#5 Zivil(un)recht: Zivilrechtsprechung in der NS-Zeit – Ein Interview mit Georg Falk

#5 Zivil(un)recht: Zivilrechtsprechung in der NS-Zeit – Ein Interview mit Georg Falk

43 Minuten
Podcast
Podcaster
Ein Podcast zu nationalsozialistischen Kontinuitäten im Recht und in der juristischen Ausbildung

Beschreibung

vor 2 Jahren

In der fünften Folge des Podcast geht es um die Frage, wie
anfällig Rechtsanwendung für Missbrauch und Vereinnahmung durch
Ideologien ist. Anschauungsobjekt soll dabei das Zivilrecht sein.
In besonders drastischer und nachhaltiger Weise wurden
Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in der Zeit des
Nationalsozialismus beeinflusst. In dieser Zeit entstand ein
staatliches System der Entrechtung und Verfolgung ganzer
Personengruppen. Die Rechtsordnung spielte eine entscheidende
Rolle bei der Verfestigung und Etablierung dieser Politik. Wie
verhielt sich hierzu das Zivilrecht? In der Nachkriegszeit hielt
sich lange der Mythos einer standhaften Zivilrechtsprechung. Ist
diese Auffassung aber zutreffend?


Der Gast unserer Folge, Dr. Georg Falk, hat sich im Rahmen eines
Forschungsprojekts näher mit der Rechtsprechung im OLG-Bezirk
Frankfurt a.M. in der NS-Zeit befasst. Die Publikation „Willige
Vollstrecker oder standhafte Richter?“, deren Mitverfasser unser
Gast ist, stellt Gerichtsentscheidungen dar, die charakteristisch
für die damalige Zeit stehen. Neben unauffälligen und teils
mutigen Entscheidungen stechen auch Fälle heraus, in denen
NS-Ideologie zur Richtschnur der gerichtlichen Entscheidung
wurde. Anhand von zwei Beispielsfällen soll gezeigt werden, wie
sich die Einbindung der NS-Ideologie konkret vollzog. Die Fälle
verdeutlichen (wie im Fall Alice Biow), dass Entrechtung und
Diskriminierung im Alltag oftmals der Vertreibung und Ermordung
verfolgter Personen vorausgingen. Alice Biow verlor 1938 einen
Zivilprozess. 1942 wurde diese zusammen mit ihrer jüngeren
Schwester in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und
ermordet.


Diese Fragen sind höchst aktuell. Zwar hat sich die
Rechtsprechung nach 1945 gewandelt und orientiert sich heute am
Verfassungsverständnis des Grundgesetzes. Hindert dies aber in
jedem Fall eine Vereinnahmung durch bestimmte politische
Ideologien? Wie kann die Ausbildung auf diese Herausforderungen
reagieren? Kann Rechtsprechung überhaupt objektiv und neutral
sein? Wie so oft erweist sich der Blick in die Vergangenheit als
erkenntnisreich.
Shownotes



Falk, Georg D. / Stump, Ulrich / Hartleib, Rudolf H. /
Schlitz, Klaus / Braun, Jens-Daniel: Willige Vollstrecker
oder standhafte Richter? Die Rechtsprechung des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Zivilsachen von 1933
bis 1945, Historische Kommission für Hessen, Marburg 2020.




Gruenewaldt, Arthur von: Die Richterschaft des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des
Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und
Personalentwicklung, Tübingen 2015.




Rüthers, Bernd: Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der
Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, 8. Auflage,
Tübingen 2017.




Schröder, Rainer: „...aber im Zivilrecht sind die Richter
standhaft geblieben!" Die Urteile des OLG Celle aus dem
Dritten Reich, Baden-Baden 1988.




Staff, Ilse: Justiz im Dritten Reich. Eine Dokumentation,
Frankfurt a.M. 1964.




Weitere lesenswerte Beiträge, insbesondere zu den
Fallbesprechungen, auf unserer Homepage!
Quellen und Lizenzen:

Folgenbild: Überarbeitete Version von „Frankfurt am Main:
Gerichtsstraße 2 (Gebäude B des Landgerichts), von Südosten
gesehen“ von Roland Meinecke, veröffentlicht unter GNU-Lizenz
(https://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html
(5.1.2021)).


Kapitelbild „Volksempfänger“: Quelle &Lizenz unter
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ve301w.jpg

Kommentare (0)

Lade Inhalte...
15
15
:
: