AP #1997 – Autorenporträt Inger Christensen – Moderation: Michael Braun

AP #1997 – Autorenporträt Inger Christensen – Moderation: Michael Braun

1 Stunde 25 Minuten
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Beschreibung

vor 3 Jahren

Inger Christensen


 


Inger Christensen wurde 1935 in Vejle (Dänemark) geboren, lebte
in Kopenhagen, wo sie 2009 verstarb. Sie studierte Medizin,
Chemie und Mathematik und begann in den 1960er Jahren mit dem
Schreiben von Gedichten. Die Autorin zählt zu den bedeutendsten
europäischen Lyrikerinnen und war Mitglied der Dänischen Akademie
sowie der Akademie der Künste in Berlin.


 


Auszug aus dem Programmhefttext von 1997:


 


Poesie und Mathematik: Sind das nicht zwei Sphären, die sich
gegenseitig ausschließen? Die eine der strengen Objektivität und
Berechenbarkeit verpflichtet, die andere den subjektiven und
unberechenbaren Wegen von Phantasie und Einbildungskraft? Der
Romantiker Friedrich von Hardenberg alias Novalis war es, der als
erklärter „Universalpoet“ die Grenzen zwischen Poesie und
Mathematik überwunden und überzeugend vorgeführt hat, „dass es
mit der Sprache wie mit den mathematischen Formeln sei“.


Bei Novalis müssen wir anfangen, um mit der rhythmisch und
metaphorisch kunstvollen Universalpoesie der dänischen Lyrikerin
Inger Christensen vertraut zu werden.


Anfang der sechziger Jahre debütierte sie mit den
Gedichtsammlungen „Lys“ (Licht) und „Graes“ (Gras), in denen sich
ein erstes Offenbarungserlebnis niederschlägt: die Begegnung mit
der modernen Kunst. In Kopenhagen entstand dann Ende der
siebziger Jahre das epochale Gedicht „alphabet“, eine lyrische
Schöpfungsgeschichte der Welt, in der noch einmal die Natur und
die Menschenwelt in all ihren wundersamen Einzelheiten aufgerufen
wird – und in der auch in elegischer Beschwörung die mögliche
Verwüstung dieser Welt evoziert wird.


Ästhetisch entscheidend aber ist, dass Inger Christensen
poetische Entsprechungen findet für die Ordnungen von Mathematik
und Natur und in ihrem „alphabet“ – oder auch in ihren
Großgedichten „Es“ und „Brief im April“ – eigentümlich suggestive
Bilderfolgen und Wortmelodien hervorbringt, die sich zu einem
natürlichen Organismus von Wörtern gruppieren und den
„musikalischen Geist“ (Novalis) der Sprache wiederbeleben. Es ist
für den Leser und Hörer faszinierend mitzuverfolgen, wie Inger
Christensens Gedichte den geheimnisvollen Eigenbewegungen der
Sprache folgen: „In der Sprache forschen, auf die gleiche Weise,
wie man in ein Mikroskop schaut, nach etwas suchen, das man nur
spürt … das ist etwas, was mich dazu bringt, Gedichte zu
schreiben.“ Jedes lyrische Wort der Inger Christensen ist eine
Büchse der Pandora, aus der alle Wirkungsmöglichkeiten der
Sprache auffliegen können. (Michael Braun)

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