Rilke: An Clara Rilke. 1906. Aus Capri.
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vor 3 Jahren
Erinnerst Du?… unsere beiden verhaltenen Weihnachtsabende? (den
in der rue de l'Abbé de l'Epée, den im römischen Studio al Ponte,
die beide ja so viel weniger gültig waren, weil keiner von uns
bei Ruth an der Stelle sein konnte, wo alles von selbst zu
Weihnachten wird, wenn die Stunde kommt) - wie sehr haben wir
damals schon gefühlt, daß wir unsere Arbeit so tief mit uns
vermischen müssen, daß ihre Werktage aus sich heraus zu Festen
führen, zu unseren eigentlichen Festen. Alles andere ist ja nur
ein Stundenplan, wie wir ihn in der Schule gehabt haben; lauter,
lauter Festgesetztes und die leeren Stellen für den Sonntag und
für Weihnachten und Ostern. Leere Stellen, die man mit etwas
anfüllt, was zu dem Anderen, Ausgemachten in Widerspruch steht;
und so ein bißchen als Ferien, haben wir alle jene Gezeiten immer
noch aufgenommen, die mit dem Kalender heraufkamen, uns
zerstreuend an ihnen und das Ende immer gerne hinausschiebend,
obwohl wir doch schon ein Vorgefühl hatten jener aus dem eigenen
Herzen stammenden Feste, die kein Widerspruch sind zu den Wochen,
die sie unmerklich herbeiführen, und keine Zerstreuung und kein
Hinzögern unbestimmter Tage. Nur einmal vielleicht, seit wir
zusammen sind, fiel beides in dieselbe Zeit. Du weißt wann. Am
zwölften hab ich jenes unbeschreiblich Weihnachtliche so stark
wieder durchlebt, das damals unser einsames Haus erfüllte und
nicht aufhörte, darin zuzunehmen, so daß man hätte glauben mögen,
es müsse schon weit darüber hinausreichen in die kalten Tage
hinein, in die langen Adventnächte; es müsse sichtbar sein selbst
für die, die ferne vorüberfahren, und alles verändert haben, so
daß Menschen von weit herüberkommen und schauen. Aber niemand
kam, und was da stand, war nichts als ein kleines Haus, mit einem
riesigen dichten Dach überhäuft, das den Menschen alltäglich
schien, von dem die Engel aber vielleicht wußten, daß es die
richtigen Maße habe, die, mit denen der große Raum, der es umgab,
von ihnen durchmessen wird. Es war wie der kleinste Teil jenes
unendlichen Maßstabes, die Maßeinheit, die immer wieder kommt und
mit der man bis ans Ende reichen kann, ohne etwas anderes
hinzuzufügen als immer wieder dasselbe. Du weißt?… was mir in
meiner frühen Kindheit Weihnachten war; selbst noch dann, als die
Militärschule mir ein wunderloses, hartes, unbegreiflich
boshaftes Leben so glaubhaft vortäuschte, daß mir keine andere
neben jener unverschuldeten Wirklichkeit möglich schien; selbst
dann noch war Weihnachten wirklich und war das, was mit einer
Erfüllung herankam, die über alle Wünsche hinausging, und wenn es
über die äußersten letzten nie noch gewünschten hinaus war, dann
begann es erst recht, dann faltete es, das bisher gegangen war,
Flügel aus und flog, flog, bis es nicht mehr zu sehen war und man
nur noch die Richtung wußte, in dem großen fließenden Licht. Und
alles das hatte noch immer, immer noch Macht über mich. Und in
jedem dieser Jahre, wenn ich für uns oder für Ruth ein
Weihnachten aufbaute, so verachtete ich ein wenig mein Gebautes,
weil es so weit hinter jenem Wunder zurückblieb, von dem ich
wußte, daß es in meiner Phantasie nicht willkürlich und
hemmungslos gewachsen war: so groß, so unbeschreiblich war es
schon immer gewesen. Und nun saß ich am zwölften lange und
dachte; dachte an die ganze tiefe Gnadenzeit, die damals durch
unsere Herzen ging. Fühlte den Vorabend wieder im Wohnzimmer; den
Morgen, den frühen erst, bei der Kerze, in dem das Neue anstieg,
wie eine Überschwemmung Angst verbreitend und Schrecken; dann den
späteren Morgen im Winterlicht mit seiner völlig neuen Ordnung,
mit seiner Ungeduld, seiner bis ans Äußerste angespannten
Erwartung, die an den kleinen, momentanen und greifbaren
Erfüllungen zu immer stärkerer Spannung wuchs; dann dieser ganze
steile Vormittag, als ob man einen Berg rasch, viel zu rasch
hinanmüßte, und endlich in all dem Ungewissen, nicht
Vorstellbaren, nicht Möglichen: etwas Wirkliches, eine
Wirklichkeit, die in unerhörter Weise mit dem Wunde
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