Katastrophe oder Chance: Wie sollen Medien über das Klima berichten?

Katastrophe oder Chance: Wie sollen Medien über das Klima berichten?

Wenn Medien über die Klimakrise schreiben, schalten viele auf Durchzug. Die Journalistin Sara Schurmann über die Schwierigkeit, von etwas zu berichten, das eigentlich niemand hören will.
30 Minuten
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Der STANDARD-Podcast über das Leben und die Welt von morgen

Beschreibung

vor 2 Jahren
Anfang September 2020 schreibt die deutsche Journalistin Sara
Schurmann einen offenen Brief an ihre Kolleginnen und Kollegen in
den Nachrichtenredaktionen. Die zweite Corona-Welle nimmt gerade
ihren Anlauf, und die Berichterstattung über die Klimastreiks 2019
ist Berichten über Infektionszahlen gewichen. In ihrem Brief
fordert Schurmann die Journalistinnen und Journalisten auf, die
Klimakrise ernster zu nehmen – und ihr in den Medien den Platz zu
geben, den sie verdient. Seitdem hat sich einiges verändert: Viele
Medien geben Berichten über die Klimakrise wieder mehr Raum, widmen
dem Thema Ressorts, Newsletter, Podcasts. "Aber wir müssen
anfangen, Klima überall mitzudenken", sagt Schurmann, die im
STANDARD-Podcast "Edition Zukunft Klimafragen" zu ihrem kürzlich
erschienenen Buch Klartext Klima zu Gast war. "Im Endeffekt muss
jeder Journalist ein Klimajournalist werden." Bestimmte Kräfte,
etwa Lobbys der Fossilindustrie, würden aber immer wieder
Scheinargumente in den Diskurs einbringen, um Klimaschutz zu
verzögern. Dass das funktioniere, liege auch an der Arbeitsweise
von Medien. "Wir Journalistinnen versuchen ja immer, auf jedes
Thema und aus jedem Blickwinkel kritisch zu schauen", sagt
Schurmann. Bei vielen, etwa politischen, Themen sei das auch
richtig. "Aber vor allem in den Politikredaktionen fehlt auch ein
wenig das Bewusstsein, dass es in den Naturwissenschaften ein
Richtig und ein Falsch gibt", so die Journalistin. Man könne an
wissenschaftlichen Berechnungen ablesen, ob ein Politikansatz
sinnvoll ist oder nicht. Hier wünscht sich Schurmann mehr
Einordnung durch Journalistinnen und Journalisten. Immer wieder in
der Diskussion steht zudem die Frage, wie sehr sich
Klimajournalismus an den Aktivismus annähern darf. Vergangenes Jahr
kooperierten etwa mehrere deutsche Medien mit der Umweltbewegung,
der Stern produzierte gar ein eigenes Heft gemeinsam mit Fridays
for Future. "Ich finde diese Projekte nicht per se verwerflich,
weil alles absolut transparent gemacht wurde", sagt Schurmann. Bei
Foto- oder Reisereportagen sei das hingegen oft nicht der Fall,
merkt sie an. Viele Journalistinnen und Journalisten, die zur
Klimakrise arbeiten, fragen sich außerdem, inwiefern man sich auch
privat für das Klima einsetzen darf. Schurmann hat dieses Dilemma
für sich lange so gelöst, dass sie gar nicht auf Demonstrationen
ging. Als sie nach einiger Zeit eine Frauendemo besuchte und danach
eine unter dem Motto Black Lives Matter, sah sie darin kein Problem
– schließlich seien das Themen, zu denen gesellschaftlich ein
breiter Konsens besteht. "Aber es ist irgendwie absurd, dass man da
beim Klima immer noch anders denkt", sagt Schurmann. Die Klimakrise
sei schließlich ein wissenschaftliches Faktum, bei Protesten gehe
es um die Sicherung der Lebensgrundlagen für alle Lebewesen auf der
Erde. "Wenn wir das nicht tun, weiß ich auch nicht, wie wir
Menschenrechte und Demokratie aufrechterhalten wollen", sagt
Schurmann. Doch wie kommuniziert man nun ein so vielschichtiges
Problem wie die Klimakrise? Für Schurmann braucht es im
Klimajournalismus vor allem drei Komponenten: "Hier stehen wir
jetzt, so schlimm kann es werden – aber auch: So gut kann es
werden", sagt die Journalistin. Um den Status quo zu vermitteln,
sei es besonders wichtig, Dinge aus dem Alltag herauszupicken, um
den Menschen zu zeigen, wo die Krise schon überall ist. Doch auch
wenn die Folgen des Klimawandels verheerend sind – Studien haben
gezeigt, dass Menschen bei negativen Nachrichten oft auf Durchzug
schalten. Deshalb sei es wichtig, auch ein positives Bild zu
zeichnen. "Wie könnte unsere Zukunft aussehen, wenn wir jetzt den
Schalter umlegen?", fragt Schurmann. So könne man das Gefühl der
Ohnmacht, das sich bei vielen breitmacht, verhindern.

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