Untersuchungen zur Rolle von reaktiven Sauerstoffspezies bei Ozon-induziertem Zelltod in Pflanzen

Untersuchungen zur Rolle von reaktiven Sauerstoffspezies bei Ozon-induziertem Zelltod in Pflanzen

Beschreibung

vor 22 Jahren
1.) Die weltweit als Bioindikator für den Luftschadstoff Ozon
eingesetzte Tabaksorte Bel W3 reagiert mit typischen
pergamentartigen Läsionen auf sommerliche Ozonwerte in
Mitteleuropa. Es konnte demonstriert werden, dass eine Akkumulation
von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), vor allem H2O2, der
Ozoninduktion von Zelltod vorausgeht, wobei die Orte der
H2O2-Akkumulation („Burst initiation sites“) mit denen der späteren
Läsionen sehr gut korrelierten. Histologische Untersuchungen
zeigten, dass dieser „oxidative Burst“ zunächst in den Zellen des
Palisadenparenchyms, und zwar in Clustern in der Nähe von
Blattadern, erfolgte. 2.) Bei einem Vergleich Ozon-empfindlicher
Arten, Sorten und Ökotypen von Nutz- und Wildpflanzen zeigten sich
deutliche Unterschiede in der Art der vorwiegend akkumulierten ROS.
In neun Tomatensorten wurde H2O2-Akkumulation detektiert, wobei die
Intensität mit der Ozonempfindlichkeit der Sorten korrelierte. In
zehn Ökotypen von Arabidopsis thaliana L. ließ sich neben H2O2 vor
allem O2 -. detektieren, wobei O2 -. mit dem Muster und der
Quantität der Schäden korrelierte. Bei den Ozon-empfindlichen
Wildpflanzen Rumex crispus L., R. obtusifolius L. und Malva
sylvestris L. konnte ausschließlich O2 -. nachgewiesen werden.
Blattquerschnitte der letztgenannten Pflanzenart erbrachten
deutliche Unterschiede zu der Tabaksorte Bel W3: Obwohl beide
Pflanzenarten amphistomatäre Blätter besitzen, konnte O2 -. zuerst
in den Zellen des Schwammparenchyms detektiert werden. In allen
Fällen erfolgte das Auftreten von Ozon-induziertem Zelltod
verstärkt entlang der Blattadern; Bereiche des Zelltodes
korrelierten jeweils mit vorheriger Akkumulation von ROS. 3.) In
Freilandversuchen konnte zum ersten Mal die Ozon-induzierte
Akkumulation von ROS vor dem Auftreten von Blattsymptomen in Wild-
und Kulturpflanzen gezeigt werden. Berechnungen der kritischen
Grenzwerte für Ozon (AOT40) ergaben, dass der zur Zeit für
Kulturpflanzen und natürliche Vegetationen vorgegebene Wert von
3000 nl l -1 h für empfindliche Pflanzen wie die Tabaksorte Bel W3
zu hoch angesetzt ist. 4.) Täglich wiederkehrende Ozonexposition in
Freiland- und Kammerversuchen führten in der Tabaksorte Bel W3 zu
einer Akkumulation von H2O2 um schon bestehende Läsionen herum und
daraus resultierend zu deren Vergrößerung. Es ist anzunehmen, dass
existierende Bereiche pflanzlichen Zelltods die Nachbarzellen für
ROS-Akkumulation und Zelltod empfindlicher machen. Als
Verstärkungsfaktoren kommen erhöhte Produktionsraten von Ethylen,
NO und Salicylsäure in Betracht. Entsprechend korrelierten die
Gehalte der Ethylenvorstufe 1-Aminocyclopropan-1-carbonsäure und
Salicylsäure mit Ozon-induziertem Zelltod. Erstmalig konnte eine
Ozon-induzierte Akkumulation des pflanzlichen Signalstoffs NO
nachgewiesen werden. Dessen Produktion erfolgte in Ozon-behandelten
Blättern der Tabaksorte Bel W3 zum gleichen Zeitpunkt und mit sehr
ähnlichem Muster, nämlich besonders in Palisadenparenchymzellen
entlang Blattadern, wie H2O2, so dass beide Signalmoleküle bei der
Ausprägung pflanzlichen Zelltods kooperieren könnten. 5.) Das
Auftreten erhöhter ROS-Gehalte nach Ende der Ozonexposition sowie
die Hemmung der ROS-Akkumulation und Ozon-induzierten Zelltods
durch Enzym-Inhibitoren weisen auf eine aktive in planta Bildung
von ROS in Ozon-empfindlichen Pflanzen hin. Als ROS-produzierende
Enzyme kommen dabei verschiedene Oxidasen und Peroxidasen in
Betracht. Zunächst wurde eine Beteiligung von
Oxalatoxidase-Aktivität an dem Ozon-induzierten „oxidativen Burst“
für Tabak ausgeschlossen. 6.) Erstmals gelang der Nachweis zweier
homologer Gene in Tabak zu der O2 -. -produzierenden NADPH-Oxidase
(gp91phox) aus Makrophagen von Säugern. Beide Isoformen wurden
kloniert; sie wurden in Anlehnung an die entsprechenden Isoformen
in A. thaliana als Ntrboh (N. tabacum respiratory burst oxidase
homologue) D und F bezeichnet. Die Sequenzen enthielten die für die
Aktivität der NADPH-Oxidase wichtigen FAD-, NADPH Adenin- und NADPH
Ribose-Bindungsstellen sowie konservierte Histidin-Reste für die
Häm-Bindung. Wie die bisher veröffentlichten pflanzlichen
NADPH-Oxidasen fanden sich in Ntrboh D und F N-terminale
Verlängerungen mit zwei EF-Hand-Motiven, die als putative Ca 2+
-Bindungsstellen gelten. 7.) Während Ntrboh F in allen Geweben
konstitutiv exprimiert wurde, zeigte sich die Isoform Ntrboh D in
ihrer Expression abhängig vom Gewebe. Ozonbehandlung führte zu
einer biphasischen Induktion der Expression von Ntrboh D in
Blättern der Sorte Bel W3 mit Maxima nach 2 und 6 h nach Beginn der
Exposition. Maximale Transkriptgehalte wurden durch einmalige
Exposition mit 200 nl l -1 Ozon induziert, höhere Ozondosen
brachten keine weitere Steigerung. Auch in der Ozon-toleranten
Sorte Bel B ergab sich ein zu Bel W3 sehr ähnlicher biphasischer
Verlauf der Transkript-Akkumulation. Die Isoform Ntrboh F zeigte in
einigen Versuchen eine leicht erhöhte Expression gegen Ende und
nach der Ozonexposition, also zeitlich zusammen mit dem Auftreten
des zweiten Peaks der ROS-Bildung. Infiltration mit einem
avirulenten Pathogen-Stamm (Pseudomonas syringae pv. syringae)
bewirkte eine der Ozoninduktion vergleichbare
Transkriptakkumulation von Ntrboh D. In der Apoplastenflüssigkeit
von Tabakblättern fanden sich Isoformen von Superoxiddismutase
(SOD), die durch Ozon in ihrer Aktivität induziert waren. 8.)
Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass Ozoneffekte in
empfindlichen Pflanzen durch die pflanzeneigene Produktion von ROS
verstärkt werden. ROS sind dabei an der Induktion eines
Zelltodprogramms beteiligt. Es wird postuliert, dass die
Ozoninduktion von Homologen der NADPH-Oxidase aus Säugern zusammen
mit SOD für die Ozon-induzierte H2O2-Akkumulation und die extrem
hohe Empfindlichkeit der Tabaksorte Bel W3 verantwortlich ist.
Weitere Untersuchungen auf Protein- und Enzymaktivitätsebene müssen
zeigen, welche Mechanismen für die Auslösung dieser Induktion in
Bel W3, nicht aber in Ozon-toleranten Nutz- und Wildpflanzen,
verantwortlich sind.

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