Simon Stone: Wozzeck
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Gestern konnte an der Wiener Staatsoper Alban
Bergs „Wozzeck“ ohne Probleme über die
Bühne gehen. Mit Spannung wurde das Debüt
von Christian Gerhaher in der
Titelrolle erwartet. Der radio klassik Stephansdom
Opernliebhaber Richard Schmitz berichtet.
Simon Stone erklärt in seinem Interview im
Programmheft Wozzeck eindeutig zum
Frauenmörder. Da hat er georg Büchner und seine Intention nicht
verstanden. Da geht es um die Frage der Verurteilung eines
geistesgestörten Täters und um die Frage, ob er zurechnungsfähig
gewesen sei. Georg Büchner hat ja eine jahrzehntelange Diskussion
ausgelöst, die zu unserem heutigen humanen
Strafrecht geführt hat. Für Simon Stone ist er
lediglich ein „sonderbarer Mensch“, der uns täglich begegnen
kann. Aus diesem Missverständnis muss Christian
Gerhaher einen unbeholfenen Loser gestalten. Die
Szenen des Wahnsinns werden nicht herausgearbeitet. Die
Demütigungen sind bis auf die Doktorstelle kaum wahrnehmbar. Vor
allem die verbalen werden von den Sängern kaum pointiert. Da muss
man sich aufs Mitlesen konzentrieren. Großartig ist die Drehbühne
von Bob Cousins. Da gibt es herrliche
Ideen, etwa wenn das Gespräch zwischen Wozzek und Andres beim
Anstellen im Arbeitsamt stattfindet. Oder wenn Doktor und
Hauptmann Wozzeck in einem Fitnessstudio über den Seitensprung
seiner Marie informieren. Stimmiger sind die Obdachlosen in der
U-Bahnstation Simmering. Weniger schlüssig scheint, dass Marie
und Wozzeck trotz ihrer Armut in einer 4-Zimmer Wohnung mit Bad,
Kinderzimmer, Eiskasten und Wäschetrockner hausen. Die Armut
besteht offenbar darin, dass sie keinen Fernseher haben. Auch
warum Wozzecks Leiche in den Bühnenhimmel emporschwebt, bleibt
unbegreiflich. Die Kostüme von Alice Babidge &
Fauve Ryckebusch sind unauffällig. Nur in der
Kneipenszene tragen alle Tierkostüme. Warum?
Christian Gerhaher versucht mit seinen stimmlichen Mitteln und
seiner Ausdrucksfähigkeit den
Menschen Woyzeck zu gestalten. Das ist
imponierend! Auch Anja Kampe singt die
Marie mit vollem Einsatz, lässt aber kalt. Am ehesten gelingt
noch die liebende Mutter. Jörg
Schneider als Hauptmann flieht allzu oft ins
Falsett. Dmitry Belosselsky sollte
ebenfalls deutlicher akzentuieren. Sean
Panikkar ist verlässlich, nicht mehr. An Max Lorenz
in dieser Rolle an Karl Dönch oder Peter Klein in den anderen,
darf man gar nicht denken. Die haben gewusst, dass sie
einen Büchner-Text singen.
Auch Philippe Jordan weiß um die
Bedeutung dieser exemplarischen Oper und führt
das Staatsopernorchester durch
Dramatik und Lyrik.
Bemerkenswerterweise wurde der durchaus freundliche
Schlussapplaus durch Senken des schwarzen Vorhangs künstlich
verkürzt. Die Inszenierung hat den Woyzeck von Georg Büchner
missverstanden. Hat kaum provoziert und daher nur wenige Pfiffe
geerntet. Zum Nachdenken über soziale Demütigung und Femizid hat
sie nicht angeregt. Die Überführung in die Gegenwart ist für
mich, Richard Schmitz, leider misslungen.
Eine vergebene Chance für eine wichtige Wiener Oper.
Wertnote: 7,8/10 Punkten
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