Rigoletto in Lyon
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Nach zwei Jahren coronabedingter Pause wurde gestern im
französischen Lyon das Opernfestival 2022 eröffnet. Giuseppe
Verdis Klassiker Rigoletto stand in einer zeitgenössischen
Inszenierung des jungen Deutschen Regisseurs Axel Ranisch auf dem
Programm. Michael Gmasz ist in Lyon und hat den gestrigen
Opernabend mit Spannung miterfolgt.
Familiengeheimnisse, das ist der Übertitel des diesjährigen
Opernfestivals der Opéra de Lyon. Ein solches Familiengeheimnis
birgt auch Verdis Rigoletto in sich. Wer ist Gildas Mutter und
warum weigert sich ihr Vater Rigoletto so standhaft, über sie zu
erzählen? Das ist auch die Frage, der der Regisseur Axel Ranisch
auf den Grund zu gehen versucht. Er verlegt die Handlung
kurzerhand vom historischen Mantua in eine Art Heute in seiner
Heimat Ostberlin, Plattenbauten inkl. Bei den aktuellen Bildern,
die wir im Kopf haben, könnte es aber auch Kiew sein … Außerdem
sind Probleme in der Familie und Kriminalität immerhin zeitlos
und nicht an bestimmte Orte gebunden. Um den Aspekt der
Familiengeschichte näher zu beleuchten, fügt Ranisch eine
Beobachterfigur hinzu. Einen Mann, der als größter Rigoletto Fan
möglicherweise ein ähnliches Schicksal erlitten hat, wie
Rigoletto selbst, doch ganz genau wird man das so nie erfahren.
Sehr gelungen ist dabei der Beginn, bei dem der Beobachter eine
Videokassette einer Rigolettoproduktion einlegt und so genau
diesen Opernabend startet. Inkl. Vorspann mit Vorstellung der
Künstler*innen. Doch geht die Geschichte auf? Versteht man auch
so den Ablauf der tragischen Handlung, den Fluch, der auf
Rigoletto lastet und der sich schließlich in der Ermordung seiner
eigenen Tochter erfüllt?
Im Großen und Ganzen Ja. Der Herzog ist ein Machotyp, evtl.
Mafia, mit seinen Bodyguards und einer tanzbegeisterten
Rockerbande als „Höflinge“, der alles und jede bekommt, die er
will. Da ist es nur logisch, dass er auch Gilda, in Bomberjacke
und skinny Jeans, erobert. Ihr Vatter Rigoletto wiederum wirkt
abgehalftert, wird in dieser Inszenierung aber wirklich als der
liebende Vater dargestellt, der er sicher gerne wäre. Das passt
auch zur angesprochenen Begleitgeschichte mit dem stummen
Zuschauer. Auch hier spielt die Vater-Tochter Beziehung eine
große Rolle. Hier erfahren wir jedoch auch, dass die Mutter bei
der Geburt verstorben ist und dass „der Zuschauer“ womöglich gar
nicht der Vater des Mädchens ist. Könnte das evtl. auch bei Gilda
und Rigoletto so sein? Das lässt Regisseur Axel Ranisch offen. Er
wählt jedoch sowohl beim „Zuschauer“ Hugo als auch bei Gilda den
Suizid als Todesursache. Warum Sparafucile hier plötzlich Skrupel
hat und seinen Mordauftrag nicht ausführt, kommt nicht ganz
heraus. Insgesamt jedoch ist seine Arbeit stringent, hin und
wieder große Dragshow, aber dient der Erzählung und bringt bei
aller Tragik sogar den einen oder anderen Lacher. Vereinzelte
Buhs am Ende wurden mit Applaus übertönt.
Großen Applaus hat es auch für das Sängerensemble gegeben – allen
voran Dalibor Jenis, der hier einen verzweifelten,
angsterfüllten, aber liebenden Rigoletto gibt. An seiner Seite
Nina Minasyan als jugendliche Gilda, mit wendiger Stimme,
herrlichem Pianissimo aber auch ausreichend Strahlkraft in der
Höhe. Die ist dem Tenor Enea Scala als Herzog ein wenig
abgegangen. Mit „Krawattltenor“ ist mir dabei ein Ausdruck meiner
Kindheit wieder eingefallen. Überzeugend aber waren auch die
weiteren tiefen Männerstimmen, vor allem Gianluca Buratto, der
statt Stefan Cerny die Partie des Sparafucile gesungen hat. Cerny
ist zwar mit mir im Flieger gewesen, steigt aber erst am Sonntag
ins Geschehen ein. Hervorzuheben ist auf alle Fälle auch der
Männerchor, der sowohl darstellerisch als auch musikalisch auf
höchstem Niveau agiert. Dirigent Daniele Rustioni leitet die
Produktion mit viel Überblick und sorgt immer für die richtige
Balance. (mg)
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