Spannungsoptische Untersuchung verschiedener Stabilisierungsverfahren (Dynamische Hüftschraube, Gamma-Nagel, Proximaler Femur-Nagel) bei pertrochantären Femurfrakturen

Spannungsoptische Untersuchung verschiedener Stabilisierungsverfahren (Dynamische Hüftschraube, Gamma-Nagel, Proximaler Femur-Nagel) bei pertrochantären Femurfrakturen

Beschreibung

vor 22 Jahren
Die vorliegende Untersuchung zielte zum einen auf die Entwicklung
eines Modells zur in vitro Testung von pertrochantären Frakturen
ab, zum anderen auf das Sichtbarmachen des Kraftflusses an der
Oberfläche des proximalen Femur sowie auf die Darstellung der
Veränderungen dieses Kraftflusses, bedingt durch verschiedene
Stabilisierungsverfahren für pertrochantäre Femurfrakturen. Es ist
nach wie vor wenig darüber bekannt, wie der Kraftfluss am
proximalen Femur erfolgt, insbesondere darüber, wie die
Kraftübertragung in den Femurknochen erfolgt, wenn dieser mit
unterschiedlichen, für die Versorgung von pertrochantären Frakturen
üblichen Systemen stabilisiert wird, nämlich der Dynamischen
Hüftschraube (= DHS), dem Gamma-Nagel oder dem Proximalen Femur
Nagel (= PFN). Aus diesem Grund erfolgte die Entwicklung eines
Testmodells, welches es ermöglichte, den Kraftfluss am
standarisiert-frakturierten humanen Leichenfemur sichtbar zu
machen. Diese Visualisierung wurde mittels der PhotoStress-Methode
erzielt: Optisch aktive Polymerschichten wurden direkt auf das
gewünschte Testobjekt modelliert. An der Oberfläche des belasteten
Femur wurden nun unter polarisiertem Licht farbige Belastungslinien
(= Isochromaten) sichtbar, welche exakt meßbar und einer
definierten Dehnung zuordbar sind. Nach der Entwicklung eines
Testmodells (2 Femurpaare), welches eine möglichst physiologische
Simulation einer Belastung erlaubt, wurden 10 Paare frischer
Leichenfemora unter den Bedingungen der Steh-Phase während des
Gehens mit einer Geschwindigkeit von 2 km/h getestet, was einer
typischen Belastung in der früh-postoperativen Zeit gleichkommt (F
= 9°, T = 0°, Belastung = 300% des Körpergewichts, Bergmann 1993).
Folgende Konfigurationen wurden gegeneinander getestet: DHS versus
Gamma-Nagel, Gamma-Nagel versus PFN, PFN-Stahl versus PFN-Titan.
Die Tests wurden in 2 Schritten ausgeführt: a) Testung des nativen
Femur. b) Testung des standarisiert-frakturierten Femur nach
Stabilisierung mit einem der 3 Implantate. Die jeweiligen
gemessenen Isochromatenordnungen N konnten so miteinander
verglichen werden. Unter Bezug auf die eingangs erwähnten Ziele
dieser Studie läßt sich folgendes festhalten: 1. Es ist gelungen,
ein Modell zu entwickeln, welches es ermöglicht, humane
Leichenfemora in vitro einer möglichst physiologischen
Belastungssituation auszusetzen. Diese Belastungssimulation diente
im weiteren Verlauf zur Testung von Femora, die nach Erzeugung
einer artifiziellen, pertrochantären Hüftfraktur mit
unterschiedlichen Osteosyntheseverfahren stabilisiert wurden. 2.
Die PhotoStress-Methode, auch spannungsoptisches
Oberflächenschichtverfahren genannt, ist in der Lage, sinnvolle und
weiterführende Erkenntnisse in der in vitro Untersuchung von
künstlich frakturierten, unter Belastung stehenden Femora zu
liefern. 3. In der vorliegenden Arbeit ließen sich eindeutige
biomechanische Unterschiede der drei Implantate DHS, Gamma-Nagel
und PFN aufdecken. Derartige Unterschiede lassen sich sehr gut mit
Erfahrungen aus dem klinischen Gebrauch der Implantate korrelieren.
Aus den experimentell gewonnenen Ergebnissen können eindeutige
Schlußfolgerungen für eine optimierte klinische Anwendung dieser
Osteosynthesematerialien gezogen werden. Nach der Beantwortung der
eingangs gestellten, allgemeinen Ziele bzw. Fragen, nun zu den
konkreten Schlussfolgerungen, die aus den durchgeführten Versuchen
gezogen werden können: 1. Die verwendete PhotoStress-Methode
ermöglicht es erstmals, den Kraftfluss am belasteten,
frakturierten, humanen Leichenfemur zu visualisieren. Sie stellt
somit ein wichtiges methodisches Instrument für die
medizinisch-biomechanische Testung von Osteosynthesematerialien
dar. 2. Das Sichtbarmachen der Kraftlinien am proximalen Femur
mittels Oberflächenspannungsoptik erlaubt es, Testmodelle zu
entwickeln, welche eine möglichst physiologische
Belastungssimulation zulassen. Die in zahlreichen Studien weit
verbreitete Krafteinleitung in das Femur mit einem (zu großen)
Winkel F (z. B. F = 25°) führt zu einem unphysiologischen,
artifiziellen Biegemoment im Femurschaftbereich. Dieses Biegemoment
konnte in unserem Modell unter Zuhilfenahme der PhotoStress-Methode
durch einen auf F = 9° verminderten Winkel minimiert werden. Diese
Art der Krafteinleitung erlaubt somit eine Minimierung von
Artefakten. 3. Für die DHS zeigt sich, dass sie ein
physiologischeres Spannungsmuster erzeugt als der Gamma-Nagel. Dies
ist auf die Konzeption als „load sharing“ Implantat zurückzuführen.
Eine Refixierung des medialen Fragmentes ist aus biomechanischer
Sicht sinnvoll, und sollte, wenn klinisch ohne zu großen Aufwand
möglich, erfolgen. Die DHS zeigt eine ausreichende
Maximalbelastbarkeit auch in unphysiologisch hohen Belastungen,
wenngleich die Maximalbelastbarkeit deutlich unter der des
Gamma-Nagels liegt. Während der Belastungsphasen erscheint das
Frakturrisiko für die DHS deutlich niedriger als für den
Gamma-Nagel. Das Spannungsmuster der DHS liegt dem nativen
Spannungsmuster von allen drei getesteten Implantaten am nächsten.
4. Für den Gamma-Nagel gilt, dass er aufgrund seiner Konfiguration
als „load bearing“ Implantat einen Großteil der Kraft selbst trägt.
Er zeigt im Gegensatz zur DHS eine wesentlich größere
Maximalbelastbarkeit. Der Gamma-Nagel weist einen deutlich kürzerem
Hebelarm auf als die DHS. Als Hauptkomplikation muß die distale
Femurschaftfraktur (ausgehend von den distalen
Verriegelungsschrauben) gefürchtet werden. Aufgrund seiner
Konfiguration erscheint der Gamma-Nagel besonders für instabile
Frakturen geeignet. 5. Proximaler Femur Nagel und Gamma-Nagel
führen am frakturierten Femur zu einem qualitativ sehr ähnlichen
Stressmuster. Um das Risiko für Frakturen im Bereich der distalen
Verriegelungsschrauben zu minimieren, ist es unbedingt zu
empfehlen, bei beiden Implantaten distal nur mit einer statt mit
zwei Schrauben zu verriegeln. Dies führt zu einer Verringerung von
Interferenzen, welche durch die Verwendung von zwei distalen
Verriegelungsschrauben hervorgerufen werden. Die zu erwartenden
Spannungsspitzen in diesem Bereich sind für den PFN geringer als
für den Gamma-Nagel. Soll aus klinischen Gründen heraus distal
dennoch mit zwei Schrauben verriegelt werden, so ist die Gefahr für
eine spätere Schaftfraktur bei Anwendung des Gamma-Nagels deutlich
größer als für die Anwendung des PFN. Die Maximalbelastbarkeit der
beiden intramedullären Kraftträger ist in etwa vergleichbar groß.
Wichtig ist es, darauf hinzuweisen, dass die Isochromatenwerte im
Bereich der Verriegelungsbolzen beim PFN stets deutlich unter denen
des Gamma- Nagels waren. Somit zeigt der PFN gegenüber dem
Gamma-Nagel ein eindeutig vorteilhaftes Spannungsmuster. Einen
weiteren Vorteil zeigt der PFN durch seine Antirotationsschraube,
welche eine mögliche Rotation des Hüftkopffragmentes vermindert.
Wird der PFN verwendet, so ist aufgrund des etwas günstigeren
Spannungsmusters der Titanversion diese zu bervozugen. Insgesamt
scheinen die biomechanischen Eigenschaften des PFN denen des
Gamma-Nagels überlegen zu sei

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: