Beschreibung

vor 13 Jahren
Die unter dem Einfluss von Organismen entstehenden Minerale können
entweder lediglich ein Nebenprodukt des Metabolismus sein oder aber
eine Funktion aufweisen, wofür ihre Eigenschaften und Morphologie
gezielt vom Organismus gesteuert werden. Der erstere Fall der
bioinduzierten Mineralisation wurde in dieser Arbeit bei der
Fällung des Minerals Schwertmannit (Fe8O8(OH)6SO4) durch den
Bakterienstamm Leptospirillum ferrooxidans angetroffen. Die
ursprünglich als bio-spezifisch eingeschätzte Morphologie des
Minerals konnte in abiotischen Experimenten unter geeigneten
Bedingungen erhalten werden. Die in dieser Arbeit am Beispiel der
calcitischen Brachiopodenschalen, Seeigelstacheln und Seeigelzähne
untersuchten Produkte der gesteuerten Biomineralisation sind
Kompositwerkstoffe, deren Eigenschaften aus der Kombination von
weichen organischen und harten mineralischen Komponenten entstehen.
Sie sind funktionsangepasste Strukturen, für die ein anorganischer
Bildungsmechanismus nicht in Frage kommen kann. Die Bildung der
Minerale und deren Eigenschaften wurden mit Hilfe von
Rasterelektronenmikroskopie, Rückstreuelektronenbeugung,
Transmissionselektronenmikroskopie, Röntgenbeugung,
Mikrohärtenmessungen nach Vickers und Nanoindentation untersucht.
Durch Messungen mit niedriger Beschleunigungsspannung konnte die
laterale Auflösung der Rückstreuelektronenbeugung verbessert
werden. Eine Verbesserung der Winkelgenauigkeit der
Rückstreuelektronenbeugung wurde durch einen statistischen Ansatz
erreicht. Durch vergleichende biotische und abiotische
Syntheseexperimente wurde die Bildung von Schwertmannit durch
Leptospirillum ferroooxidans als Prozess einer bioinduzierten
Mineralisation identifiziert. Die abiotischen Synthesewege
beinhalten sowohl zweiwertige als auch dreiwertige Eisenlösungen
als Ausgangsmaterial und nutzen verschiedene Wege der Oxidation
und/oder Präzipitation von Schwertmannit. Die so gefällten Proben
zeigten unterschiedliche Morphologien des Minerals, worunter aber
auch die "Igelmorphologie" zu finden war, die in der Literatur als
mit Schwertmannit-Nadeln überwachsene Zellen angesehen worden war.
Rietveld-Anpassungen des Röntgenbeugungsprofils des amorphen bis
nanokristallinen Minerals zeigen, dass die Kristallitgröße
anisotrop ist. Sie ist je nach Bildungsbedingungen 2-2.5 nm
senkrecht und als 5-11 nm parallel zu Kanälen, die durch das
Netzwerk von [FeO6]3- -Oktaedern in der Struktur gebildet werden.
Die Untersuchungen des Aufbaus calcitischer Brachiopodenschalen
zeigen, dass Brachiopodenschalen, je nach Spezies, aus bis zu drei
distinkten Mikrostrukturen bestehen können: Kolumnare Schicht,
faserige Schicht und Primärschicht. Die Mikrostruktur und Textur
der kolumnaren Schicht kann durch einen kompetitiven
Wachstumsprozess erklärt werden, der auch bei anorganischen
Prozessen angetroffen werden kann. Eine Erklärung der Mikrostruktur
der fasrigen Schicht und der Primärschicht ist hingegen nicht durch
Prozesse, die aus anorganischen Systemen bekannt sind, möglich. Die
Mikrostruktur der Primärschicht, die in dieser Arbeit erstmalig mit
Hilfe von räumlich hochauflösender Rückstreuelektronenbeugung
aufgeklärt wurde, ähnelt dendritischen Strukturen. Eine derartig
stark verzahnte und hochwiderstandsfähige Mikrostruktur ist bisher
bei keinem anderen einphasigen Material bekannt und wird durch
einen Entstehungsprozess aus einem amorphen CaCO3 (ACC) Precursor
erklärt, der seinerseits eine Agglomeration von ACC-gefüllten
Vesikeln entstand. Die Vickerhärten der einzelnen Schichten in
Brachiopodenschalen schwanken zwischen 200 und 520 HV (0.005/10)
und sind damit deutlich härter als bei anorganisch geformtem Calcit
(150-170 HV 0.005/10). Mikrostruktur, Textur und Anordnung der
Schichten innerhalb von Brachiopodenschalen maximieren deren
Bruchfestigkeit. Seeigel bilden Calcit mit einem starken Grad an
kristallographischer Vorzugsorientierung. Diese Vorzugsorientierung
ist bei Seeigelstacheln so hoch, dass diese hochporösen Konstrukte
als Einkristalle bezeichnet werden. Eine genaue, räumlich
aufgelöste Messung der Orientierung der Kristallite mit Hilfe von
Rückstreuelektronenbeugungsmessungen mit hoher Winkelauflösung
zeigten, dass es interne Verkippungen bis zu 0.5° gibt. Diese
Verkippungen in Seeigelstacheln erlauben Rückschlüsse auf deren
Bildung. Die räumlich aufgelöste chemische Analyse in Kombination
mit räumlich aufgelöster mechanischer Charakterisierung zeigt, dass
der Mg Gehalt (molares Mg/Ca Verhältnnis 1-6 %) in Seeigelstacheln
nicht mit Nanohärte (4-4,5 GPa) und E-Modulus (50-80 GPa)
korrelierbar ist. Die Nanhohärte von Seeigelstacheln liegt deutlich
höher als bei anorganisch gebildetem Calcit (3.0 +/- 0.2\,GPa),
während deren E-Moduli ähnlich sind (70 +/- 5\,GPa). Diese Arbeit
untersucht erstmals die Mikrostruktur von Seeigelzähnen mit
Rückstreuelektronenbeugung. Die Untersuchungen zeigen, dass die
großen strukturellen Einheiten, Steinteil, lamellarer Nadel
Komplex, Prismen, Primär-, Sekundär- und Karinarplatten, 3-5°
gegeneinander verkippt sind. Diese Bereiche selbst sind wieder in
Untereinheiten strukturiert, beispielsweise einzelne Platten, die
1-2° gegeneinander verkippt sind. Diese Untersuchungen zeigen
jedoch auch, dass die Bereiche ineinandergreifen können und eine
strikte Unterscheidung nicht immer möglich ist. Für dieses Material
wird der Begriff des Kompositkristalls vorgeschlagen. Das molare
Mg/Ca Verhältnis der untersuchten Seeigelzähne liegt bei 10-25 %
und ist positiv mit der Nanohärte (4-8 GPa) korreliert. Die
Kombination der Messung der präzisen kristallographischen
Orientierung, mikrostrukturellen, chemischen und mechanischen
Eigenschaften trägt zu einem tiefergehenden Verständnis des
Selbstschärfungsmechanismuses der Seeigelzähne bei. So konnte
beispielsweise der häufig diskutierte Einfluss der prominenten
104-Spaltfläche von Calcit ausgeschlossen werden.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: