Spaltpilz Twitter | Von Michael Meyen

Spaltpilz Twitter | Von Michael Meyen

11 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Die Aufregung um Elon Musk blendet aus, dass der
Kurznachrichtendienst unsere Welt auch ganz ohne Zensur längst
umgebaut hat.


Ein Standpunkt von Michael Meyen.


Politiker, Akademiker und Medienleute stehen seit Ende Oktober
Kopf. Der Tech-Milliardär Elon Musk hat den Kurznachrichtendienst
Twitter gekauft, sofort Teile des Spitzenpersonals entlassen, per
Mail Massenkündigungen ausgesprochen und neben einer neuen
Preispolitik auch einen inhaltlichen Wandel angekündigt. In
Kurzform: mehr Meinungsfreiheit und weniger Sperren. Die Phalanx
der Kritiker und Zweifler reicht von Joe Biden bis Lars
Klingbeil, und die Leitmedien gruben phasenweise fast im
Stundentakt mehr oder weniger Prominente aus, die nicht mehr
zwitschern mögen. Die „Twitter-Apokalypse“ (Süddeutsche Zeitung)
betrifft allerdings nur einen verschwindend kleinen Teil der
Bevölkerung. Und an der Logik der Digitalplattform ändert der
Besitzerwechsel genauso wenig wie an ihrem verheerenden Einfluss
auf Journalismus, politische Kultur und Gesellschaft.


„Der Vogel ist befreit“, schrieb Elon Musk auf dem Portal, das
ihm nun selbst gehört. Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD,
wollte das nicht hören und hat ihre mehr als 100.000 Follower
schon kurz vor der Übernahme verlassen. Esken klagte in einem
Gastbeitrag für die Zeit über „Clickbait-getriebene
Empörung, oft misogynen Hass“ sowie „Fake-Accounts und Fake
News“. Außerdem sei Twitter „ausgesprochen nachlässig“, wenn es
um „gemeldete strafbare Inhalte wie Beleidigung oder
Volksverhetzung“ gehe.


Abgesehen von dem Loblied auf die Internetpolizei und dem Ruf
nach Zensur, die hier mitschwingen, enthält der Abschiedsbrief
von Saskia Esken einen wahren Kern. Wie jede Digitalplattform
verlangt Twitter ein Identitätsangebot. Natürlich kann ich dort
auch nüchtern-sachlich über dies und jenes berichten, Reichweite
und Aufmerksamkeit bekommen aber nur Tweets, die klar sagen, wo
ihr Absender steht. Das liebe ich, das hasse ich. Die zehn
schönsten Wanderwege in den Alpen. Meine Lieblingspolitikerin.
Den Song müsst ihr unbedingt hören. Weg mit diesem Arsch. Twitter
sieht jedes Thema und jede Person durch die Brille der Moral (1).


Es geht immer um mich, um die Gruppe, zu der ich gehören will,
oder um die, die ich aus vollem Herzen ablehne. Nichts löst
stärkere Emotionen aus, nichts bringt andere schneller zum
Retweeten, Liken, Kommentieren. Auf einen Begriff gebracht: Auf
Twitter geht es um Teamsport. „Das Spiel heißt: WIR gegen DIE“
(2).


Twitter ist ein relativ junges Phänomen. Den Dienst gibt es seit
2006, die App seit 2010. Ein Jahrzehnt, vielleicht anderthalb. In
diesem atemberaubend kurzen Zeitraum hat es die Plattform
geschafft, die Welt nach ihrem Bilde zu formen. Möglich war dies,
weil Twitter kein Massenphänomen ist. Hier treffen sich die, die
tatsächlich etwas mitzuteilen haben, mit denen, die berufsmäßig
auf der Jagd nach Neuigkeiten sind. Twitter ist der Kanal von
Parteien, Behörden und Unternehmen, von Politikern,
Wissenschaftlern und vor allem von Journalisten. Zwei Prozent der
Deutschen über 14, sagt die ARD/ZDF-Onlinestudie von 2021, nutzen
Twitter täglich und vier Prozent wenigstens einmal in der
Woche....weiterlesen hier:
https://apolut.net/spaltpilz-twitter-von-michael-meyen/


+++


Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des
Beitrags.


+++


Dieser Beitrag erschien zuerst am 18.11.2022 im Rubikon - Magazin
für die kritische Masse:
https://www.rubikon.news/artikel/spaltpilz-twitter


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Bildquelle: shutterstock / Sergei Elagin


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