Konzept der Collage
Beschreibung
vor 20 Jahren
Dem Titel der Arbeit, Konzept der Collage, ist bewusst die
Ungenauigkeit des deutschen Genitivs zu eigen, denn die Collage
wirft in der Tat ein Konzept auf: Es ist ihr Anliegen, die
vorgefundenen Bruchstücke dieser Welt zusammenhängend ins Werk zu
setzen, wobei die verschiedenen Materialien absichtsvoll nicht nur
die Spuren ihrer Herkunft im Bild bewahren, sondern jegliche
strikte, sequenzielle Entwicklung verletzen, narrative Linien
unterbrechen oder systematische Vorstellungen unterminieren, wie
das Werk sich gemäss der eigenen ästhetischen Prämissen entfalten
soll, um der Imagination des Betrachters künstlerische
Produktionsprozesse zu übertragen. Durch eine vom phänomenologisch
rezipierten Gegenstand induzierte Analyse, suchten wir in
collagierten Bildwerken, die jeweils eine historische
Schwellenposition für den Bildbegriff im 20. Jahrhundert markieren,
nach ihren ästhetischen Vorgaben und ihrer konzeptionellen
Auswirkung im Hinblick auf Anwendungsbereiche bei Edward Ruscha:
Wir lasen ihre Zeichen, um etwas begrifflich zu beschreiben, das
nicht offen sichtbar in der Collage zutage tritt. Wir wollten in
die Brüche, Ritzen, Verwerfungen; in die Kanten, Risse und Spalten
ihrer Bedeutung blicken, um das Verdeckte, Verborgene, Versteckte
und Unsichtbare freizulegen, um es in unsere Sicht zu holen mit dem
bescheidenen Anspruch, Sinn zu stiften und Verstehen zu fördern.
Durch die Analyse von Collagekonzepten, die historisch relevante
Bezüge zu dem spezifischen Bildbegriff von Edward Ruscha erkennen
lassen, arbeiteten wir Vorstellungen, Schlüsselbegriffe und
Paradigmen heraus, die bildgenerative Prozesse bei Ruscha
erleuchten, welche produktiv und selbstreflexiv Fundamentalfragen
nach der Sinnstiftung des modernen Bildes und seiner Geschichte
aufwerfen. Ruschas Bilder sind insbesondere bekannt für die
malerische Darstellung von Wörtern und Sätzen sowie eine reduzierte
und geradezu nominalistische Darstellung von Einzelobjekten, die
ein Maximum an Assoziationsmöglichkeiten aufwerfen. Anhand einer
technischen Transformation im Frühwerk von Edward Ruscha, welche
die Ikonographie der kleinformatigen Collage Dublin von 1959 über
das grosse Ölgemälde Dublin von 1960 zu dem für diesen Künstler
typischen Schrift-Bild Annie von 1962 transformiert, lässt sich
evident das Konzept der Collage als Fundamentalkonzept für einen
spezifischen Bildbegriff ausmachen, den Ruscha in konzeptioneller
Diversifikation ingeniös bei seiner weiteren Werkentwicklung
systematisch untersuchte. Die Werkentstehung eines
Gegenwartskünstlers erlaubt selten so offenkundig Einsicht in seine
konzeptionellen und ästhetischen Grundlagen, die in der weiteren
praktischen Ausarbeitung nicht nur an theoretischer Komplexität
gewannen, sondern sich auch piktorial Rechenschaft über seine
Entwürfe gab, wie jene Collageserie Turkey/Greece von 1994 zeigt,
in der Ruscha Reproduktionen seiner Bilder aus Katalogen
ausschneidet und rekombiniert. Der erste Teil der Arbeit widmet
sich dem konzeptionellen Potential und der kontextuellen Prägung
von paradigmatischen Werken, deren Theoriebildung selbst wieder
historisch gewachsen ist, und stellt dadurch das theoretische
Rüstzeug für den spezifischen Sinnstiftungsprozess, der sich am
Bild vollzieht, bereit. Die Einfügung traditionell bildfremder
Materialien in das Ölgemälde durch den Kubismus destruierte nicht
nur den konventionellen Bildbegriff, sondern sollte auch mit der
Hinterfragung der Repräsentationsmöglichkeit des visuellen Zeichens
generell den Charakter von repräsentativen Zeichen als
Kommunikationsmittel und ihrer Relation zueinander thematisieren,
wodurch linguistische und ikonische Zeichen in ihrer Wertigkeit
gegeneinander ausgespielt wurden. Bevor wir uns aber dem bei
Picasso realisierten Bildbegriff widmeten, wurden Parameter des
vormodernen Bildbegriffs umrissen, um jene Bereiche benennen zu
können, die in Abgrenzung zum modernen Bildbegriff weniger
diskursiv denn produktiv erschlossen wurden, was methodologisch die
Nähe zum Untersuchungsgegenstand unabdinglich machte. Der Überblick
zu Funktion und Geschichte der Collage suchte ästhetische
Voraussetzungen zu markieren, die den Übergang von einem
vormodernen Bildbegriff zu dem in der Collage realisierten
Bildbegriff nachvollziehbar erscheinen lassen. Die Errungenschaft
von Paul Cézanne zur Wiedergabe des Wahrnehmungsprozesses bei der
Bildproduktion wurde als grundlegend für die Funktion des
Zeichencharakters des collagierten Elements angesehen und leitete
in die Ausbildung der kubistischen Ästhetik über, die wiederum den
Nährboden für den künstlerischen Einsatz von Collage darstellt.
Fundamentale Reflexionen zur Methodologie der vorliegenden Arbeit
basieren auf historiographischen Ansätzen, die ihre Methode an der
Ästhetik des kubistischen Bildes reflektiert. Allein der Rahmen
dieser Arbeit liess nicht zu, eine möglichst vollständige
Geschichte oder Deutung einzelner Kunstwerke zu schreiben, sondern
der Blick auf die kubistische Collage ist mitbestimmt und gerichtet
auf die theoretischen Erfordernisse zeitlich nachfolgender Werke
und enthält sich der Annahme einer progressiven Ausrichtung, die
das Ideal einer abgerundeten Definition für das Konzept der Collage
bereithielte. Die einzelnen Kapitel umreissen jeweils
konzeptionelle, theoretische oder historische Aspekte der Collage,
so dass Kunstgeschichte mit Theoriegeschichte wechselseitig
interagiert. Wie ein rotes Band zieht sich durch die Geschichte der
Collage die Untersuchung des Verhältnisses von Sprache zu Bild. Die
vom Kubismus in der Malerei entwickelten experimentellen Verfahren
wurden von den russischen Malern, Dichtern und
Sprachwissenschaftlern praktisch und theoretisch beispiellos
vertieft, so dass die geringsten piktorialen Einheiten theoretisch
in einer äusserst raffinierten Begriffsbildung erfassbar werden,
was in der Werkgenese von Malewitsch seinen praktischen
Niederschlag gefunden hat. Das Werk und die Person von Kurt
Schwitters stellt den historischen Angelpunkt im Diskurs der
Moderne von seinen grosseuropäischen Ursprüngen, einschliesslich
des osteuropäischen Bilddiskurses, zu der amerikanischen
Weiterentwicklung dar, wovon Ruscha mit einer frühen Hommage, dem
Ölbild Schwitters von 1962, und der Aussage: „Without Schwitters
nobody of us” Zeugnis gibt. Schwitters Ästhetik kombinierte
avantgardistische Positionen der klassischen Moderne, und durch
seine integrative Persönlichkeit und aktive Vermittlungstätigkeit
stellte er früh die mitteleuropäischen Kontakte zu New Yorker
Sammlern (Kathrine Dreier und Alfred Barr für das MoMA) her.
Inbesondere aber Schwitters umfassender, medienumgreifender und im
weitesten Sinne demokratischer Bildbegriff galt als integre
Inspirationsquelle für die mannigfaltigsten Entwicklungen der
Nachkriegskunst in den USA, deren sogenannte Neo-Avantgarde sich
insbesondere an seiner Bildsprache orientieren sollte. Bewahrt in
der klassischen Collagetechnik das Material absichtsvoll die Spuren
seiner Herkunft, knüpft Jasper Johns nurmehr an diese Technik an,
um seine Sujets in ein komplexes hermeneutisches Netzwerk
einzubinden. Zu Johns äusserte Ruscha: “Jasper Johns was an atomic
bomb in my training. I knew that I had seen something profound”.
Seine Bilder zeigen ein vorgebliches Motiv, das bei einer
tiefergehenden Analyse von Widersprüchlichkeiten konterkariert
wird, die auch durch die eigenwillige Technik ihrer Herstellung
aufgeworfen werden. Die Bedeutung des Werkes erschöpft sich in
seinem unabsehbaren zirkulären hermeneutischen Prozess, dessen
faktische Ausgangsebene von collagierten Zeitungsschnipseln als
grundlegendster Informationseinheit bestimmt wird, die wiederum als
Metapher für die Möglichkeit der Interpretation des Bildes
einstehen. Das Konzept der Collage in der Bildenden Kunst schien
nunmehr weniger an eine Technik gebunden zu sein, als vielmehr
Komponenten miteinander zu verbinden, die aus unterschiedlichen
intellektuellen oder perzeptiven Kategorien stammen. Vor dem
Hintergrund der erarbeiteten historischen Parameter und
theoretischen Kriterien wurden im zweiten Teil der Arbeit
paradigmatische Gemälde Ruschas aus dem Frühwerk beschrieben, deren
konzeptionelle Komplexität entscheidend für die Auswahl sind.
Ruscha versteht es, in einer aufs Wesentliche reduzierten
malerischen Form visuell überzeugend im Bildbegriff eben jene
theoriehistorisch relevanten Konzepte zu thematisieren, die in der
Geschichte der Collage problematisiert worden waren. Er
transzendiert die Technik der Collage, indem er in einem komplexen
Transformationsprozess ohnegleichen die Technik der Collage ins
Tafelbild überführt, um wiederum die vormalig konventionellen
Mittel der Ölmalerei in jenes Kontrastverhältnis zu setzen, welche
das Bild als epistemologische Metapher auszeichnen. Das Konzept der
Collage geht dem modernen, westlichen Bild im wahrsten Sinne auf
den Grund. Seine bildnerischen Aussagen, die im Verlauf der hier
beschriebenen Geschichte einen Zirkel schlagen von der Destruktion
der Ölmalerei bei Picasso zu ihrer Dekonstruktion bei Ruscha,
betreffen die gesellschaftliche Wertigkeit vom Warencharakter des
Bildes und seiner kulturellen Produktion, den Begriff der
Geschichte, Probleme der Repräsentation und Kommunikation, die
Rolle des Betrachters bei der Konstitution des Kunstwerks, die
gesellschaftliche Utopie künstlerischer Produktion und den
erkenntnistheoretischen Wert der Metapher, den heuristischen
Prozess des Bildes und nicht zuletzt die Semiotik des
linguistischen und visuellen Zeichens. Es ist dem methodischen
Entwurf der vorliegenden Arbeit inhärent, dass mit Ruschas
besonderer Anwendung und Konzeptionalisierung des Bildes in der
Werkentwicklung des Künstlers ein Beispiel vorliegt, das eine
möglichst evidente und wissenschaftlich konzise Herleitung
konzeptioneller Grundprobleme erlaubte. Darüberhinaus aber eröffnet
sich der beschriebene Ansatz unter Beibehaltung der erarbeiteten
Methodologie für das Verständnis der Werke anderer zeitgenössischer
Künstler, deren Bildbegriff nicht weniger vom Konzept der Collage
infiziert ist und deren Untersuchung sich fast übergangslos und mit
Gewinn anschliessen liesse. In Damien Hirsts Frühwerk etwa finden
sich Materialcollagen, die von Schwitters‘ Collagen kaum zu
unterscheiden sind. David Salles Bildbegriff liesse sich erweitern,
indem man die Analyse auf das Konzept der Montage ausdehnt. Und
Jeff Koons neueste Malerei bedient sich der digitalen
Bildbearbeitung, um digital zusammengefügte Bildfragmente in einem
für die Sinnstiftung des Bildes nicht unbedeutenden
Produktionsprozess zu verfertigen, dessen Verfahren sich mehr der
spätindustriellen Herstellung denn herkömmlicher künstlerischer
Bildschöpfung verdankt.
Ungenauigkeit des deutschen Genitivs zu eigen, denn die Collage
wirft in der Tat ein Konzept auf: Es ist ihr Anliegen, die
vorgefundenen Bruchstücke dieser Welt zusammenhängend ins Werk zu
setzen, wobei die verschiedenen Materialien absichtsvoll nicht nur
die Spuren ihrer Herkunft im Bild bewahren, sondern jegliche
strikte, sequenzielle Entwicklung verletzen, narrative Linien
unterbrechen oder systematische Vorstellungen unterminieren, wie
das Werk sich gemäss der eigenen ästhetischen Prämissen entfalten
soll, um der Imagination des Betrachters künstlerische
Produktionsprozesse zu übertragen. Durch eine vom phänomenologisch
rezipierten Gegenstand induzierte Analyse, suchten wir in
collagierten Bildwerken, die jeweils eine historische
Schwellenposition für den Bildbegriff im 20. Jahrhundert markieren,
nach ihren ästhetischen Vorgaben und ihrer konzeptionellen
Auswirkung im Hinblick auf Anwendungsbereiche bei Edward Ruscha:
Wir lasen ihre Zeichen, um etwas begrifflich zu beschreiben, das
nicht offen sichtbar in der Collage zutage tritt. Wir wollten in
die Brüche, Ritzen, Verwerfungen; in die Kanten, Risse und Spalten
ihrer Bedeutung blicken, um das Verdeckte, Verborgene, Versteckte
und Unsichtbare freizulegen, um es in unsere Sicht zu holen mit dem
bescheidenen Anspruch, Sinn zu stiften und Verstehen zu fördern.
Durch die Analyse von Collagekonzepten, die historisch relevante
Bezüge zu dem spezifischen Bildbegriff von Edward Ruscha erkennen
lassen, arbeiteten wir Vorstellungen, Schlüsselbegriffe und
Paradigmen heraus, die bildgenerative Prozesse bei Ruscha
erleuchten, welche produktiv und selbstreflexiv Fundamentalfragen
nach der Sinnstiftung des modernen Bildes und seiner Geschichte
aufwerfen. Ruschas Bilder sind insbesondere bekannt für die
malerische Darstellung von Wörtern und Sätzen sowie eine reduzierte
und geradezu nominalistische Darstellung von Einzelobjekten, die
ein Maximum an Assoziationsmöglichkeiten aufwerfen. Anhand einer
technischen Transformation im Frühwerk von Edward Ruscha, welche
die Ikonographie der kleinformatigen Collage Dublin von 1959 über
das grosse Ölgemälde Dublin von 1960 zu dem für diesen Künstler
typischen Schrift-Bild Annie von 1962 transformiert, lässt sich
evident das Konzept der Collage als Fundamentalkonzept für einen
spezifischen Bildbegriff ausmachen, den Ruscha in konzeptioneller
Diversifikation ingeniös bei seiner weiteren Werkentwicklung
systematisch untersuchte. Die Werkentstehung eines
Gegenwartskünstlers erlaubt selten so offenkundig Einsicht in seine
konzeptionellen und ästhetischen Grundlagen, die in der weiteren
praktischen Ausarbeitung nicht nur an theoretischer Komplexität
gewannen, sondern sich auch piktorial Rechenschaft über seine
Entwürfe gab, wie jene Collageserie Turkey/Greece von 1994 zeigt,
in der Ruscha Reproduktionen seiner Bilder aus Katalogen
ausschneidet und rekombiniert. Der erste Teil der Arbeit widmet
sich dem konzeptionellen Potential und der kontextuellen Prägung
von paradigmatischen Werken, deren Theoriebildung selbst wieder
historisch gewachsen ist, und stellt dadurch das theoretische
Rüstzeug für den spezifischen Sinnstiftungsprozess, der sich am
Bild vollzieht, bereit. Die Einfügung traditionell bildfremder
Materialien in das Ölgemälde durch den Kubismus destruierte nicht
nur den konventionellen Bildbegriff, sondern sollte auch mit der
Hinterfragung der Repräsentationsmöglichkeit des visuellen Zeichens
generell den Charakter von repräsentativen Zeichen als
Kommunikationsmittel und ihrer Relation zueinander thematisieren,
wodurch linguistische und ikonische Zeichen in ihrer Wertigkeit
gegeneinander ausgespielt wurden. Bevor wir uns aber dem bei
Picasso realisierten Bildbegriff widmeten, wurden Parameter des
vormodernen Bildbegriffs umrissen, um jene Bereiche benennen zu
können, die in Abgrenzung zum modernen Bildbegriff weniger
diskursiv denn produktiv erschlossen wurden, was methodologisch die
Nähe zum Untersuchungsgegenstand unabdinglich machte. Der Überblick
zu Funktion und Geschichte der Collage suchte ästhetische
Voraussetzungen zu markieren, die den Übergang von einem
vormodernen Bildbegriff zu dem in der Collage realisierten
Bildbegriff nachvollziehbar erscheinen lassen. Die Errungenschaft
von Paul Cézanne zur Wiedergabe des Wahrnehmungsprozesses bei der
Bildproduktion wurde als grundlegend für die Funktion des
Zeichencharakters des collagierten Elements angesehen und leitete
in die Ausbildung der kubistischen Ästhetik über, die wiederum den
Nährboden für den künstlerischen Einsatz von Collage darstellt.
Fundamentale Reflexionen zur Methodologie der vorliegenden Arbeit
basieren auf historiographischen Ansätzen, die ihre Methode an der
Ästhetik des kubistischen Bildes reflektiert. Allein der Rahmen
dieser Arbeit liess nicht zu, eine möglichst vollständige
Geschichte oder Deutung einzelner Kunstwerke zu schreiben, sondern
der Blick auf die kubistische Collage ist mitbestimmt und gerichtet
auf die theoretischen Erfordernisse zeitlich nachfolgender Werke
und enthält sich der Annahme einer progressiven Ausrichtung, die
das Ideal einer abgerundeten Definition für das Konzept der Collage
bereithielte. Die einzelnen Kapitel umreissen jeweils
konzeptionelle, theoretische oder historische Aspekte der Collage,
so dass Kunstgeschichte mit Theoriegeschichte wechselseitig
interagiert. Wie ein rotes Band zieht sich durch die Geschichte der
Collage die Untersuchung des Verhältnisses von Sprache zu Bild. Die
vom Kubismus in der Malerei entwickelten experimentellen Verfahren
wurden von den russischen Malern, Dichtern und
Sprachwissenschaftlern praktisch und theoretisch beispiellos
vertieft, so dass die geringsten piktorialen Einheiten theoretisch
in einer äusserst raffinierten Begriffsbildung erfassbar werden,
was in der Werkgenese von Malewitsch seinen praktischen
Niederschlag gefunden hat. Das Werk und die Person von Kurt
Schwitters stellt den historischen Angelpunkt im Diskurs der
Moderne von seinen grosseuropäischen Ursprüngen, einschliesslich
des osteuropäischen Bilddiskurses, zu der amerikanischen
Weiterentwicklung dar, wovon Ruscha mit einer frühen Hommage, dem
Ölbild Schwitters von 1962, und der Aussage: „Without Schwitters
nobody of us” Zeugnis gibt. Schwitters Ästhetik kombinierte
avantgardistische Positionen der klassischen Moderne, und durch
seine integrative Persönlichkeit und aktive Vermittlungstätigkeit
stellte er früh die mitteleuropäischen Kontakte zu New Yorker
Sammlern (Kathrine Dreier und Alfred Barr für das MoMA) her.
Inbesondere aber Schwitters umfassender, medienumgreifender und im
weitesten Sinne demokratischer Bildbegriff galt als integre
Inspirationsquelle für die mannigfaltigsten Entwicklungen der
Nachkriegskunst in den USA, deren sogenannte Neo-Avantgarde sich
insbesondere an seiner Bildsprache orientieren sollte. Bewahrt in
der klassischen Collagetechnik das Material absichtsvoll die Spuren
seiner Herkunft, knüpft Jasper Johns nurmehr an diese Technik an,
um seine Sujets in ein komplexes hermeneutisches Netzwerk
einzubinden. Zu Johns äusserte Ruscha: “Jasper Johns was an atomic
bomb in my training. I knew that I had seen something profound”.
Seine Bilder zeigen ein vorgebliches Motiv, das bei einer
tiefergehenden Analyse von Widersprüchlichkeiten konterkariert
wird, die auch durch die eigenwillige Technik ihrer Herstellung
aufgeworfen werden. Die Bedeutung des Werkes erschöpft sich in
seinem unabsehbaren zirkulären hermeneutischen Prozess, dessen
faktische Ausgangsebene von collagierten Zeitungsschnipseln als
grundlegendster Informationseinheit bestimmt wird, die wiederum als
Metapher für die Möglichkeit der Interpretation des Bildes
einstehen. Das Konzept der Collage in der Bildenden Kunst schien
nunmehr weniger an eine Technik gebunden zu sein, als vielmehr
Komponenten miteinander zu verbinden, die aus unterschiedlichen
intellektuellen oder perzeptiven Kategorien stammen. Vor dem
Hintergrund der erarbeiteten historischen Parameter und
theoretischen Kriterien wurden im zweiten Teil der Arbeit
paradigmatische Gemälde Ruschas aus dem Frühwerk beschrieben, deren
konzeptionelle Komplexität entscheidend für die Auswahl sind.
Ruscha versteht es, in einer aufs Wesentliche reduzierten
malerischen Form visuell überzeugend im Bildbegriff eben jene
theoriehistorisch relevanten Konzepte zu thematisieren, die in der
Geschichte der Collage problematisiert worden waren. Er
transzendiert die Technik der Collage, indem er in einem komplexen
Transformationsprozess ohnegleichen die Technik der Collage ins
Tafelbild überführt, um wiederum die vormalig konventionellen
Mittel der Ölmalerei in jenes Kontrastverhältnis zu setzen, welche
das Bild als epistemologische Metapher auszeichnen. Das Konzept der
Collage geht dem modernen, westlichen Bild im wahrsten Sinne auf
den Grund. Seine bildnerischen Aussagen, die im Verlauf der hier
beschriebenen Geschichte einen Zirkel schlagen von der Destruktion
der Ölmalerei bei Picasso zu ihrer Dekonstruktion bei Ruscha,
betreffen die gesellschaftliche Wertigkeit vom Warencharakter des
Bildes und seiner kulturellen Produktion, den Begriff der
Geschichte, Probleme der Repräsentation und Kommunikation, die
Rolle des Betrachters bei der Konstitution des Kunstwerks, die
gesellschaftliche Utopie künstlerischer Produktion und den
erkenntnistheoretischen Wert der Metapher, den heuristischen
Prozess des Bildes und nicht zuletzt die Semiotik des
linguistischen und visuellen Zeichens. Es ist dem methodischen
Entwurf der vorliegenden Arbeit inhärent, dass mit Ruschas
besonderer Anwendung und Konzeptionalisierung des Bildes in der
Werkentwicklung des Künstlers ein Beispiel vorliegt, das eine
möglichst evidente und wissenschaftlich konzise Herleitung
konzeptioneller Grundprobleme erlaubte. Darüberhinaus aber eröffnet
sich der beschriebene Ansatz unter Beibehaltung der erarbeiteten
Methodologie für das Verständnis der Werke anderer zeitgenössischer
Künstler, deren Bildbegriff nicht weniger vom Konzept der Collage
infiziert ist und deren Untersuchung sich fast übergangslos und mit
Gewinn anschliessen liesse. In Damien Hirsts Frühwerk etwa finden
sich Materialcollagen, die von Schwitters‘ Collagen kaum zu
unterscheiden sind. David Salles Bildbegriff liesse sich erweitern,
indem man die Analyse auf das Konzept der Montage ausdehnt. Und
Jeff Koons neueste Malerei bedient sich der digitalen
Bildbearbeitung, um digital zusammengefügte Bildfragmente in einem
für die Sinnstiftung des Bildes nicht unbedeutenden
Produktionsprozess zu verfertigen, dessen Verfahren sich mehr der
spätindustriellen Herstellung denn herkömmlicher künstlerischer
Bildschöpfung verdankt.
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