Beschreibung

vor 23 Jahren
Die Lyme Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene
Infektionskrankheit des Menschen auf der Nordhemisphäre. Der
Erreger Borrelia burgdorferi s. l. wird in drei humanpathogene
Arten, B. burgdorferi s. s., B. garinii und B. afzelii unterteilt.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Struktur von Borrelia afzelii am
Beispiel des Stamms PKo, dem Hautisolat eines Patienten, mit Hilfe
elektronenmikroskopischer Methoden untersucht. Raster- und
transmissionselektronenmikroskopische Untersuchungen an Borrelien
des B. afzelii Stammes PKo wurden zur Aufklärung der Ultrastruktur
der Borrelienzelle unter in vitro Kultur- Bedingungen durchgeführt.
In Abhängigkeit vom Kulturalter zeigen die Borrelien starke
strukturelle Veränderungen, die rasterelektronenmikroskopisch gut
zu untersuchen sind. Während der log-Phase nimmt die Anzahl der
Schraubenwindungen zu und somit auch die Länge der Borrelien. Gegen
Ende der log- Phase verlieren die Borrelien ihre typische
Schraubengestalt. Im Lichtmikroskop (Dunkelfeld) kann man
gleichzeitig einen Verlust der Beweglichkeit beobachten. Allerdings
bedeutet der Verlust der Beweglichkeit nicht wie bisher angenommen
gleichzeitig den Tod der Borrelien, da sich nach dem Überimpfen in
frisches Kulturmedium wieder bewegliche schraubenförmige Borrelien
bilden. Die Untersuchungen zur Ultrastruktur der Borrelienzelle
wurden an Borrelien aus der log-Phase der Kultur durchgeführt. Die
Borrelienzellen sind zu diesem Zeitpunkt 10–20 µm lang und besitzen
3–9 Schraubenwindungen. Ultradünnschnitte zeigen, daß die Borrelien
aus einem Protoplasmazylinder bestehen, der von einer 4 nm dünnen
Zellmembran begrenzt wird. An ihn schließt sich im Abstand von 5 nm
die Zellwand an. Die Borrelienzellen sind von einer äußeren Membran
umgeben, die den periplasmatischen Raum umschließt. Diese Membran
ist zu einem Tunnel aufgewölbt in dem die Endoflagellen liegen. An
jedem Zellende befinden sich 7–9 Flagellenansatzstellen, die in der
Längsachse der Borrelienzelle angeordnet sind. Jede der Flagellen
inseriert nur an einem Zellende. Im mittleren Bereich der
Borrelienzelle kommt es zu einer Überlappung der Flagellen der
beiden Zellenden. Die Überlappungsregion ist jedoch nur undeutlich
abzugrenzen. Auf Grund dieser Untersuchungen konnte ein
detailliertes, maßstabsgetreues Modell einer Borrelienzelle
rekonstruiert werden. Ein weiteres Untersuchungsziel war die
Aufklärung der Lokalisation wichtiger immundominanter Proteine. Mit
Hilfe von Immun-Gold-Markierungen konnte durch hochauflösende
Rasterelektronenmikroskopie gezeigt werden, daß die Proteine p17
(Osp17), p35 (Osp35) und p58 (Osp58) auf der Oberfläche der äußeren
Membran der Borrelienzelle lokalisiert sind. Durch die Optimierung
der Markierungsmethode konnte das Signal so weit gesteigert werden,
daß die gleichmäßige Verteilung dieser Proteine über die gesamte
Zelloberfläche dargestellt werden konnte. Auf Grund ihrer
Lokalisation auf der Oberfläche der Borrelienzelle kommen diese
Proteine grundsätzlich als Vakzinekandidaten in Frage. Die
Lokalisation typspezifischer und konservierter Epitope der beiden
immunologisch heterogenen Oberflächenproteine OspA und OspC konnte
durch Immun-Gold-Markierungen mit Hilfe typspezifischer und
breitreaktiver monoklonaler Antikörper nachgewiesen werden.
Typspezifische und konservierte Epitope beider Proteine befinden
sich auf der Oberfläche der äußeren Membran. Die Lokalisation
breitreaktiver Epitope von OspA und OspC auf der Oberfläche der
Borrelienzelle läßt den Einsatz dieser Proteine als Impfantigene
auch im europäischen Raum erfolgversprechend erscheinen. Des
weiteren konnte im Rahmen dieser Arbeit eine Methode entwickelt
werden, die es erlaubt kokkoide Morphotypen der Borrelienzelle zu
erzeugen. Durch die Inkubation von Borrelien in Aqua dest. gelingt
es innerhalb weniger Minuten auf reproduzierbare Weise diese
Formvarianten der Borrelien zu erzeugen. Mittels Vitalfärbungen
konnte gezeigt werden, daß es sich bei den kokkoiden Morphotypen um
lebende Formvarianten der Borrelienzelle handelt. Diese
Formvarianten sind nicht kultivierbar. Nach dem Überführen in
Kulturmedium sind nach 4–5 Tagen nur noch schraubenförmige
Borrelienzellen zu beobachten. Bei den kokkoiden Morphotypen
handelt sich um eine kugelförmige Anschwellung der äußeren Membran
in der sich der Protoplasmazylinder in engen Windungen aufrollt.
Der vom aufgerollten Protoplasmazylinder umgebene Raum ist
weitgehend strukturlos. Die Flagellen befinden sich auf der von der
äußeren Membran abgewandten Seite es Protoplasmazylinders. Die
Rekonstruktion von Serienultradünnschnitten ergab, daß diese
kokkoiden Morphotypen jeweils von einer einzelnen Borrelienzelle
gebildet werden; Protoplasmazylinder, Zellwand und äußere Membran
bleiben intakt. Darüber hinaus konnte am Beispiel von Osp17, Osp35
und OspC gezeigt werden, daß die Oberflächenproteine der
schraubenförmigen Borrelienzelle auch bei den kokkoiden Morphotypen
auf der Oberfläche lokalisiert sind. Diese drei Proteine sind auch
auf den kokkoiden Morphotypen gleichmäßig über die gesamte
Oberfläche verteilt. Allerdings kommt es bei der Bildung der
kokkoiden Morphotypen im Vergleich zu den schraubenförmigen
Borrelienzellen zu einer deutlichen Reduktion der Oberfläche. Diese
Formvarianten besitzen somit nur eine reduzierte Angriffsfläche für
die Antikörper des Wirts. Sie stellen also möglicherweise Formen
dar, die es den Borrelien ermöglichen dem Abwehrsystem des Wirts
auszuweichen. Außerdem wurde die Adhäsion von Borrelien zweier
unterschiedlicher Spezies an humane Astrozyten untersucht. Dafür
wurde außer dem bereits erwähnten B. afzelii Stamm PKo der B.
garinii Stamm PBi eingesetzt. Hierbei handelt es sich um ein Isolat
aus dem Liquor eines Patienten. In einem über 24 Std. Zeitdauer
durchgeführten Koinkubationsversuch konnte mittels Lichtmikroskopie
gezeigt werden, daß beide Stämme an die Astrozyten adhärieren.
Borrelien des B. afzelii Stamms PKo adhärieren jedoch insgesamt
weit häufiger als solche des B. garinii Stamms PBi. Bei den
rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen zeigte sich, daß
eine Vielzahl von Borrelien beider Stämme mit den Zellausläufern am
Rand der Astrozyten und auf deren Oberfläche in Kontakt treten. Die
Fähigkeit der Borrelien an die Astrozyten zu adhärieren spielt
möglicherweise eine Rolle beim Übertritt von der Blutbahn ins
Gehirn. Eine deutlich Reaktion der Astrozyten auf den Kontakt mit
den Borrelien in Form von Oberflächenveränderungen ist nicht zu
erkennen. Bei beiden Stämmen können im Rahmen der
rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen Borrelien gefunden
werden, die in die Zellen eindringen. Dieses Eindringen kann mit
Hilfe von Ultradünnschnitten durch die Koinkubationspräparate im
TEM bestätigt werden. Hierbei konnten Borrelien sowohl in Vesikeln,
als auch frei im Zytoplasma derAstrozyten gefunden werden. Die
intrazellulär liegenden Borrelien waren auch nach 24 Std. noch
intakt. Es sind keine Degenerationsformen zu erkennen. Durch das
Eindringen in die Astrozyten gelingt es den Borrelien
möglicherweise über längere Zeit im Wirt zu überdauern.

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