Detlef Pollack: Religion und Moderne. Und die Kirchen?
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Beschreibung
vor 2 Jahren
„Ich habe eine hohe Meinung von den Kirchen.“ Detlef Pollack
Die Bedeutung des Christentums in Deutschland geht zurück. Immer
mehr Menschen fremdeln mit der Kirche, nicht nur in Deutschland,
sondern weltweit und über die Konfessionen hinweg. Die
Coronakrise und vor allem der Missbrauchsskandal in der
Katholischen Kirche lassen das Vertrauen in die Kirche weiter
drastisch zurückgehen. Anlässlich der im März 2022
erscheinenden Neuauflage des Buches von Detlef Pollack und
Gergely Rosta, Religion und Moderne (2015, 2022) spricht Joachim
Hake mit dem Religionssoziologen Detlev Pollack über die
(schwindende) Kraft der Kirchen im Horizont der Frage nach
Religion und Moderne.
Detlef Pollack arbeitet empirisch, historisch und theoretisch –
wie er schreibt – „multiparadigmatisch“. Er ist grundsätzlich
skeptisch gegenüber allzu weiträumigen Großerzählungen und legt
konkrete Fallstudien zu Ländern wie Italien, Niederlande,
Deutschland, Polen, Russland, USA, Südkorea und Brasilien vor.
Dabei macht er erstaunliche Entdeckungen, über die Schwächung und
Stärkung religiöser Bindungen.
Shownotes
Religion leistet die Unterscheidung von Immanenz und Transzendenz
und die Symbolisierung der Transzendenz in der Immanenz.
Wie wird das Transzendente lebensweltlich relevant? Nicht
dadurch, dass es sich als das Transzendente selber zeigt, sondern
indem es sich symbolisiert. Wir sprechen auch von Codes oder von
Chiffren. Das heißt, dass die Transzendenz durch die
Unterscheidung zwischen dem Profanen und dem Heiligen irgendwo
auch zu einem Bestandteil der Immanenz wird und dadurch eben auch
erfahrbar, kommunizierbar, erlebbar, also etwas, was den Menschen
bewegen kann. Die Grundidee der katholischen Kirche verstehe ich
genauso: Es ist eben nicht nur die Transzendenz, von der
gesprochen wird, sondern man spricht auch von der heiligen
Kirche, an die man glauben kann, und in der sich irgendetwas von
dieser Transzendenz manifestiert. Und wenn es sich nicht
manifestiert, dann hat die Kirche ein Problem, dann gibt es
möglicherweise auch die Anfrage, inwieweit sie überhaupt ihrem
Anspruch gerecht wird.
Wir haben in den letzten Jahren in vielen Ländern, die wir in
unserem Buch als religiös relativ stabil und vital dargestellt
haben, dramatische Prozesse der Entkirchlichung und
Säkularisierung festgestellt, also in den USA, in Italien, in
Polen, in Irland. Man könnte weitere Länder aufführen. In den USA
ist inzwischen der Anteil derjenigen, die sich als nicht religiös
bezeichnen in etwa so hoch wie in Westdeutschland. Etwa ein
Drittel der Amerikaner, sagen, sie können mit Religion nichts
anfangen.
Wir können in Westeuropa eigentlich kaum Phänomene beobachten,
die die These der sogenannten Markttheorie bestätigen, nämlich
das mit einer Erhöhung des Grades der erhöhten Pluralität auch
die Vitalität der Religion ansteigt. Das Gegenteil ist der Fall:
Wir haben in Europa eine zunehmende religiöse Pluralität, aber
das Religiositätsniveau sinkt nach wie vor.
Die katholische Kirche kann sich reformieren und reformieren und
reformieren und zeigen, wie wandlungsfähig sie ist, und trotzdem
wird dieser Abwärtstrend ganz gewiss nicht gestoppt werden
können.
Die Mehrheit derjenigen, die die katholische Kirche für ihre
derzeitige Gestalt kritisieren, haben eine unglaublich starke
Kirchenbindung.
Ich kann mir keine katholische Kirche vorstellen, die sich nicht
über ihren Anspruch auf Heiligkeit definiert.
Die Institution kann zur Fessel werden, aber sie ist auch ein
Ermöglichungsraum. Und davon lebt nicht nur der fromme
konventionelle Kirchenchrist, davon leben auch die Kritiker an
der Kirche. Auch sie nutzen die Kanäle der Kirche, auch sie
profitieren davon, dass die Kirche so viel Infrastruktur
bereitstellt, wie das der Fall ist.
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