Wende rückwärts? Beliebtem On-Demand-Verkehr omobi droht das politische Aus. Ein Gespräch mit Gründer Clemens Deyerling und Prof. Andreas Knie.
On-Demand-Rufbussysteme sind wirtschaftlich UND ökologisch eine
ad-hoc Lösung vor allem für ländliche und suburbane Räume,
Wahlfreiheit in Mobilität zu schaffen. Dennoch stellen sich
ausgerechnet dieser Lösung Politiker:innen entgegen.
48 Minuten
Podcast
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On the way to new mobility: Katja Diehl spricht alle 14 Tage mit Gästen über Mobilität statt Verkehr, Diversität, New Work, Inklusion, kindergerechte Stadt und das Mobilisieren auf dem Land.
Beschreibung
vor 1 Jahr
"Murnau zieht beim preisgekrönten Rufbus die Handbremse." Diese
Schlagzeile aus der Süddeutschen Zeitung macht mich ad hoc wütend.
Für mich ist es unfassbar, dass wir in Deutschland immer noch auf
den klaren Beginn der dringend notwendigen Mobilitätswende warten.
Die teilweise ja sogar regional vorangetrieben wird und erfolgreich
ist. Aber von vorne. omobi - das sind zwei Gründer aus Murnau, die
nach ihrem Leben in Berlin zurückkehrten in die Heimat und
feststellten: Hier ist das mit der selbstbstimmten Mobilität noch
ganz am Anfang im Vergleich zur Großstadt. Im Gegensatz zu vielen
anderen, die das einfach feststellen und nix tun, nahmen Clemens
Deyerling und Robert Schotten die Veränderung jedoch selbst in die
Hand. Zusammen mit Clemens und Andreas Knie vom WZB analysiere ich,
wie es sein kann, dass ausgerechnet dort, wo der Markt regelt, so
großer interner Widerstand gegen die Nachfrage und neue Wege
besteht. Andreas geht mit den Verkehrsunternehmen hart ins Gericht:
"Alles wird ÖPNV-isiert. Jedes agile Angebot, das Zusatznutzen
bietet, muss sich in das starre Nahverkehrssystem mit
Nahverkehrsplänen und Liniendenke einspeisen." Umso schöner, dass
sich bereits zwei Bürgerinitiativen in Murnau gebildet haben, die
den Erhalt des On-Demand-Rufbussystems fordern. Clemens Deyerling:
"Vor allem Ältere und Besucher:innen der Klinik schätzen unseren
Service, aber auch Tourist:innen sind total begeistert, wie modern
sie sich bei uns bewegen können." Ein weiterer "Vorwurf" gegen das
neue Angebot klingt altvertraut: Zu teuer. Hier reagiere ich stets
allergisch, weil wir zum einen die Kosten des Autoverkehrs im
dreistelligen Milliardenbereich externalisiert und damit auf die
Gesellschaft umgeschlagen haben - jährlich! - und zum anderen mit
der reinen Kostendiskussion eine viel wichtigere Diskussion
vermeiden: Was ist uns gute Mobilität, Daseinsvorsorge,
Selbstbestimmung wert? Doch auch diesen Kostenvorwurf an sich kann
Andreas Knie schnell entkräften: "Die Kosten des Nahverkehrs sind
doch komplett undurchsichtig. Wir haben auch keine wirklichen
Zahlen, wer wo wann im Bus sitzt. Wir brauchen ein Angebot, was die
Menschen von der Tür abholt und dorthin fährt, wo sie hin wollen.
Und das sind eben On-Demand-Verkehre. Wenn wir dann noch auf die
Kosten schauen, haben diese durch den sehr viel kundenzentrierteren
Ansatz natürlich weit geringere Kosten. Wir müssen uns von der Idee
verabschieden, dass wir mit Bussen die Bedürfnisse der Menschen
befriedigen. Der Bus war vor dem Auto im Vorteil. Die Bus- und
Bahnstruktur ist nicht mehr aktuell, sie wird von Männern
gestaltet, die selbst Dienstwagen fahren und das Angebot nicht
nutzen. So entstehen Dienste, die keine:r brauchen kann, was nicht
auffällt, weil sie keine:r nutzt. Das sind 14 Milliarden Euro, von
denen die Organisation allein schon sieben Milliarden verschlingt.
Die landen nicht bei den Kund:innen. Da zählt das Betriebssystem
und Strukturen. Taxis kosten den Kilometer 2,90 Euro, Dieselbusse
3,80 Euro - was zeigt, dass der Einsatz von On-Demand-Systemen
deutlich günstiger, ökologischer und flexibler ist. Das will das
System aber nicht, weil On-Demand-Anbieter:innen nicht Teil des
Systems sind." Clemens Deyerling: "Ich bin Fan der radikalen Ideen
von Andreas, sehe aber auch, was bei uns in den Landkreisen los
ist. Alles dauert. Und ja, wir werden weggebissen und es ist
schockierend, wie das System aufgebaut ist. Aber selbst das
funktioniert, wir haben in einer Region Dieselbusse ersetzt durch
On-Demand-Busse und damit die Leistung für die Kund:innen
verbessert. Und die Nachfrage steigt! Aber es braucht die Leute vor
Ort, die das auch wollen. Und die fehlen uns einfach! Und dann
wiederum gibt es Kommunalpolitiker:innen, die wir packen können,
weil wir zeigen, dass die Transformation auch ökonomisch sinnvoll
ist." Dir gefällt meine Arbeit? Dann freue ich mich über Support!
Wöchentlicher Newsletter: http://steadyhq.com/de/shedrivesmobility
Einzelbeträge http://ko-fi.com/katjadiehl
Schlagzeile aus der Süddeutschen Zeitung macht mich ad hoc wütend.
Für mich ist es unfassbar, dass wir in Deutschland immer noch auf
den klaren Beginn der dringend notwendigen Mobilitätswende warten.
Die teilweise ja sogar regional vorangetrieben wird und erfolgreich
ist. Aber von vorne. omobi - das sind zwei Gründer aus Murnau, die
nach ihrem Leben in Berlin zurückkehrten in die Heimat und
feststellten: Hier ist das mit der selbstbstimmten Mobilität noch
ganz am Anfang im Vergleich zur Großstadt. Im Gegensatz zu vielen
anderen, die das einfach feststellen und nix tun, nahmen Clemens
Deyerling und Robert Schotten die Veränderung jedoch selbst in die
Hand. Zusammen mit Clemens und Andreas Knie vom WZB analysiere ich,
wie es sein kann, dass ausgerechnet dort, wo der Markt regelt, so
großer interner Widerstand gegen die Nachfrage und neue Wege
besteht. Andreas geht mit den Verkehrsunternehmen hart ins Gericht:
"Alles wird ÖPNV-isiert. Jedes agile Angebot, das Zusatznutzen
bietet, muss sich in das starre Nahverkehrssystem mit
Nahverkehrsplänen und Liniendenke einspeisen." Umso schöner, dass
sich bereits zwei Bürgerinitiativen in Murnau gebildet haben, die
den Erhalt des On-Demand-Rufbussystems fordern. Clemens Deyerling:
"Vor allem Ältere und Besucher:innen der Klinik schätzen unseren
Service, aber auch Tourist:innen sind total begeistert, wie modern
sie sich bei uns bewegen können." Ein weiterer "Vorwurf" gegen das
neue Angebot klingt altvertraut: Zu teuer. Hier reagiere ich stets
allergisch, weil wir zum einen die Kosten des Autoverkehrs im
dreistelligen Milliardenbereich externalisiert und damit auf die
Gesellschaft umgeschlagen haben - jährlich! - und zum anderen mit
der reinen Kostendiskussion eine viel wichtigere Diskussion
vermeiden: Was ist uns gute Mobilität, Daseinsvorsorge,
Selbstbestimmung wert? Doch auch diesen Kostenvorwurf an sich kann
Andreas Knie schnell entkräften: "Die Kosten des Nahverkehrs sind
doch komplett undurchsichtig. Wir haben auch keine wirklichen
Zahlen, wer wo wann im Bus sitzt. Wir brauchen ein Angebot, was die
Menschen von der Tür abholt und dorthin fährt, wo sie hin wollen.
Und das sind eben On-Demand-Verkehre. Wenn wir dann noch auf die
Kosten schauen, haben diese durch den sehr viel kundenzentrierteren
Ansatz natürlich weit geringere Kosten. Wir müssen uns von der Idee
verabschieden, dass wir mit Bussen die Bedürfnisse der Menschen
befriedigen. Der Bus war vor dem Auto im Vorteil. Die Bus- und
Bahnstruktur ist nicht mehr aktuell, sie wird von Männern
gestaltet, die selbst Dienstwagen fahren und das Angebot nicht
nutzen. So entstehen Dienste, die keine:r brauchen kann, was nicht
auffällt, weil sie keine:r nutzt. Das sind 14 Milliarden Euro, von
denen die Organisation allein schon sieben Milliarden verschlingt.
Die landen nicht bei den Kund:innen. Da zählt das Betriebssystem
und Strukturen. Taxis kosten den Kilometer 2,90 Euro, Dieselbusse
3,80 Euro - was zeigt, dass der Einsatz von On-Demand-Systemen
deutlich günstiger, ökologischer und flexibler ist. Das will das
System aber nicht, weil On-Demand-Anbieter:innen nicht Teil des
Systems sind." Clemens Deyerling: "Ich bin Fan der radikalen Ideen
von Andreas, sehe aber auch, was bei uns in den Landkreisen los
ist. Alles dauert. Und ja, wir werden weggebissen und es ist
schockierend, wie das System aufgebaut ist. Aber selbst das
funktioniert, wir haben in einer Region Dieselbusse ersetzt durch
On-Demand-Busse und damit die Leistung für die Kund:innen
verbessert. Und die Nachfrage steigt! Aber es braucht die Leute vor
Ort, die das auch wollen. Und die fehlen uns einfach! Und dann
wiederum gibt es Kommunalpolitiker:innen, die wir packen können,
weil wir zeigen, dass die Transformation auch ökonomisch sinnvoll
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