Before Britannia ruled the Waves
Beschreibung
vor 18 Jahren
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entstehung von
nationaler Identität im England der Frühen Neuzeit. Diese Frage
wird in einem maritimen Kontext untersucht – wurde die englische,
später dann zunehmend britische, Nation durch Seefahrt, Handel und
Royal Navy definiert? In welchen Kontexten und durch welche Akteure
geschah das? Wie wurde die Insellage mit Bedeutung gefüllt? Was
lässt sich mit Blick auf die maritime Seite englischer Identität
über aktuelle Forschungskontroversen zum Nationalismus sagen?
Methodisch positioniert sich die Arbeit im Kontext neuerer,
kulturgeschichtlicher Untersuchungen sowie Forschungen zu
nationaler Identität und Nationalismus und den eng mit diesen
Konzepten verbundenen Begriffen von Erinnerung und Öffentlichkeit.
Ich gehe dabei von der Annahme aus, dass Identität in einem
Wechselspiel aus Gegenwart und Vergangenheit entsteht – letztere
allerdings nicht gedacht als objektive Entität, sondern als
hochgradig subjektive Erinnerung. Um diesem Ansatz gerecht werden
zu können, untersuche ich einen Zeitraum von 260 Jahren anhand
eines breiten Spektrums von über tausend verschiedenen Quellen.
Angefangen mit Chroniken und historisch-geographischen
Landesbeschreibungen reicht das Spektrum von nautischer
Fachliteratur, Theaterstücken, Predigten, Liedern und Pamphleten
bis zu Zeitungen, höfischer Festkultur, Schiffen, Medaillen und
Begräbnisfeierlichkeiten. Den Anfang des Untersuchungszeitraums
markieren die Jahre um 1480, in denen die Einführung des
Buchdrucks, englische Entdeckerfahrten und der Aufbau einer
„stehenden“ Flotte zusammenfallen. Mit dem Jahr 1740 findet meine
Untersuchung ihren Abschluss. Neben der Materialfülle und der
deutlich besseren Forschungslage für die zweite Hälfte des 18.
Jahrhunderts legt auch der Umstand diese Zäsur nahe, dass um diese
Zeit zentrale Elemente der maritimen Identität bereits klar
definiert worden waren. Die Hymne Rule, Britannia etwa definierte
die Nation über ihre Beziehung zur See, so dass ich mit ihrer
Uraufführung im Sommer 1740 schließe. Indem ich den Blick dabei
gerade auch auf das 17. Jahrhundert lenke, erweitere ich die
Perspektive der Forschung, die sich bisher im Schwerpunkt auf das
späte 18. Jahrhundert gestützt hat. Teil I, Aufbruch in eine neue
Welt, behandelt den Zeitraum von 1480 bis zur Mitte der 1620er
Jahre. Es geht dabei darum, wie Engländer in vier Kontexten –
Geschichtsschreibung und Landesbeschreibung, nautischer
Fachliteratur, Entdeckungen und Kolonien sowie dem Krieg gegen
Spanien – wichtige Grundlagen ihrer maritimen Identität
entwickelten. Mit Schwert und Feder eroberten sie sich in diesen
Jahrzehnten den Zugang zu einer „neuen“ Welt, die zunehmend in
nationalen Kriterien verstanden und in der Englands Rolle auf der
See gesehen wurde. Teil II, Zwischen Königtum und Nation, verfolgt
diese Entwicklung weiter bis zur Glorreichen Revolution von 1688,
nun allerdings vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen zwischen
Krone und Nation. Maritime Geschichte wurde hier zum Argument, mit
dem die Politik der Stuarts angegriffen wurde. Wie es dazu kam und
wie besonders Karl I. diesem Angriff mit dem Konzept einer
(ebenfalls historisch legitimierten) Seemonarchie zu begegnen
suchte, untersuchen die ersten beiden Kapitel dieses Teils. Das
dritte Kapitel geht dann der Frage nach, wie diese über den
Monarchen geprägte maritime Identität während des Interregnums auf
die Nation bezogen wurde. Zum Abschluss von Teil II untersuche ich
die Frage, ob maritime Identität in erster Linie über den Monarchen
oder die Nation definiert wurde anhand der öffentlichen Wahrnehmung
der englisch-niederländischen Seekriege. In Teil III, Die Stunde
der Patrioten, wird der Konflikt zwischen Krone und Nation durch
einen Streit zwischen „Patrioten“ ersetzt. Nach der Glorreichen
Revolution stand nämlich nicht mehr in Frage, dass England
Beziehung zur See nicht über die Krone, sondern die Nation
definiert wurde. Es ging nun vornehmlich darum, welche Gruppen die
maritimen Interessen der Nation am besten verkörpern konnten. Das
zeigte sich bereits während der Kriege, die England um 1700 mit
Frankreich führte. Im zweiten Kapitel des dritten Teils untersuche
ich, wie maritime Identität und die Marine als nationales Anliegen
in unterschiedlichen Diskursen für verschiedenen Ziele
instrumentalisiert werden konnten. Besonders deutlich wird das im
abschließenden Kapitel anhand des Bemühens einer „patriotischen“
Opposition, Großbritannien mit dem Argument seiner maritimen
Identität in einen Seekrieg mit Spanien zu treiben. Im Verlauf
dieser Untersuchung tritt klar zu Tage, wie sehr sich Engländer in
der Frühen Neuzeit mit nationalen Kriterien auf die See bezogen und
wie früh Topoi wie Sterben für die Nation oder die Darstellung der
Marine als der „Wooden Walls“ Englands starke Bedeutung bekamen.
Weniger eindeutig ist allerdings, was im jeweiligen Kontext mit
Nation gemeint war und ob sie eher im religiös-konfessionellen,
monarchischen oder modern-nationalen Kontext gesehen wurde. Anhand
des langen Untersuchungszeitraums lässt sich gut herausarbeiten,
dass der Begriff des Nationalismus auch auf die scheinbar so
„moderne“ Nation England über weite Teile der Frühen Neuzeit nicht
angewendet werden kann. Wohl aber zeigt sich, dass mit Bezug auf
die maritime Identität Englands um die Mitte des 17. Jahrhunderts
ein deutlicher Wandel stattfand. In seiner Beschäftigung mit der
See hatte das 16. Jahrhundert Grundlagen maritimer Identität
gelegt. Das 18. Jahrhundert machte sie mit seinen „popular
politics“ stärker zu einer Sache der Massen und einem zunehmend
britischen Thema. Der entscheidende Umbruch lag aber in der Mitte
des 17. Jahrhunderts – maritime Identität wurde in einem Ringen
zwischen Krone und Nation konstruiert und schließlich zu einer
nationalen Angelegenheit. Eine zentrale Bedeutung hatte dabei auch
das kollektive Gedächtnis, das sich als ein aktiver Prozess
erweist, in dem Erinnerung den Bedürfnissen der Gegenwart in einer
ständigen Auseinandersetzung angepasst wurde – eine
Auseinandersetzung mit anderen Völkern, aber gerade auch der
Engländer mit sich selbst.
nationaler Identität im England der Frühen Neuzeit. Diese Frage
wird in einem maritimen Kontext untersucht – wurde die englische,
später dann zunehmend britische, Nation durch Seefahrt, Handel und
Royal Navy definiert? In welchen Kontexten und durch welche Akteure
geschah das? Wie wurde die Insellage mit Bedeutung gefüllt? Was
lässt sich mit Blick auf die maritime Seite englischer Identität
über aktuelle Forschungskontroversen zum Nationalismus sagen?
Methodisch positioniert sich die Arbeit im Kontext neuerer,
kulturgeschichtlicher Untersuchungen sowie Forschungen zu
nationaler Identität und Nationalismus und den eng mit diesen
Konzepten verbundenen Begriffen von Erinnerung und Öffentlichkeit.
Ich gehe dabei von der Annahme aus, dass Identität in einem
Wechselspiel aus Gegenwart und Vergangenheit entsteht – letztere
allerdings nicht gedacht als objektive Entität, sondern als
hochgradig subjektive Erinnerung. Um diesem Ansatz gerecht werden
zu können, untersuche ich einen Zeitraum von 260 Jahren anhand
eines breiten Spektrums von über tausend verschiedenen Quellen.
Angefangen mit Chroniken und historisch-geographischen
Landesbeschreibungen reicht das Spektrum von nautischer
Fachliteratur, Theaterstücken, Predigten, Liedern und Pamphleten
bis zu Zeitungen, höfischer Festkultur, Schiffen, Medaillen und
Begräbnisfeierlichkeiten. Den Anfang des Untersuchungszeitraums
markieren die Jahre um 1480, in denen die Einführung des
Buchdrucks, englische Entdeckerfahrten und der Aufbau einer
„stehenden“ Flotte zusammenfallen. Mit dem Jahr 1740 findet meine
Untersuchung ihren Abschluss. Neben der Materialfülle und der
deutlich besseren Forschungslage für die zweite Hälfte des 18.
Jahrhunderts legt auch der Umstand diese Zäsur nahe, dass um diese
Zeit zentrale Elemente der maritimen Identität bereits klar
definiert worden waren. Die Hymne Rule, Britannia etwa definierte
die Nation über ihre Beziehung zur See, so dass ich mit ihrer
Uraufführung im Sommer 1740 schließe. Indem ich den Blick dabei
gerade auch auf das 17. Jahrhundert lenke, erweitere ich die
Perspektive der Forschung, die sich bisher im Schwerpunkt auf das
späte 18. Jahrhundert gestützt hat. Teil I, Aufbruch in eine neue
Welt, behandelt den Zeitraum von 1480 bis zur Mitte der 1620er
Jahre. Es geht dabei darum, wie Engländer in vier Kontexten –
Geschichtsschreibung und Landesbeschreibung, nautischer
Fachliteratur, Entdeckungen und Kolonien sowie dem Krieg gegen
Spanien – wichtige Grundlagen ihrer maritimen Identität
entwickelten. Mit Schwert und Feder eroberten sie sich in diesen
Jahrzehnten den Zugang zu einer „neuen“ Welt, die zunehmend in
nationalen Kriterien verstanden und in der Englands Rolle auf der
See gesehen wurde. Teil II, Zwischen Königtum und Nation, verfolgt
diese Entwicklung weiter bis zur Glorreichen Revolution von 1688,
nun allerdings vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen zwischen
Krone und Nation. Maritime Geschichte wurde hier zum Argument, mit
dem die Politik der Stuarts angegriffen wurde. Wie es dazu kam und
wie besonders Karl I. diesem Angriff mit dem Konzept einer
(ebenfalls historisch legitimierten) Seemonarchie zu begegnen
suchte, untersuchen die ersten beiden Kapitel dieses Teils. Das
dritte Kapitel geht dann der Frage nach, wie diese über den
Monarchen geprägte maritime Identität während des Interregnums auf
die Nation bezogen wurde. Zum Abschluss von Teil II untersuche ich
die Frage, ob maritime Identität in erster Linie über den Monarchen
oder die Nation definiert wurde anhand der öffentlichen Wahrnehmung
der englisch-niederländischen Seekriege. In Teil III, Die Stunde
der Patrioten, wird der Konflikt zwischen Krone und Nation durch
einen Streit zwischen „Patrioten“ ersetzt. Nach der Glorreichen
Revolution stand nämlich nicht mehr in Frage, dass England
Beziehung zur See nicht über die Krone, sondern die Nation
definiert wurde. Es ging nun vornehmlich darum, welche Gruppen die
maritimen Interessen der Nation am besten verkörpern konnten. Das
zeigte sich bereits während der Kriege, die England um 1700 mit
Frankreich führte. Im zweiten Kapitel des dritten Teils untersuche
ich, wie maritime Identität und die Marine als nationales Anliegen
in unterschiedlichen Diskursen für verschiedenen Ziele
instrumentalisiert werden konnten. Besonders deutlich wird das im
abschließenden Kapitel anhand des Bemühens einer „patriotischen“
Opposition, Großbritannien mit dem Argument seiner maritimen
Identität in einen Seekrieg mit Spanien zu treiben. Im Verlauf
dieser Untersuchung tritt klar zu Tage, wie sehr sich Engländer in
der Frühen Neuzeit mit nationalen Kriterien auf die See bezogen und
wie früh Topoi wie Sterben für die Nation oder die Darstellung der
Marine als der „Wooden Walls“ Englands starke Bedeutung bekamen.
Weniger eindeutig ist allerdings, was im jeweiligen Kontext mit
Nation gemeint war und ob sie eher im religiös-konfessionellen,
monarchischen oder modern-nationalen Kontext gesehen wurde. Anhand
des langen Untersuchungszeitraums lässt sich gut herausarbeiten,
dass der Begriff des Nationalismus auch auf die scheinbar so
„moderne“ Nation England über weite Teile der Frühen Neuzeit nicht
angewendet werden kann. Wohl aber zeigt sich, dass mit Bezug auf
die maritime Identität Englands um die Mitte des 17. Jahrhunderts
ein deutlicher Wandel stattfand. In seiner Beschäftigung mit der
See hatte das 16. Jahrhundert Grundlagen maritimer Identität
gelegt. Das 18. Jahrhundert machte sie mit seinen „popular
politics“ stärker zu einer Sache der Massen und einem zunehmend
britischen Thema. Der entscheidende Umbruch lag aber in der Mitte
des 17. Jahrhunderts – maritime Identität wurde in einem Ringen
zwischen Krone und Nation konstruiert und schließlich zu einer
nationalen Angelegenheit. Eine zentrale Bedeutung hatte dabei auch
das kollektive Gedächtnis, das sich als ein aktiver Prozess
erweist, in dem Erinnerung den Bedürfnissen der Gegenwart in einer
ständigen Auseinandersetzung angepasst wurde – eine
Auseinandersetzung mit anderen Völkern, aber gerade auch der
Engländer mit sich selbst.
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