#157 Homeoffice auf dem Segelboot – Tobias Streit hat sein IT-Business ins „Boatoffice“ verlegt

#157 Homeoffice auf dem Segelboot – Tobias Streit hat sein IT-Business ins „Boatoffice“ verlegt

Kennst du schon Boatoffice? Homeoffice war in den letzten Monaten ständig ein Thema, doch was ist, wenn man sein gesamtes IT-Business auf ein Boot verlagert? Was sich total verrückt anhört, hat Tobias Streit mit seiner Rockbox-Internetagentur...
43 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Kennst du schon Boatoffice? Homeoffice war in den letzten Monaten
ständig ein Thema, doch was ist, wenn man sein gesamtes
IT-Business auf ein Boot verlagert? Was sich total verrückt
anhört, hat Tobias Streit mit seiner Rockbox-Internetagentur
umgesetzt. Wie und warum, das erzählt er uns in diesem Interview.


Ortsunabhängig arbeiten – vom Segelboot aus


Diesmal sprechen wir von IT-Tobi zu IT-Tobi, doch es gibt einen
entscheidenden Unterschied: Tobias Streit arbeitet und lebt von
einem Segelboot aus. Er und seine Freundin haben es geschafft,
das gemeinsame Business so ortsunabhängig zu gestalten, dass sie
von dort aus arbeiten können, wo sie anlegen. Zusammengefasst
könnte man sagen, die beiden sind die Gewinner der Krise, denn
Corona hat ihren ursprünglichen Plan in etwas Großartiges
verwandelt:


„Wir haben vor drei Jahren diese Reise geplant und sind vor zwei
Jahren endlich in See gestochen. Unser Plan war, uns zwei Monate
vor Ort in der Gastronomie in München zu Tode zu arbeiten, um
dann zehn Monate reisen zu können. Sechszehn Stunden am Tag und
das Geld praktisch ansparen dann. Wir hatten keine großen
Reserven, keinen Reichtum oder irgendwas. Naja und dann kam im
März der Lockdown, der uns in Spanien hart erwischte und als klar
war, die Gastronomie kommt so schnell nicht wieder und das Geld
wird knapp, da mussten wir uns Gedanken machen.“


Da Tobias vor rund 15 Jahren eine Agentur hatte und sich mit
Webdesign auskannte, setzte er auf Verdacht wieder auf sein
„altes“ Wissen. Statt hinzuschmeißen, konnte das Paar einen
Glücktreffer landen und die spontane Überlebensidee führte zu
einem lukrativen ortsunabhängigen Businesskonzept. Mittlerweile
ist es den beiden möglich, vom Boot aus für ihre Kunden
beispielsweise Webseiten zu gestalten und ihre Reisen dadurch zu
finanzieren. „Corona hat uns eigentlich in die bessere Richtung
geschickt“, resümiert Tobias heute nach über einem Jahr
Boatoffice.


Von Hip Hop in die IT, mit der IT auf’s Boot


Der ursprüngliche Weg in die IT war purer Zufall. Als Hip
Hop-Band vermieteten Tobias und seine damaligen Bandmitglieder
ihr Tonstudio in den Zeiten, in denen sie es nicht nutzten. Die
eigens erstellte Webseite brachte plötzlich ungeahnte
Möglichkeiten: der Einzelhandel und irgendwann auch große Kunden
wie RWE oder Daimler Chrysler interessierten sich auf einmal für
die Web-Fähigkeiten der Jungs. Da das Internet noch nagelneu war
zu dem Zeitpunkt, konnten sie mit einer Erklär-CD schließlich den
Durchbruch verzeichnen, der mit ihrer Band ausblieb. Sie
entwickelten eine CD, die Mitarbeitern in Unternehmen die Welt
des Internet ganz einfach erklärte.


Doch mit den großen Kunden kamen auch die Schattenseiten: Das
liebe Geld ließ auf sich warten, weil Unternehmen die
Zahlungsziele anders setzten und von den scheinbar lukrativen
Projekten blieben vorne vor in erster Linie riesen Zahlungen für
Personal etc., die im Voraus geleistet werden mussten. So führte
sein Weg Tobias schließlich in die Gastronomie: „Für mich war das
mit dem Geld dort eine ehrlichere Geschichte. Wenn da jemand an
die Theke geht und sagt ‚ein Bier‘, dann sage ich ‚3,50‘ und wenn
er kein Geld hat, ist das Bier wieder weg. Aber da hast du halt
täglichen Cashflow und musst nicht drei Monate auf dein Geld
warten.“


Dass er heute mit seiner Freundin auf dem Boot zusammenarbeitet
hatte zunächst den ganz pragmatischen Grund, dass es der
einfachste Weg war. So konnten sie Julia am einfachsten ebenfalls
mit Arbeit versorgen, ohne das Rad neu zu erfinden. Mittlerweile
ergänzen die beiden sich hervorragend, er kämpft an vorderster
Front und sie kümmert sich um Design und die SEO-Tauglichkeit der
Texte. Die Fachgebiete erstrecken sich von Onepagern über
Online-Shops, spezialisiert haben sich Tobias und Julia dabei auf
Wordpress.


Thematisch ist das Paar frei in seiner Webarbeit, Tobias achtet
lediglich darauf, dass die Projekte abgeschlossen sind: „Ich
suche mir Projekte aus, die wirklich abgeschlossen sind. Durch
die Reisen muss ich den Kunden halt auch sagen, dass wir keinen
24/7-Support anbieten können. Es kann ja einfach sein, dass wir
sagen, wir fahren nächsten Monat über den Atlantik und ich bin
für drei Wochen nicht erreichbar – das muss man halt auf jeden
Fall vorher abklären.“


Oft trifft Tobias bei seinen Kunden damit aber eher auf Neugier
und Verständnis, als auf Ablehnung. Er erzählt mir, dass die
erste halbe Stunden von Kundengesprächen oft erstmal das Segeln
und den aktuellen Aufenthaltsort behandelt und die Akzeptanz für
Arbeit aus dem Homeoffice durch Corona rapide gestiegen ist. Auch
die Arbeit auf dem Boot an sich gestaltet sich unkomplizierter,
als viele denken. Der größte Vorteil für Tobias: Das Internet ist
überall anders besser und meistens sogar billiger als in
Deutschland. Einmal angelandet, kann man oft im nächsten Kiosk
für vergleichsweise „ein paar Euro“ eine Prepaidkarte mit 40 GB
Traffic kaufen. Für ein solides Grundsetup empfiehlt er einen
Router samt Antenne.


Was hast du zu verlieren?


Auf meine Frage, was Tobias anderen Träumern rät, hat er mir
folgendes geantwortet: „Einfach mal machen. Das hört sich immer
so einfach an, aber es ist ja auch einfach. Probier es einfach
aus, schnapp dir deinen Rucksack, deinen Camper, such dir eine
Berghütte, es muss ja nicht gleich das Segelboot sein. Probier es
aus und im Zweifelsfall kannst du schnell wieder nach Deutschland
kommen, falls es nicht klappt. Je nachdem kannst du auch hingehen
und mit deinem Arbeitgeber sprechen, wenn du bisher schon das
Jahr im Homeoffice warst und alles geklappt hat, ob ihr das nicht
weiterführen könnt. Vielleicht klappt das nicht zum vollen
Gehalt, aber vielleicht gibt es Projekte, die du von unterwegs
aus machen kannst. Ansonsten ist ein kleines Budget immer von
Vorteil.“


Auch ein nützlicher Hack aus Tobias‘ Sicht: Augen offen halten.
Wenn du unterwegs bist und vielleicht einen Tauchschein machen
willst und siehst, die Schule hat keine Webseite. Schlag der
Tauchschule als Tauschgeschäft vor, dass du ihre Webseite machst
und im Gegenzug nichts für den Schein bezahlst. So hast du auch
direkt eine gute Referenz, mit der du bei anderen Tauchschulen
anklingeln kannst. Trotz all dem Optimismus hat aber auch Tobias
schon Lehrgeld bezahlen und seiner Kohle hinterherlaufen müssen,
aber dennoch ist sein Glas immer halb voll: „Wenn du zu
pessimistisch bist, wird’s echt schwierig, dich da zu bewegen, zu
gründen, ins Ausland zu gehen. Du musst da schon positiv
eingestellt sein.“ Was ihm zusätzlich in schlechten Situationen
hilft, ist der Glaube an Karma.


Freizeit statt Zwang, Leben statt Stress


Aufgrund der anfänglichen Geldknappheit hat er sich anfangs noch
unter Wert verkauft um „Hauptsache überhaupt Einnahmen zu haben“,
mittlerweise arbeitet Tobias erfolgreich als Subunternehmer für
Agenturen in aller Welt. Seine Anfangszeit bereut er jedoch
nicht, denn die zunächst günstigen Arbeiten verschafften ihm
dennoch positive Bewertungen und Folgeaufträge. Tobias großer
Wunsch ist, selbst irgendwann ins Delegieren zu kommen und
einzelne Aufgaben an andere Freelancer weiterzugeben. Aktuell
nutzen die beiden die „verwöhnte“ Auftragslage aber erst noch
voll aus:


„Wir sind auf einer Reise, ich bin nicht aus München weggegangen,
um zu arbeiten. Wir wollen uns die Welt ansehen. Ich begrenze
mich da schon selber ein bisschen, weil ich dann halt sage, wir
haben jetzt einen guten Auftrag gehabt, das Geld reich jetzt
wieder für den nächsten Monat. Ich hänge mich dann lieber in die
Hängematte und halte die Angel raus. Wir nehmen dann lieber eine
Woche Auszeit und machen eine Inseltour.“


Kein Stress und das Unternehmenswachstum muss sich den
Gegebenheiten anpassen, so lautet der Grundsatz. Dabei lassen die
beiden jedoch den Puffer für Reparaturen und Fixkosten nicht
außer Acht. Auch die Altersvorsorge muss natürlich berücksichtigt
werden. Aber außerdem? Spielt der Freizeitfaktor eine sehr große
Rolle. Tobias ist zudem sehr froh, dass die Auftragslage ihm
erlaubt, sich seine Projekte auszusuchen. Wenn die Kommunikation
nicht passt oder er mit dem Kunden bei der Arbeitsweise nicht
übereinstimmt, sagt er lieber ab.


Von Piraten und weisen Worten


Die Segelreise kannst du übrigens im Internet verfolgen, ich
verlinke dir den Blog unten. Dass es ein Segelboot wird, war aber
purer Zufall, wie Tobias mir erzählt: Ursprünglich war er mehr so
der klassische T3-Camper, doch diese Idylle ging aus
verschiedenen Gründen schief. Der Vater seiner Freundin hat beide
schließlich darauf gebracht, es mit einem Boot zu versuchen.
„Wenn ihr zu doof seid, mit dem Auto Richtung Osten zu fahren,
wollt ihr’s nicht mal mit einem Segelboot Richtung Westen
probieren?“, waren die nicht ganz ernst gemeinten Worte des
„alten Piraten“, wie Tobias ihn liebevoll nennt. Tatsächlich hat
der „alte Pirat“ Tobias und Julia dann auch noch die Grundlagen
beigebracht und sie sogar ein Stück weit begleitet.


Hast du noch einen abschließenden Tipp an meine
Hörer?


„Ja, also erstens, was ich immer sage, ist grundsätzlich immer
ehrlich zu sein, das vermisst man oft. Einfach mal dem Kunden
sagen, das geht nicht oder ich weiß es nicht. Ich muss mich erst
nochmal informieren. Also das ist einfach wichtig und da ist auch
keiner böse. Ja und wenn man wirklich den Schritt wagt, man macht
sich jetzt auf Reisen, dass man auf jeden Fall doch ein gewisses
Polster oder zumindest mal so eine Route hat. Man sollte sich
schon ein bisschen vorbereiten, dann geht man auch mit einem
guten Gefühl in die Sache.“

Wenn du dich für die Segelreise interessierst oder gerne mit
Tobias in Kontakt kommen möchtest, findest du ihn hier:


Tobias Streit – Gründer – ROCKBOX entertainment service e.K. |
LinkedIn


https://www.lagertha.de/


Ich wünsche dir viel Spaß beim Stöbern und noch ganz ganz viel
Erfolg mit deinem Business!

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