Episode 8: Adorno und das Glück

Episode 8: Adorno und das Glück

56 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Pola Groß spricht mit Falko Schmieder (beide ZfL) über ihr Buch
»Adornos Lächeln. Das ›Glück am Ästhetischen‹ in seinen literatur-
und kulturtheoretischen Essays« (Berlin: De Gruyter 2020). ————————
In jüngster Zeit ist ein wiedererwachtes Interesse am Denken
Theodor W. Adornos festzustellen, der dabei allerdings allzu häufig
vorschnell zum Kulturpessimisten abgestempelt wird. In ihrer
Lektüre versteht Pola Groß das seltene Lächeln des Philosophen
hingegen als ein versöhnliches und zugewandtes, das die Hoffnung
noch nicht aufgegeben hat, und zeigt auf, dass es Adorno letztlich
doch immer ums Glück geht. Adornos an Horkheimer orientierter
politischer Glücksbegriff fasst individuelles und
gesellschaftliches Glück als stets aufeinander verwiesen – das eine
ist ohne das andere nicht zu haben. Nach den Katastrophen des 20.
Jahrhunderts und der Erfahrung der Shoah, die für Adorno die
Realisierungsmöglichkeiten gesamtgesellschaftlichen Glücks zunichte
gemacht haben, kann ein besseres und gerechteres Leben jedoch nur
noch in der Kunst antizipiert werden. Entgegen dem häufig gegen ihn
erhobenen Vorwurf des Elitarismus zeigen Adornos Ausführungen zu
Zirkus, Feuerwerk, Trickfilm und Kitsch, dass gerade die ›leichten
Künste‹ für ihn die Möglichkeit bieten, in der jähen ästhetischen
Erfahrung sich selbst zu vergessen und so dem Glück ein Stück weit
näherzukommen. Adornos kunstkritische Essays sind dabei auch als
Interventionen in die Debatten seiner Zeit zu verstehen, so
beispielsweise als Kritik an den Diskursen von Schuldabweisung,
»Neuanfang« und Vergessen nach Auschwitz. Die Beschäftigung mit
ihnen kommt somit nicht ohne eine kritische Historisierung aus, wie
sie Adorno selbst zum Beispiel für den Mythos betreibt. Auch seine
Betrachtungen einzelner Kunstwerke verfahren historisch-kritisch
und situieren diese stets in einer Gegenwart, die er mit Benjamin
als von Vergangenem und Zukünftigem durchdrungen auffasst. Erst in
dieser historischen Perspektive erklärt sich, warum die von Chaplin
und in Hašeks »Soldaten Schwejk« angewandten Verfahren der
Ironisierung für Adorno nach Auschwitz obsolet geworden sind und
wie eine ›rettende Kritik‹ dennoch die glücksversprechenden
Potentiale einzelner Werke offenlegen kann. Diese Kritik zielt auch
auf das ›falsche Glück‹, das eine Versöhnung vorgibt, wo keine
möglich ist. Adorno setzt dem das in den Werken Becketts, Helms’
und Celans aufscheinende ›echte Glück‹ entgegen, das sich stets am
aufgehobenen Leid entfalte. Im Anschluss daran stellt sich die
Frage nach der geschichtsphilosophischen Dimension von Adornos
Überlegungen zum Glück: Handelt es sich bei seiner Hinwendung von
politischen zu ästhetischen Fragen um eine Resignation vor der
Geschichte oder eine Rettung der Utopie vor der Vereinnahmung? Und
welche Zugänge und Perspektiven bieten uns Adornos literatur- und
kulturtheoretische Schriften heute? ———————— Die
Literaturwissenschaftlerin Pola Groß ist wissenschaftliche
Mitarbeiterin mit dem Projekt »Stil und Kitsch um 1900« und im
Projekt »Stil. Geschichte und Gegenwart« am ZfL. Sie promovierte
2018 an der Universität Köln mit einer Arbeit zum ›Glück am
Ästhetischen‹ bei Adorno. Der Kulturwissenschaftler Falko Schmieder
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt »Das 20.
Jahrhundert in Grundbegriffen«. www.zfl-berlin.org

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