekularen Substrat
verknüpft. Mittels AFM-basierter Kraftspektroskopie wurde die
Wirkung von Kraft auf einen Verbund verschiedener Konstituenten
eines Cellulosoms untersucht. Es wird gezeigt, dass sich der
Komplex im Vergleich zu anderen Biomolekülen durch eine extrem hohe
mechanische Stabilität auszeichnet. Innerhalb der hohen
Entfaltungskräfte besteht eine Hierarchie für die verschiedenen
Komponenten. Bei vergleichsweise niedrigen Kräften entfalten die
enzymatischen Domänen gefolgt von mittleren Kräften für das
Entkoppeln der Enzyme mit dem Bindungspartner Cohesin. Sehr hohen
Kräften halten die intramolekularen Wechselwirkungen der Cohesine
und der Cellulose bindenden Domänen stand. Die Abstufung hoher
Stabilitäten stellt eine sehr gute Anpassung an die natürlichen
Anforderungen des Proteinkomplexes dar. Für die durchgeführten
Messungen wurde ein modulares Kraftmikroskop (AFM) entwickelt, das
sich mit einem einzelmolekülsensitiven Fluoreszenzmikroskop
kombinieren lässt. Die spezielle Konstruktion weist eine extrem
hohe mechanische Stabilität auf. Mittels einer photothermischen
Regelung kann das AFM darüber hinaus für sensitive Bildgebung
weicher molekularer Oberflächen oder in einen extrem schnellen
kraftspektroskopischen Messmodus mit konstanter Zugkraft verwendet
werden. Die akkurate Arbeitsweise des Systems wurde in einem
internationalen Vergleichsversuch bestätigt.

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