Birgit Langenegger: Kleine Kulturgeschichte des Appenzeller Taschentuchs
Im europäischen Mittelalter schnäuzte man sich mi…
37 Minuten
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Beschreibung
vor 5 Jahren
Im europäischen Mittelalter schnäuzte man sich mit den Fingern und
wischten diese anschließend an der Kleidung ab. Bauern und Adelige
taten das so, das stellte keinen Verstoss gegen die guten Sitten
dar. Allmählich bürgerte sich eine feinere Art des Schnäuzens ein.
Während das „niedere“ Volk die rechte Hand benutzte, mit der
gegessen wurde, schnäuzten sich Personen aus gehobenen Kreisen –
zumindest während einer Mahlzeit – nur mit der linken Hand,
vorzugsweise nur mit zwei Fingern. Ab dem 18. Jahrhundert wird das
Peinlichkeitsempfinden ausgeprägter Es gilt als Unsitte, kein
Taschentuch zu benutzen. Mit der aufkommenden Mode des
Tabakschnupfens wurden die Tücher vor allem für Männer zunehmend
zum Gebrauchsgegenstand. Noch bis vor 40 Jahren war das
Stofftaschentuch ein unentbehrliches Accessoire und mehr als nur
ein praktischer Begleiter. Das kleine quadratische Stück Stoff
wurde immer wieder gewaschen, sorgfältig gebügelt, gefaltet und
jahrelang verwendet. In Appenzell Innerrhoden entstanden in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus kleinen Ferggereien rasch
wachsende Taschentuchfabriken. Waren die feinen weissen Tüechli bis
anhin mit Appenzeller Handstickereien verziert, entwickelte sich
nun ein florierender Markt von farbig gewebten und bedruckten sowie
maschinenbestickten Taschentüchern. Die Fabrikation, die
Fertigstellung und das Ausrüsten der hochwertigen Textilien war
arbeitsintensiv. Unzählige Arbeiterinnen schnitten die
Taschentücher zu, säumten, bügelten, etikettierten und verpackten
sie verkaufsfördernd. Als besondere Form der Veredelung liess man
die Tüechli in Heimarbeit von Hand roulieren. Und trotz des hohen
Preises waren Taschentücher mit handgestickten Monogrammen und
Mustern nach wie vor gefragt. Das Stofftaschentuch war immer auch
ein Abbild des Zeitgeistes. Fein bestickte Blümchenarrangements
oder Webmuster mit bunten Karos und Streifen zeigten den damals
aktuellen Modegeschmack. Moderne Dessins auf bedruckten
Taschentüchern widerspiegelten unter anderem die Sehnsüchte und
Wünsche der Zeit. Die Ausstellung im Museum Appenzell
(http://museum.ai.ch/ausstellungen/sonderausstellungen/taschent%C3%BCcher
)zeigt eine grosse Fülle von Taschentüchern, deren Arrangements
inspiriert sind von den topmodernen Verkaufspräsentationen der
1950er bis 1970er Jahre. Zudem gewährt sie einen Einblick in die
Musterbücher mit ihren vielseitigen Kollektionen und versucht sich
der aufwändigen Taschentuchfabrikation anzunähern. Ein separater
Teil widmet sich den von Hand bestickten Taschentüchern, die noch
bis in die 1970er Jahre gekauft wurden.
wischten diese anschließend an der Kleidung ab. Bauern und Adelige
taten das so, das stellte keinen Verstoss gegen die guten Sitten
dar. Allmählich bürgerte sich eine feinere Art des Schnäuzens ein.
Während das „niedere“ Volk die rechte Hand benutzte, mit der
gegessen wurde, schnäuzten sich Personen aus gehobenen Kreisen –
zumindest während einer Mahlzeit – nur mit der linken Hand,
vorzugsweise nur mit zwei Fingern. Ab dem 18. Jahrhundert wird das
Peinlichkeitsempfinden ausgeprägter Es gilt als Unsitte, kein
Taschentuch zu benutzen. Mit der aufkommenden Mode des
Tabakschnupfens wurden die Tücher vor allem für Männer zunehmend
zum Gebrauchsgegenstand. Noch bis vor 40 Jahren war das
Stofftaschentuch ein unentbehrliches Accessoire und mehr als nur
ein praktischer Begleiter. Das kleine quadratische Stück Stoff
wurde immer wieder gewaschen, sorgfältig gebügelt, gefaltet und
jahrelang verwendet. In Appenzell Innerrhoden entstanden in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus kleinen Ferggereien rasch
wachsende Taschentuchfabriken. Waren die feinen weissen Tüechli bis
anhin mit Appenzeller Handstickereien verziert, entwickelte sich
nun ein florierender Markt von farbig gewebten und bedruckten sowie
maschinenbestickten Taschentüchern. Die Fabrikation, die
Fertigstellung und das Ausrüsten der hochwertigen Textilien war
arbeitsintensiv. Unzählige Arbeiterinnen schnitten die
Taschentücher zu, säumten, bügelten, etikettierten und verpackten
sie verkaufsfördernd. Als besondere Form der Veredelung liess man
die Tüechli in Heimarbeit von Hand roulieren. Und trotz des hohen
Preises waren Taschentücher mit handgestickten Monogrammen und
Mustern nach wie vor gefragt. Das Stofftaschentuch war immer auch
ein Abbild des Zeitgeistes. Fein bestickte Blümchenarrangements
oder Webmuster mit bunten Karos und Streifen zeigten den damals
aktuellen Modegeschmack. Moderne Dessins auf bedruckten
Taschentüchern widerspiegelten unter anderem die Sehnsüchte und
Wünsche der Zeit. Die Ausstellung im Museum Appenzell
(http://museum.ai.ch/ausstellungen/sonderausstellungen/taschent%C3%BCcher
)zeigt eine grosse Fülle von Taschentüchern, deren Arrangements
inspiriert sind von den topmodernen Verkaufspräsentationen der
1950er bis 1970er Jahre. Zudem gewährt sie einen Einblick in die
Musterbücher mit ihren vielseitigen Kollektionen und versucht sich
der aufwändigen Taschentuchfabrikation anzunähern. Ein separater
Teil widmet sich den von Hand bestickten Taschentüchern, die noch
bis in die 1970er Jahre gekauft wurden.
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