Verhaltenspharmakologische und molekularbiologische Untersuchungen zum Opiatentzug bei der Ratte
Beschreibung
vor 22 Jahren
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit verschiedenartigen
Aspekten zum Thema Opiatentzug. Dabei wurde die Funktionalität
µ-Opioidrezeptor-gekoppelter G-Proteine in der intrazellulären
Signaltransduktionskaskade im Entzug und unter chronischer
Opiatverabreichung untersucht. Als Ergebnis dieser Studie, die
mittels einer in situ [S35]-GTPγSAutoradiographie durchgeführt
wurde, konnte die Erkenntnis bestätigt werden, nach der eine
Adaption auf extern zugeführte Opioide nicht auf einer Veränderung
von Rezeptoren oder deren Interaktion mit G-Proteinen beruht
(Kapitel 2). Vielmehr scheinen intrazelluläre, durch Genexpression
gesteuerte Mechanismen für eine erfolgreiche Adaption an veränderte
Umweltbedingungen ausschlaggebend zu sein. Hierbei spielt eine
veränderte Transkription von CREB und somit in Folge eine erhöhte
Transkription der Adenylatcyclase eine tragende Rolle. Eine weitere
Studie beschäftigte sich mit einem neuartigen Konzept zur
Verstärkung von opioidagonistischen Wirkungen durch die Zugabe von
Opioidantagonisten in geringer Dosierung (low dose Naloxon-Konzept,
Kapitel 3). Hier konnte in verhaltensbiologischen Untersuchungen
kein Effekt nachgewiesen werden. Insbesondere konnte nicht
nachgewiesen werden, dass die Koverabreichung von low dose Naloxon
während der Abhängigkeitsentwicklung Entzugserscheinungen
moduliert. Beide Studien beschäftigen sich direkt und indirekt mit
der in der Wissenschaft intensiv diskutierten Frage der Existenz
von Gs-Proteingekoppelten Opioidrezeptoren, die neben den bereits
bekannten Gi/o-Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren in der
Zellmembran lokalisiert sind. Ein autoradiographischer Nachweis
hierzu steht bislang aus. Abhilfe könnte eine weiterentwickelte
[S35]-GTPγSAutoradiographie schaffen, in der durch selektive
Blockade der Gi/o-Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren durch
Pertussistoxin ein Nachweis Gs-Protein-gekoppelter Opioidrezeptoren
in situ möglich sein müsste. Ein direkter Nachweis dieser Kopplung
eröffnet völlig neuartige Perspektiven in der modernen
Opioidpharmakologie, da durch selektive Liganden dieser
Gs-Protein-gekoppelten Rezeptoren die Opiatwirkung in der
klinischen Anwendung verstärkt werden könnte. Möglicherweise findet
dieses Wirkprinzip bereits unbeabsichtigt seit Jahren Anwendung:
der Opiatagonist Tilidin (Valoron N) kommt bei der Behandlung
mittelschwerer bis schwerer Schmerzen zum Einsatz. Als Besonderheit
ist diesem Präparat der Opiatantagonist Naloxon im Verhältnis
1:12,5 (Einzeldosis: 4 mg Naloxon/50 mg Tilidin) beigemischt, um
eine missbräuchliche Anwendung zu unterbinden. Bei normaler
therapeutischer Dosierung unterliegt der Naloxonanteil einem
intensivenhepatischen Abbau, so dass Tilidin voll wirksam ist. Bei
missbräuchlicher Einnahme hoher Dosen durch Opiatabhängige wird der
Naloxonanteil nicht vollständig metabolisiert; Entzugssymptome
werden provoziert oder bereits bestehende werden verstärkt. Tilidin
selbst wird in der Leber zu Nortilidin und Binortilidin
metabolisiert, wobei Nortilidin als der eigentliche Opiatagonist am
Rezeptor angesehen wird (Schulz et al. 1978). Möglicherweise
passieren aber geringste Spuren von Naloxon bei normalem
therapeutischen Einsatz die Leber und könnten folglich im low dose
-Bereich wirksam werden. Über die Wirkungsweise low dose
Naloxon-vermittelter Verstärkung der analgetischen Wirkung von
Opiaten können nur rein hypothetische Ansätze formuliert werden.
Neben den bereits diskutierten Gs-Protein gekoppelten
Opioidrezeptoren könnte auch ein Einfluss auf die Internalisierung
von Opioidrezeptoren möglich sein. Hier steht, neben dem dringend
nötigen Nachweis Gs-Protein gekoppelter Opioidrezeptoren, ein
völlig neuartiges Forschungsgebiet der Opioidpharmakologie offen.
Im letzten Teil der vorliegenden Arbeit konnte erstmals das
Phänomen konditionierter Opiatentzug näher charakterisiert werden
(Kapitel 4). Auch wenn es nicht gelang, aus der Vielzahl an
Entzugserscheinungen die wichtigsten Kardinalsymptome zu
konditionieren, so besteht dennoch kein Zweifel, dass
Entzugssymptome ausreichend konditioniert werden können und dass
diese konditionierten Symptome mit einer Aktivierung von
Stressmechanismen verbunden sind. Darüber hinaus konnte gezeigt
werden, dass mit der Präsentation des konditionierten Stimulus eine
massive neuronale Aktivität im Locus coeruleus ausgelöst wird.
Dieses Kerngebiet ist seit Jahren ohne Zweifel für die Ausbildung
der meisten körperlichen Entzugssymptome während eines Opiatentzugs
verantwortlich (Aghajanian, 1978; Maldonado et al., 1992b). Gerade
in den letzten Jahren kommt dem konditionierten Entzug die
Aufmerksamkeit zu, die ihm möglicherweise in seiner Bedeutung im
Rückfallverhalten zusteht. Neueste Studien (Schulteis et al., 2000)
zeigen deutlich, dass konditionierte Entzugserscheinungen mit dem
Kerngebiet assoziiert werden, die für die hedonistische Beurteilung
eines Ereignisses ausschlaggebend sind. Obwohl in frühen Studien
durch Befragung von Abhängigen kein Einfluss konditionierter
Entzugserscheinungen auf Rückfallverhalten nachgewiesen werden
konnte (McAuliffe, 1982), stellt sich berechtigterweise die Frage,
ob von Drogensüchtigen bzw. entzogenen Patienten der Reflexbogen,
der zum Rückfall führte, überhaupt als solcher erkannt und benannt
werden kann. Gerade das stereotype Ablaufen suchtrelevanter
Konditionierungs- und Sensibilisierungsmechanismen entzieht sich
oftmals dem Bewusstsein des Suchtkranken (Zieglgänsberger und
Spanagel, 1999). In frühen tierexperimentellen Studien waren
Versuchstiere nicht in der Lage, die im konditionierten Entzug
auftretenden Entzugserscheinungen durch Trinken von
opioidagonistischer Lösung zu lindern (Stewart et al., 1984). Dabei
stellt gerade die orale Verabreichung von z.B. Morphin auf Grund
der schlechten Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt eine
schlechte Art der Verabreichung von Opiaten dar (Gellert und
Holtzman, 1978). In einem konditionierten Entzugsgeschehen kommt
daher der schnellen intravenösen Verabreichung von Opiaten tragende
Bedeutung zu. Opiatsucht stellt sich als komplexes Krankheitsbild
dar, zumal die Patienten nicht nur von einem Opiat abhängig sind,
sondern meist Polytoxikomanen sind. Dennoch erscheint gerade der
konditionierte Entzug als ein wichtiges Element im
Rückfallverhalten, möglicherweise eben nur im Zusammenspiel anderer
suchtrelevanter Parameter. Aufschluss inwieweit hier konditionierte
Entzugs-erscheinungen eine tragende Rolle spielen, könnte ein
Tierexperiment darstellen, in dem auf Entzug konditionierte
Versuchstiere gelernt haben, sich über eine
intracerebroventriculare Injektion Morphin zuzuführen. Nur ein
schneller, unmittelbarer Wirkungseintritt von Morphin greift in den
Reflexbogen ein, der von den meisten Patienten im Rückfall nicht
kognitiv wahrgenommen wird. Kein anderer Stoff begleitet die
Menschheit so lange wie der Saft der Kapseln des Schlafmohns und
bei keinem anderen Stoff liegen Wohl und Wehe so eng beisammen.
Opium und seine in der modernen Medizin angewandten Derivate
stellen nach wie vor die potentesten Schmerzmittel dar. Bis heute
gibt es keine vergleichbaren Analgetika. Die erstaunliche Kongruenz
zwischen speziellen Rezeptoren im Gehirn und einem sekundären
Pflanzenalkaloid bringt die moderne Opioidpharmakologie immer
wieder in den Konflikt zwischen maximaler Schmerzlinderung und den
fatalen Folgen dieser Therapie, die in Toleranz, Abhängigkeit und
Entzug münden kann. Dennoch bemühten sich seit Menschengedenken
Ärzte und Wissenschaftler um die Vorteile dieses Prinzips und so
sollte es eines Tages gelingen, die schmerzlindernde Komponente der
Opiate von den negativen Auswirkungen abzukoppeln.
Aspekten zum Thema Opiatentzug. Dabei wurde die Funktionalität
µ-Opioidrezeptor-gekoppelter G-Proteine in der intrazellulären
Signaltransduktionskaskade im Entzug und unter chronischer
Opiatverabreichung untersucht. Als Ergebnis dieser Studie, die
mittels einer in situ [S35]-GTPγSAutoradiographie durchgeführt
wurde, konnte die Erkenntnis bestätigt werden, nach der eine
Adaption auf extern zugeführte Opioide nicht auf einer Veränderung
von Rezeptoren oder deren Interaktion mit G-Proteinen beruht
(Kapitel 2). Vielmehr scheinen intrazelluläre, durch Genexpression
gesteuerte Mechanismen für eine erfolgreiche Adaption an veränderte
Umweltbedingungen ausschlaggebend zu sein. Hierbei spielt eine
veränderte Transkription von CREB und somit in Folge eine erhöhte
Transkription der Adenylatcyclase eine tragende Rolle. Eine weitere
Studie beschäftigte sich mit einem neuartigen Konzept zur
Verstärkung von opioidagonistischen Wirkungen durch die Zugabe von
Opioidantagonisten in geringer Dosierung (low dose Naloxon-Konzept,
Kapitel 3). Hier konnte in verhaltensbiologischen Untersuchungen
kein Effekt nachgewiesen werden. Insbesondere konnte nicht
nachgewiesen werden, dass die Koverabreichung von low dose Naloxon
während der Abhängigkeitsentwicklung Entzugserscheinungen
moduliert. Beide Studien beschäftigen sich direkt und indirekt mit
der in der Wissenschaft intensiv diskutierten Frage der Existenz
von Gs-Proteingekoppelten Opioidrezeptoren, die neben den bereits
bekannten Gi/o-Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren in der
Zellmembran lokalisiert sind. Ein autoradiographischer Nachweis
hierzu steht bislang aus. Abhilfe könnte eine weiterentwickelte
[S35]-GTPγSAutoradiographie schaffen, in der durch selektive
Blockade der Gi/o-Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren durch
Pertussistoxin ein Nachweis Gs-Protein-gekoppelter Opioidrezeptoren
in situ möglich sein müsste. Ein direkter Nachweis dieser Kopplung
eröffnet völlig neuartige Perspektiven in der modernen
Opioidpharmakologie, da durch selektive Liganden dieser
Gs-Protein-gekoppelten Rezeptoren die Opiatwirkung in der
klinischen Anwendung verstärkt werden könnte. Möglicherweise findet
dieses Wirkprinzip bereits unbeabsichtigt seit Jahren Anwendung:
der Opiatagonist Tilidin (Valoron N) kommt bei der Behandlung
mittelschwerer bis schwerer Schmerzen zum Einsatz. Als Besonderheit
ist diesem Präparat der Opiatantagonist Naloxon im Verhältnis
1:12,5 (Einzeldosis: 4 mg Naloxon/50 mg Tilidin) beigemischt, um
eine missbräuchliche Anwendung zu unterbinden. Bei normaler
therapeutischer Dosierung unterliegt der Naloxonanteil einem
intensivenhepatischen Abbau, so dass Tilidin voll wirksam ist. Bei
missbräuchlicher Einnahme hoher Dosen durch Opiatabhängige wird der
Naloxonanteil nicht vollständig metabolisiert; Entzugssymptome
werden provoziert oder bereits bestehende werden verstärkt. Tilidin
selbst wird in der Leber zu Nortilidin und Binortilidin
metabolisiert, wobei Nortilidin als der eigentliche Opiatagonist am
Rezeptor angesehen wird (Schulz et al. 1978). Möglicherweise
passieren aber geringste Spuren von Naloxon bei normalem
therapeutischen Einsatz die Leber und könnten folglich im low dose
-Bereich wirksam werden. Über die Wirkungsweise low dose
Naloxon-vermittelter Verstärkung der analgetischen Wirkung von
Opiaten können nur rein hypothetische Ansätze formuliert werden.
Neben den bereits diskutierten Gs-Protein gekoppelten
Opioidrezeptoren könnte auch ein Einfluss auf die Internalisierung
von Opioidrezeptoren möglich sein. Hier steht, neben dem dringend
nötigen Nachweis Gs-Protein gekoppelter Opioidrezeptoren, ein
völlig neuartiges Forschungsgebiet der Opioidpharmakologie offen.
Im letzten Teil der vorliegenden Arbeit konnte erstmals das
Phänomen konditionierter Opiatentzug näher charakterisiert werden
(Kapitel 4). Auch wenn es nicht gelang, aus der Vielzahl an
Entzugserscheinungen die wichtigsten Kardinalsymptome zu
konditionieren, so besteht dennoch kein Zweifel, dass
Entzugssymptome ausreichend konditioniert werden können und dass
diese konditionierten Symptome mit einer Aktivierung von
Stressmechanismen verbunden sind. Darüber hinaus konnte gezeigt
werden, dass mit der Präsentation des konditionierten Stimulus eine
massive neuronale Aktivität im Locus coeruleus ausgelöst wird.
Dieses Kerngebiet ist seit Jahren ohne Zweifel für die Ausbildung
der meisten körperlichen Entzugssymptome während eines Opiatentzugs
verantwortlich (Aghajanian, 1978; Maldonado et al., 1992b). Gerade
in den letzten Jahren kommt dem konditionierten Entzug die
Aufmerksamkeit zu, die ihm möglicherweise in seiner Bedeutung im
Rückfallverhalten zusteht. Neueste Studien (Schulteis et al., 2000)
zeigen deutlich, dass konditionierte Entzugserscheinungen mit dem
Kerngebiet assoziiert werden, die für die hedonistische Beurteilung
eines Ereignisses ausschlaggebend sind. Obwohl in frühen Studien
durch Befragung von Abhängigen kein Einfluss konditionierter
Entzugserscheinungen auf Rückfallverhalten nachgewiesen werden
konnte (McAuliffe, 1982), stellt sich berechtigterweise die Frage,
ob von Drogensüchtigen bzw. entzogenen Patienten der Reflexbogen,
der zum Rückfall führte, überhaupt als solcher erkannt und benannt
werden kann. Gerade das stereotype Ablaufen suchtrelevanter
Konditionierungs- und Sensibilisierungsmechanismen entzieht sich
oftmals dem Bewusstsein des Suchtkranken (Zieglgänsberger und
Spanagel, 1999). In frühen tierexperimentellen Studien waren
Versuchstiere nicht in der Lage, die im konditionierten Entzug
auftretenden Entzugserscheinungen durch Trinken von
opioidagonistischer Lösung zu lindern (Stewart et al., 1984). Dabei
stellt gerade die orale Verabreichung von z.B. Morphin auf Grund
der schlechten Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt eine
schlechte Art der Verabreichung von Opiaten dar (Gellert und
Holtzman, 1978). In einem konditionierten Entzugsgeschehen kommt
daher der schnellen intravenösen Verabreichung von Opiaten tragende
Bedeutung zu. Opiatsucht stellt sich als komplexes Krankheitsbild
dar, zumal die Patienten nicht nur von einem Opiat abhängig sind,
sondern meist Polytoxikomanen sind. Dennoch erscheint gerade der
konditionierte Entzug als ein wichtiges Element im
Rückfallverhalten, möglicherweise eben nur im Zusammenspiel anderer
suchtrelevanter Parameter. Aufschluss inwieweit hier konditionierte
Entzugs-erscheinungen eine tragende Rolle spielen, könnte ein
Tierexperiment darstellen, in dem auf Entzug konditionierte
Versuchstiere gelernt haben, sich über eine
intracerebroventriculare Injektion Morphin zuzuführen. Nur ein
schneller, unmittelbarer Wirkungseintritt von Morphin greift in den
Reflexbogen ein, der von den meisten Patienten im Rückfall nicht
kognitiv wahrgenommen wird. Kein anderer Stoff begleitet die
Menschheit so lange wie der Saft der Kapseln des Schlafmohns und
bei keinem anderen Stoff liegen Wohl und Wehe so eng beisammen.
Opium und seine in der modernen Medizin angewandten Derivate
stellen nach wie vor die potentesten Schmerzmittel dar. Bis heute
gibt es keine vergleichbaren Analgetika. Die erstaunliche Kongruenz
zwischen speziellen Rezeptoren im Gehirn und einem sekundären
Pflanzenalkaloid bringt die moderne Opioidpharmakologie immer
wieder in den Konflikt zwischen maximaler Schmerzlinderung und den
fatalen Folgen dieser Therapie, die in Toleranz, Abhängigkeit und
Entzug münden kann. Dennoch bemühten sich seit Menschengedenken
Ärzte und Wissenschaftler um die Vorteile dieses Prinzips und so
sollte es eines Tages gelingen, die schmerzlindernde Komponente der
Opiate von den negativen Auswirkungen abzukoppeln.
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