X-Inaktivierung bei heterozygoten Überträgerinnen X-chromosomal gebundener Adrenoleukodystrophie

X-Inaktivierung bei heterozygoten Überträgerinnen X-chromosomal gebundener Adrenoleukodystrophie

Beschreibung

vor 22 Jahren
Die X-chromosomal gebundene Adrenoleukodystrophie stellt eine
vererbte Störung der peroxisomalen ß-Oxidation von Fettsäuren dar,
die zu einer Akkumulation von überlangkettigen Fettsäuren in allen
Körperflüssigkeiten führt. X-ALD wird durch Mutationen im ALD-Gen
verursacht, welches ein peroxisomales Membranprotein aus der
Superfamilie der ABCTransporter (ATP-binding cassette) kodiert. Die
Erkrankung führt zu einer fortschreitenden Demyelinisierung des
ZNS, einer peripheren Neuropathie sowie adrenokortikaler
Insuffizienz. Es findet sich jedoch eine sehr hohe Variabilität
phänotypischer Verlaufsformen. Aus bislang unklaren Gründen zeigt
ein Großteil der heterozygoten Überträgerinnen - im Gegensatz zu
der überwiegenden Mehrzahl anderer X-chromosomal vererbter
Erkrankungen - sowohl die biochemischen als auch die klinischen
Merkmale einer X-ALD in abgemilderter Form. Zur Erklärung dieses
Phänomens sollte die Untersuchung der X-Inaktivierung heterozygoter
Überträgerinnen beitragen, da in der Vergangenheit postuliert
wurde, daß eine zugunsten des mutierten ALD-Allels verschobene
X-Inaktivierung (mit-)verantwortlich sei für das Auftreten erhöhter
Konzentrationen überlangkettiger Fettsäuren und neurologischer
Symptome bei ALDÜberträgerinnen. Zur Untersuchung der
X-Inaktivierung wurde der hochinformative Androgenrezeptor-Test
etabliert und in einigen Punkten modifiziert und verbessert. Das
Testprinzip beruht auf der PCRAmplifikation eines hochpolymorphen
CAG-Repeats im Exon 1 des Androgenrezeptor-Gens nach einer
Inkubation von genomischer DNA mit methylierungssensitiven
Restriktionsenzymen. Die Verwendung eines fluoreszenz-markierten
Primers in der PCR ermöglichte eine präzise automatisierte
Auswertung mittels Fragmentanalyse. Neben einer Bestimmung der
überlangkettigen Fettsäuren im Plasma wurde der Heterozygotenstatus
der ALD-Überträgerinnen durch eine Mutationsanalyse des ALD-Gens
eindeutig belegt. Dabei konnten in allen 15 untersuchten Familien
Mutationen im ALD-Gen identifiziert werden. Bei 8 Familien fanden
sich neue, bislang unveröffentlichte Mutationen. Das
Mutationsspektrum umfaßte 10 Missense- (67 %), zwei Nonsense- (13
%), zwei Splice-Site- Mutationen (13 %) und eine
Frameshift-Mutation (6 %). Die X-Inaktivierungsmuster in Leukozyten
heterozygoter ALD-Überträgerinnen wurden erstmals im Vergleich zu
einem verwandten und einem nicht-verwandten Kontrollkollektiv
untersucht. Bei 7 von 22 Überträgerinnen (32 %) zeigte sich eine
ausgeprägte Verschiebung der X-Inaktivierung (Skewing) zugunsten
eines Allels (> 80:100). Im Gegensatz dazu war ein ausgeprägtes
Skewing weder bei den Nicht-Überträgerinnen aus ALD-Familien noch
bei den Kontrollen zu beobachten. In diesen Gruppen fanden sich nur
random X-Inaktivierung und mildes Skewing zu annähernd gleichen
Teilen. Bei beiden Gruppen glich die Verteilung der
XInaktivierungsmuster einer Gauss’schen Normalverteilungskurve. Die
Unterschiede zwischen ALD-Überträgerinnen und unverwandtem
Kontrollkollektiv erwiesen sich als statistisch hochsignifikant.
Eine Korrelation zwischen dem Grad der X-Inaktivierung in
Leukozyten heterozygoter ALDÜberträgerinnen und deren biochemischen
Parametern (Konzentration überlangkettiger Fettsäuren im Plasma)
war nicht nachweisbar. Unsere Daten belegen, daß das häufige
Auftreten einer Verschiebung der X-Inaktivierung zugunsten eines
Allels bei ALD-Überträgerinnen mit dem mutierten ALD-Allel in
Zusammenhang steht und wahrscheinlich durch Selektionsmechanismen
verursacht wird. Diese Selektionsmechanismen wirken nach dem
primären X-Inaktivierungsprozeß. Andere sekundäre Einflußvariablen
wie Alter oder genetische Faktoren des X-Inaktivierungsprozesses
selbst wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Anhand
von Transkriptanalysen in kultivierten Fibroblasten konnte
darüberhinaus gezeigt werden, daß einerseits eine Selektion
zugunsten des Wildtyp-Allels, andererseits jedoch auch eine
Selektion zugunsten des mutierten Allels vorkommt. Der bislang in
der Literatur postulierte Selektionsvorteil des mutierten
ALD-Allels wird somit in Frage gestellt.

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