Resonanz und Mediopassiv - Die Sehnsucht nach Berührtwerden

Resonanz und Mediopassiv - Die Sehnsucht nach Berührtwerden

52 Minuten

Beschreibung

vor 4 Jahren

Beschleunigung führt zu einer Steigerungslogik, in deren Folge
Menschen die Welt nur noch instrumentell als Aggressionspunkt
begreifen. Sie sind fixiert darauf, beherrschen zu wollen,
abzuarbeiten, effizient zu erledigen, was getan werden muss, und
immer mehr Erlebnisse zu sammeln. 


So die Analyse von Prof. Dr. Hartmut Rosa. Der Jenaer Soziologe
und Direktor des Max-Weber-Kollegs an der Universität Erfurt hat
sich intensiv mit den Zeitstrukturen moderner Gesellschaften
befasst und Beschleunigung als Kernelement jeglicher
Modernisierung identifiziert.


Die Annahme, dass Menschen von der Welt endlich berührt würden,
Resonanz erführen, bekämen sie die Welt nur endlich in den
"Griff", erweist sich nach Rosas Meinung als ein Trugschluss.
Denn mit dem anstrengenden Versuch, ihre "Reichweite" zu
vergrößern, kappen sie den lebendigen, vibrierenden Draht zu sich
und der Welt, sie werden unfähig zu „Resonanz“. Entfremdung,
Einsamkeit und Aggression sind die Folge, die sich auch in
ohnmächtiger politischer Wut niederschlagen. Dem "Unverfügbaren"
muss laut Rosa Raum gelassen werden, da nur so die
Resonanzerfahrungen, nach denen Menschen sich sehnen, möglich
sind. Rosas "Soziologie der Weltbeziehung" und insbesondere sein
Essayband "Unverfügbarkeit" stellen damit Fragen, die nicht nur
privat, sondern auch politisch bedeutsam sind:


Wie führt man ein gutes Leben? Was kann man Zeitknappheit,
Atemlosigkeit und dem Gefühl dauernder Überforderung
entgegensetzen? Können Meditation, Achtsamkeit oder andere
östliche Praktiken und Traditionen helfen und falls ja, unter
welchen Bedingungen? Wie entstehen politisch artikulierte Wut und
Ohnmacht?


Die mögliche Geburt einer neuen Weltbeziehung entwirft Rosa mit
dem Mediopassiv als spirituelle Abhängigkeitserklärung. Damit
bezeichnet er einen Handlungsmodus, der exakt zwischen aktiv und
passiv zu verorten ist und doch zugleich ein Drittes bezeichnet.


Dies ist die fünfzehnte Episode aus der Reihe "Gespräche über den
Zustand der Welt" der Europa-Universität Flensburg (EUF).

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