Einfluß von endogenem Oxytocin auf die neuroendokrine und verhaltensbiologische Streßreaktivität unterschiedlicher Tiermodelle

Einfluß von endogenem Oxytocin auf die neuroendokrine und verhaltensbiologische Streßreaktivität unterschiedlicher Tiermodelle

Beschreibung

vor 23 Jahren
Diese Arbeit konnte eine inhibitorische Kontrolle der HPA-Achse
unter basalen und Streß-induzierten Bedingungen durch
intrazerebrales OXT zeigen, die zumindest anteilig über Neuronen
des hypothalamischen PVN vermittelt wird. Die neurohypophysäre
Freisetzung von OXT und das angstbezogene Verhalten scheinen
hingegen von zentralem OXT unabhängig zu sein. Eine ähnliche
Funktion bei der Regulation der HPA-Achse und des Angstverhaltens
wurde bereits für AVP beschrieben. Also sind beide Neuropeptide,
wenn sie zentral freigesetzt werden, an der Modulation der
Streßreaktion beteiligt und diese Funktion ist dissoziiert von
ihrer peripheren Freisetzung und Wirkung. Während der peripartalen
Periode, die Trächtigkeit, Geburt und Laktation einschließt, sind
morphologische und funktionelle Veränderungen von OXT-Neuronen
bekannt. So erfolgt eine spezifische Aktivierung des Systems durch
Reproduktions-bezogene Stimuli, während, wie auch hier bestätigt
werden konnte, die Streßreaktivität der selben Neuronen inhibiert
wird. Ähnlich ist die Streßreaktivität der HPA-Achse während
Trächtigkeit und Laktation reduziert. So wurde in dieser Arbeit
erstmalig eine Suppression der ACTH- und Corticosteron-Freisetzung
auch während des Geburtsvorganges beschrieben. Die Untersuchung der
Wechselwirkungen des zentralen OXT-Systems und der hypophysären
Sekretion nach Streß-Exposition zeigte deutlich veränderte Effekte
intrazerebral freigesetzten OXTs während der peripartalen Periode.
Bezüglich der HPA-Achse konnte ein Nachlassen der tonischen
Inhibition durch zentrales OXT beobachtet werden, während nun die
Streßinduzierte neurohypophysäre Freisetzung von OXT sowie das
angstbezogene Verhalten auf der plus-maze dadurch kontrolliert
wurden. Die während der peripartalen Periode verminderte
Streßreaktivität der HPA-Achse wird also, entgegen der primären
Hypothese, offensichtlich nicht durch das aktivierte OXT-System
vermittelt. Da sowohl die HPA-Achse als auch das OXT-System z. T.
durch endogene Opiate beeinflußt werden, lag die Vermutung nahe,
daß Opiat-Rezeptoren die Reproduktionsbezogenen Modifikationen der
neuroendokrinen Streßreaktivität vermitteln. Diese Hypothese konnte
in der Tat bestätigt werden. Die Stimulation der HPA-Achse virginer
Weibchen durch endogene Opiate verschwand gegen Ende der
Trächtigkeit und resultierte in einer effektiven Inhibition der
HPA-Achse während der Geburt. Während die neurohypophysäre
OXTFreisetzung bei virginen Tieren nicht durch Opiate beeinflußt
wurde, entwickelte sich während der späten Trächtigkeit und während
der Geburt einen effektive Kontrolle durch endogene Opiate. Die
zentrale Freisetzung von OXT im PVN unterlag keinen merklichen
Reproduktions-bedingten Modifikationen, wurde jedoch unabhängig von
der peripheren Sekretion durch endogene Opiate beeinflußt. Auch
hier kehrte sich die bei virginen Tieren deutliche Stimulation der
OXT-Freisetzung im PVN in eine effektive Inhibition während der
Trächtigkeit um. Diese Modifikationen in der Wirkung von
Opiat-Rezeptoren scheinen sowohl lokal als auch funktionell eng
begrenzt zu sein, da auch bei trächtigen Tieren veränderte
Opiat-Wirkungen weder hinsichtlich der OXT-Freisetzung im SON noch
der verhaltensbiologischen Streßbewältigung beobachtet werden
konnten. Die primäre Intention der Arbeit, die funktionelle
Relevanz zentralen OXTs bei der Expression von Angstverhalten und
der Streßreaktivität der HPA-Achse zu klären, konnte mittels des
Tiermodells der peripartalen Periode nicht weiter verfolgt werden.
Erstens verschwand die bei männlichen und virginen Tieren
beschriebene Kontrolle der HPA-Achse durch endogenes OXT während
Trächtigkeit und Laktation. Zweitens deutet die nur bei trächtigen
und laktierenden Tieren beobachtete anxiolytische Wirkung zentralen
OXTs eine während der peripartalen Periode von neuroendokrinen
Parametern dissoziierte Regulation verhaltensbiologischer
Streßreaktionen an. Drittens erlauben die vielfältigen systemischen
Modifikationen während der Reproduktion, einschließlich
schwankender Konzentrationen von Sexualhormonen und der
Veränderungen des endogenen Opiat-Systems, keine unbeeinflußte
Untersuchung einzelner Streßhormon-Systeme. Deshalb war es
sinnvoller, sich dem Tiermodell der HAB/LAB-Ratten zuzuwenden, das
pathophysiologische Veränderungen der Emotionalität vorweist. Hier
konnte die Assoziation von verhaltensbiologischen und
neuroendokrinen Streßreaktionen selektiv untersucht werden.
Zunächst wurden die HAB/LAB-Tiere einer verhaltensbiologischen
Charakterisierung unterzogen, die stabile Linien-spezifische
Verhaltens-Unterschiede unter allen untersuchten Bedingungen
bestätigen konnte. Die neuroendokrine Charakterisierung der
Zuchttiere zeigte bei HAB-Männchen eine Assoziation der extremen
Ängstlichkeit mit einer erhöhten Reaktivität der HPA-Achse auf
einen emotionalen Stressor (open-arm). Jedoch konnte weder im Blut
noch im PVN unter basalen oder stimulierten Konditionen eine
differentielle Freisetzung von OXT gezeigt werden. Mit diesem
Ergebnis konnte kein kausaler Zusammenhang des Linien-spezifisch
unterschiedlichen Angstverhaltens und der unterschiedlichen
Reaktivität der HPA-Achse auf Streß mit der zentralen oder
peripheren OXT-Freisetzung festgestellt werden. Da jedoch eine
erhöhte basale und Schwimmstreßinduzierte Freisetzung von AVP im
PVN männlicher HABs ermittelt werden konnte, wurden weitere
Untersuchungen bezüglich dieses Neuropetides unternommen. So konnte
bei männlichen HAB-Ratten mittels in situ Hybridisierung eine
signifikant höhere basale Expression von AVP-mRNA in
magnozellulären Neuronen des PVN nachgewiesen werden. Die periphere
AVP-Sekretion unter basalen und open-arm-stimulierten Konditionen
zeigte weder Unterschiede zwischen HABs und LABs noch eine
effektive Stimulation durch Streß- Exposition, so daß die erhöhte
AVP-mRNA-Expression bei HABs die Grundlage für die gesteigerte
zentrale Freisetzung bilden dürfte. Diese Ergebnisse signalisieren
eine Interaktion von extremem Angstverhalten, erhöhter
Streßreaktivität der HPA-Achse und gesteigerter Freisetzung von AVP
im PVN bei HAB-Ratten. Unterstützt wurde diese Theorie auch durch
die Normalisierung des pathologischen Dex/CRH-Tests bei HABs durch
Applikation eines AVP-Antagonisten. Trotz dieser überzeugenden
Hinweise sollten noch weitere Untersuchungen folgen, die durch
Ausschalten der hypothalamischen AVP-Freisetzung mittels
Antagonisten oder antisense targeting die Kausalität dieser
Zusammenhänge klären könnten. Neben der gesteigerten Reaktivität
der HPA-Achse zeigten HAB-Ratten eine höhere periphere Freisetzung
von Prolaktin unter basalen und Streß-stimulierten Bedingungen. Da
dieses Ergebnis u. a. eine differentielle Aktivierung des zentralen
Dopaminund /oder Serotonin-Systems andeutet, sollten auch in dieser
Hinsicht weitere Untersuchungen erfolgen, da auch diese
Neurotransmitter mittelbaren oder unmittelbaren Einfluß auf die
HPA-Achse ausüben können und zudem bei der Entstehung von Angst-
/Depressions-Erkrankungen beteiligt zu sein scheinen. Wie durch die
cross-mating-Studie bestätigt, liegt bei HAB/LAB-Ratten eine
eindeutige genetische Determination des zwischen den Linien
differierenden angstbezogenen Verhaltens vor. Die Untersuchung
perinataler Faktoren ergab zwar eine mögliche hormonelle
Beeinflussung von HAB-Föten durch eine chronisch erhöhte
Plasmakonzentration mütterlichen Corticosterons, jedoch dürfte
diese allenfalls einen modulierenden Einfluß auf die fötale
Entwicklung haben. So bietet dieses Tiermodell einzigartige
Möglichkeiten nicht nur zum Studium der neuroendokrinen Grundlagen
psychopathologischer Emotionalität sondern auch der genetischen
Korrelate. Solche genetischen Studien, z. B. die Suche nach
"quantitative trait loci" oder genetische Assoziationsstudien bei
den HAB/LAB-Ratten werden möglicherweise einen großen Beitrag zum
Verständnis der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen beim
Menschen leisten und zu einer spezifischeren pharmakologischen
Therapie führen können.

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