Über histologische Befunde am Speiseröhrengewebe bei der Achalasie (Sogenannter Kardiospasmus)

Über histologische Befunde am Speiseröhrengewebe bei der Achalasie (Sogenannter Kardiospasmus)

Beschreibung

vor 58 Jahren
In der Einleitung wird die pathologische Anatomie und Physiologie
der Speiseröhrenachalasie nach den bis heute vorliegenden
Untersuchungsbefunden wiedergegeben. Der derzeitige Stand des
histologischen Aufbaus der normalen Speiseröhrenwand wird
beschrieben. Nach einer ausführlichen Darlegung der bereits in der
Literatur vorhandenen mikroskopischen und submikroskopischen
Untersuchungsergebnisse der Speiseröhrenwand bei der Achalasie wird
an Hand von 6 eigenen Fällen pathohistologisch die Art der
qualitativen und quantitativen Veränderungen des intramuralen
Nervensystems der Speiseröhre insbesondere des
Speiseröhrenabschnitts unterhalb der Dilatation in Verbindung mit
den Veränderungen der übrigen Strukturelemente der Speiseröhrenwand
in diesem Bereich geprüft und beschrieben. Diese Untersuchungen an
Gewebsstücken aus dem Übergangsbereich Oesophagus - Magen führten
zu folgendem Ergebnis: Die Mukosa aus dem Übergangsbereich
Oesophagus - Magen eines Achalasiefalles bietet keinen Anhalt für
ausgeprägte entzündliche Veränderungen. Die Längs- und
Ringmuskelschicht der Tunica muscularis im Übergangsbereich
Oesophagus - Magen weist in allen 6 Fällen eine deutliche
Hypertrophie,leichte Dissoziation der Muskelfasern und Vermehrung
des Bindegewebes zwischen denselben auf. In 2 von 6 Fällen finden
sich kleine ovale bis runde Infiltrate polymorphkerniger Leukozyten
in den Muskelfaser-bündeln. Bei einigen Fällen sind zwischen den
Muskelfaser-bündelchen vereinzelt Erythrozyteninfiltrate zu
beobachten. Im Stratum intermusculare der Tunica muscularis lassen
sich teils oedematöse Dissoziation, teils Vermehrung des
Bindegewebes oder Sklerose in allen Fällen nachweisen. 2 der 6
Fälle zeigen um die Gefässe sowie diffus im Bindegewebe verstreut
Ansammlungen polymorphkerniger Leukozyten. In einem Teil der Fälle
sieht man eine vermehrte Vascularisation des intermuskulären
Bindegewebes und Verdickung der Gefäßwände. Gelegentlich kann man
auch Erythrozyteninfiltrate nachweisen, die wie jene im Bereich der
Tunica muscularis sicher bei der Praeparatexcision entstanden sind.
In einigen Fällen sind vereinzelt leicht gequollene
Achsenyzlinderbruchstuecke eingestreut. Umgeben von diesen
Bindegewebsverhältnissen besteht bei den meisten
Ganglionanschnitten mehr oder weniger deutliche Kern- bzw.
Zellzunahme pro Flächeneinheit, die zum größten Teil auf das
Auftreten und die Dichte von Zellen mit spindelförmigen,
längsovalen, runden und polymorphen Kernanschnitten und zum
geringsten Teil auf Rundzellinfiltrate zurückzuführen ist. Die
Zunahme der Zellen mit spindelförmigen, längsovalen, runden und
polymorphen Kernen pro Flächeneinheit der im Schnitt getroffenen
Ganglien trägt proliferativen Charakter. Die Ganglionanschnitte
zeigen teilweise das Bild der Vernarbung, in einigen Fällen das
Bild der Dissoziation. Nur ein Teil der im Schnitt getroffenen
Ganglien enthält Ganglienzellen,sie können sogar vollkommen fehlen.
Auch in Bezug auf den ganglienzellhaltigen Ganglionanschnitt lässt
sich eine Verminderung in der Anzahl der Ganglienzellen
feststellen. Die Ganglienzellen zeigen teils normales Aussehen,
teils pathologische Veränderungen im Sinne feinkörniger oder
grobkörniger Zellschwellung mit ganz vereinzelter
Hauptdendritenschwellung oder im Sinne einer Kolliquationsnekrose.
Ferner lassen sich an den Stellen zugrunde gegangener Nervenzellen
Hüllzellknötchen nachweisen. Gelegentlich findet man in den
Ganglionanschnitten neuromartige Proliferation praeganglionärer
Nervenfasern. In den Anschnitten primärer extraganglionärer
Faserstränge treten vorwiegend Zellen mit spindelförmigen und
polymorphen Kernen auf. Bei einzelnen primären Faserbündeln kann
man eine Dissoziation oder Schwellung derselben beobachten. In
einzelnen Fällen besteht körniger oder vakuoliger Zerfall der in
die Remak'schen Fasern eingeschmiegten Achsenzylinder. Bei einem
Fall last sich eine Infiltration polymorphkerniger Leukozyten
innerhalb des Anschnitts eines primären Faserstrangs nachweisen.
Ferner wird an 4 Kaninchen experimentell die Frage geprüft, ob
durch die therapeutische Dehnung der unteren Speiseröhre und der
Kardia Zerreißungen der Muskelwand und damit Veränderungen an ihren
nervösen Elementen entstehen können, welche möglicherweise das
histologische Untersuchungsergebnis beeinflussen. Dabeihaben die
histologischen Untersuchungen der Praeparate aus dem untersten
Oesophagus und dem Übergangsbereich Oesophagus - Magen vor und nach
der Dehnungsbehandlung bei Kaninchen folgendes ergeben; Das durch
experimentelle Dehnung erzeugte histologische Bild gleicht doch in
keinem Fall den pathohistologischen Befunden von nicht gedehnten
Frühfällen der Achalasie und von Achalasiefällen bei denen das
Praeparat erst nach Dehnungsbehandlung bei einer später
durchgeführten Operation entnommen wurde. Es ist daher anzunehmen,
dass eine vorausgegangene therapeutische Dehnung des untersten
Oesophagus und des Übergangsbereichs Oesophagus - Magenbei der
Achalasie das pathohistologische Geschehen nur geringfügig
beeinflussen wird. Aus den in der Literatur vorliegenden und
eigenen histologischen Befunden,die in den einzelnen Wandschichten
und Wandabschnitten der an Achalasie erkrankten Speiseröhre erhoben
worden sind, lässt sich das folgende pathohistologische Gesamtbild
ableiten: In der Tunica mucosa, Tunica submucosa, Tunica muscularis
und besonders im Stratum intermusculare sind bei der Achalasie von
den ersten Krankheitstagen an entzündliche Prozesse nachzuweisen,
denen Veränderungen und Zerstörungen einzelner Gewebselemente
folgen. Es werden einerseits das Muskelgewebe und das
interstitielle Bindegewebe, andererseits die Nervenstrukturen der
Oesophaguswand betroffen. Als Endzustand findet man eine
ausgesprochene Sklerose oder wenigstens eine Vermehrung des
Bindegewebes in der Submukosa, zwischen den Muskelbündeln, den
einzelnen Muskelzellen und im Stratum intermusculare. Ferner wird
Hypertrophie, Atrophie, hyaline Degeneration, Nekrose oder
Verkalkung der Muskelfasern beobachtet. Im submikroskopischen Bild
bestehen nur mehr restliche Kontakte zwischen den einzelnen glatten
Muskelzellen durch Protoplasmabrücken und Membrankontakte. Zudem
kommt es zu ausgedehnter Vakuolisierung des Zytoplasmas glatter
Muskelzellen. Im Bereich der Ganglien kommt es zu degenerativen
Veränderungen an den Ganglienzellen (Zellschwellung,
Hauptdendriten-schwellung, Kolliquationsnekrose), wobei die
Veränderungen bis zum restlosen Ausfall der Ganglienzellen
(Hüllzellknötchenbildung) reichen können. Eine Neuropilemstruktur
ist in letzterem Falle innerhalb des Ganglion nicht mehr
nachweisbar. Sie wird durch Narbengewebe in Form von
proliferierenden Zellen mit spindelförmigen, ovalen,runden und
polymorphen Kernen ersetzt. Vereinzelt kann man in den Ganglien
neuromartige Proliferation präganglionärer Nervenfasern erkennen.
Die primären extraganglionären Faserstränge zeigen gelegentlich
Dissoziation oder Schwellung und in einzelnen Fällen körnigen und
vakuoligen Zerfall der Nervenfasern. Für die Megaoesophagusfälle im
Rahmen der Chagaskrankheit kann die Ätiologie der
pathohistologischen Veränderungen als geklärt gelten. Die
entzündlichen Prozesse und die Plexuszerstörung im Bereich der
ganzen Speiseröhrenwand lassen sich bei der Chagaskrankheit auf das
Neurotoxin bzw. die toxischen Zerfallsprodukte des Trypanosoma
cruzi zurückführen. Bei den Megaoesophagus- bzw. Achalasiefällen,
die nicht mit einer Chagaserkrankung in Verbindung gebracht werden
können und bei denen noch keine Toxine anderer Krankheitserreger
oder andere Ursachen für die pathohistologischen Veränder-ungen des
Plexus und anderer Elemente der Speiseröhrenwand ermittelt wurden,
bleibt die Erstursache weiterhin unbekannt.

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