Ein Bild, auf dem es nichts zu sehen gibt oder: Der kalte Rausch der Kommunikation - Leif Randts "Allegro Pastell”
36 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Jahren
"Die Obszönität beginnt, wenn es kein Schauspiel, keine
Szene, kein Theater, keine Illusion mehr gibt, wenn alles dem
kalten, unerbittlichen Licht der Information und Kommunikation
ausgesetzt ist. Wir erleben nicht mehr das
Drama der Entfremdung, wir erleben die Ekstase der
Kommunikation."
Aus: Das Andere Selbst von Jean Baudrillard, erschienen im Jahr
1987
Wir haben rüber gemacht, haben den Wertachstrand und die
goldenen Sonnenuntergänge Oberhausens hinter uns gelassen, um
jenseits der Alpen im gleissenden Licht der Grossstadt zwischen
Bankentürmen und Versicherungswolkenkratzern abzutauchen. Hier in
Zürich gibt es dreckiges Geld und saubere Luft, schlechte Brezen
und guten Kaffee. Es gibt Subkultur und Überpopulation.
In einem Café sitzend, sich den letzten Sonnenstrahlen
des Sommers hingebend, verschlingt Dr. B seine softscrambled eggs
auf sourdough bread binnen weniger Minuten. Er hat immer noch
Angst, dass sich wieder diese unsichtbare Hand um seinen Hals
legt und zudrückt. Katrin M. hat das auf der Fahrt schon
beobachtet: Denn sobald sie auf Tanja und Jérôme zu sprechen
kommt, fängt Dr. Bs Gesicht an, Rot zu werden und zu zucken. Aber
es muss sein, sie kann ihm diese Diskussion jetzt nicht
ersparen.
Dr. B und Katrin M. brauchen Neutralität und die Idee von
Basisdemokratie, um über Tanja und Jérôme zu sprechen, über das
Buch «Allegro Pastell». Der Roman von Leif Randt begleitet Tanja,
eine Romanautorin und Jérôme, einen Webdesigner, zwischen
Frankfurt und Berlin – long distance, alles andere wäre für die
beiden auch keine Option. Tanja und Jérôme, sie sind voller Liebe
füreinander, aber vor allem für sich selbst. Und das zelebrieren
sie. Ebenfalls und ausschließlich für sich selbst.
Das Café, in dem sich Dr. B und Katrin M. befinden, liegt
im Kreis 4, mitten in Zürich. Unweit der Bäckeranlage versteckt
sich das grün gekachelte Gebäude zwischen Grundschule, Saunaclub
und gehobener Weinhandlung. Nackte Betonwände, reduziertes
Mobiliar, im Hinterhof weisse Plastikgartenstühle. Hier würde es
auch Jérôme und Tanja gefallen. Nur Steckdosen gibt es zu wenig,
fast keine eigentlich, deshalb werden Dr. B und Katrin M. später
den Ort wechseln müssen.
Während das heiße Wasser eine Schneise durch die frisch
gemahlene Hondurasbohne gräbt – Katrin M. wartet ungeduldig auf
den zweiten Kaffee – wischt sich Dr. B den Mund mit einer braunen
Papierserviette ab, checkt noch schnell den Akku des
Aufnahmegerätes und drückt dann auf Play.
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