Beschreibung

vor 2 Jahren

Walter Kobéra brachte an
der Neuen Oper Wien gestern Gerd Kührs
Oper „Stallerhof“ heraus. Bei diesem
zeitgenössischen Werk war radio klassik Stephansdom Opernexperte
Richard Schmitz selbstverständlich dabei.


Der junge österreichische Komponist Gerd
Kühr wurde von seinem Lehrer Hans
Werner Henze auf das Theaterstück „Stallerhof“ von
Franz Xaver Kroetz aufmerksam gemacht. Kroetz hat auch das
Libretto geschrieben, das dem Theaterstück folgt.


Es geht um das Schicksal eines halbblinden, geistig behinderten
Mädchen, das von seinen Eltern unterdrückt und schikaniert wird.
Vom alternden Knecht geschwängert, wird sie am Ende doch
erwachsen und einigermaßen selbstbewusst.


Die Präsentation der Neuen Oper
Wien löst das Werk aus der bäuerlichen Umgebung und
erreicht damit eine frappierende Allgemeingültigkeit. Dass
geistig behinderte Mädchen vergewaltigt werden, ist leider
traurige Realität. Shira
Szabady imponiert bei ihrem Debüt als Regisseurin
durch gekonnte Personenführung und emotionaler Durchdringung des
Dramas. Nikolaus Webern hat in
das Semperdepot ein praktikables
Stufensujet gebaut. Ob die spiegelgleiche Zuschauertribüne auch
von ihm geplant wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Das
pausenlose Geschehen kann reibungslos ablaufen.


Musikalisch beginnt Gerd Kühr eher deklamatorisch, steigert sich
aber bis zum erschütternden Schluss zu eigenständiger Tonsprache.
Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten lauscht man gebannt der
Musik. Daran hat auch Ekaterina
Protsenko als Mädchen Beppi großen Anteil. Von der
Leseschwäche am Anfang über das Erwachen sexueller Empfindungen
bis hin zu Zweifel an Liebe und Treue erscheint alles
glaubwürdig. Ihr Kinderliedsolo bekommt diesbezüglich eine innere
Bedeutung. James Tolksdorf ist in
dieser Inszenierung kein grober Knecht, er darf zeitweise auch
durchaus liebevoll sein. Für jemanden, der spätestens in fünf
Jahren in Pension gehen will, ist er allerdings noch sehr jung.
Man merkt, dass er schon viele größere Rollen gesungen hat. Die
Stimme ist schön und markant. Franz
Gürtelschmied charakterisiert den Vater Staller
gekonnt. Tiefer dringt Anna Clare
Hauf in die Rolle der Mutter ein. Wie sie es doch
nicht übers Herz bringt ihr Enkelkind abzutreiben, ist großes
Theater.


Die Szenen werden immer wieder durch ein Frauenterzett
unterbrochen, die die Härte des sechsten
Gebots in der Lutherübersetzung in Erinnerung
rufen. Hier verwendet Gerd Kühr auch kirchentonale
Anklänge. Ekaterina
Krasko, Hannah
Fheodoroff und Elisabeth
Kirchner genügen allen Ansprüchen der hohen
Tessitura.


Dass Walter Kobéra und das amadeus ensemble
wien verlässlich zum Erfolg beisteuern, ist schon
fast selbstverständlich. Das Publikum freute sich über die
Wiederentdeckung einer modernen Oper und feierte auch den
Komponisten.


Wertnote: 7,8/10 Punkten


Nach der Premiere durfte Walter Kobéra den
bedeutenden Preis der Deutschen
Theaterverlage in Empfang nehmen. Die Laudatio war
gut recherchiert und zeigte fast alle Verdienste des Intendanten,
wurde aber ohne Emotion leider nur abgelesen und geriet zu lang.
Kobéra hätte sich Besseres verdient.

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