„Eine globale Unordnung löst die westlich dominierte Weltordnung ab. Haben Friedenspolitik, Entwicklungshilfe und das humanitäre Völkerrecht überhaupt noch eine Chance?“ – mit Peter Maurer und Carolina Frischkopf

„Eine globale Unordnung löst die westlich dominierte Weltordnung ab. Haben Friedenspolitik, Entwicklungshilfe und das humanitäre Völkerrecht überhaupt noch eine Chance?“ – mit Peter Maurer und Carolina Frischkopf

48 Minuten

Beschreibung

vor 10 Monaten

Der frühere Präsident des Internationalen Komitees vom Roten
Kreuz, Peter Maurer widerspricht meiner Behauptung, wir seien „in
einer Welt aufgewachsen, da war sie noch in Ordnung (..) Die
sogenannte internationale Ordnung, (..) hat einfach so nicht
gespielt für ganz viele Leute, aber das wurde nicht zur Kenntnis
genommen.“ Carolina Frischkopf, die designierte Direktorin des
Hilfswerks der evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) stimmt
zu: „Es ist eine Welt in Unordnung, die immer in Unordnung war.
(..) Bis jetzt hatten wir eine klare Ordnung, wer Macht hat, die
Pax Americana. (…Die Amerikaner) haben die Weltordnung so nutzen
können, wie es für sie gestimmt hat.(..) Wir hatten eine von
Amerika dominierte Weltordnung, dort gelang es nicht, die
wirtschaftliche Entwicklung für alle zugänglich zu machen. China
hat das für China geschafft.“

„Was sich geändert hat", gemäss Maurer,  "ist  der
Konsens, darüber, wer sich mit dieser Unordnung beschäftigen soll
und kann. Die Leadership-Funktion der westlichen Welt ist 
in Frage gestellt. (..) Was nicht in Frage gestellt wird, sind
die Zielvorstellungen, die sich Gesellschaften machen bezüglich
Frieden, Respekt von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht.
(..) Was abgelehnt wird, ist eine machtpolitische abgestützte
Interpretation dieser Normen, aber nicht die Normen selbst. Und
das ist ein grosser Unterschied. (..) Wir haben keine Akzeptanz
der machtpolitischen Ordnung. Daher müssen Normen wieder neu
verhandelt werden.“

Für Maurer gibt es ein Entwickungsparadox: „Es hat noch nie in
der Geschichte der Menschheit so viele Leute gegeben, die gesund,
wohlhabend, miteinander verbunden und ausgebildet waren. Und
gleichzeitig hat es noch nie auf der Welt so viele Menschen
gegeben, die ausgeschlossen sind von politischen
Entscheidungsprozessen, die in Armut verharren, die die negativen
Auswirkungen der Globalisierung auf sich vereinigen. Und beides
stimmt. Und das ist eigentlich die Problematik, mit der sich das
internationale System heute beschäftigen muss, (..) das von den
fragilen Kontexten durcheinander gerüttelt wird (..):
Klimawandel, strukturelle Armut, Korruption, Auswirkungen von
Pandemien (..) So haben wir Orte auf der Welt, die praktisch
nicht mehr regierbar sind und die ausserhalb des internationalen
Systems sind. Das internationale System erlebt eine
Delegitimierung, weil sich heute diese Leute auch melden, weil
sie verbunden sind mit der Welt und sagen: Euer Diskurs stimmt
nicht.“

"Es braucht einen fundamental anderen Ansatz, wie wir ein
Hilfesystem aufbauen, das auch den lokalen Begebenheiten Rechnung
tragt“, ", so Maurer weiter. "Dafür brauche es aber  „mehr
als Augenhöhe“, argumentiert Frischkopf, „der Lead für die
Entwicklung muss bei den Ländern selber sein und bei den
Partnern, weil sie am besten wissen, was sie brauchen und was bei
ihnen funktioniert oder nicht. Und das ist im Gegensatz zu dem,
was bei uns Geldgeber oder auch Staaten an Entwicklungspolitik
machen wollen.“ Das bestätigt Maurer: „Ich habe stark gespürt in
den 10 Jahren, wo ich IKRK-Präsident war, wie die Legitimität
westlicher Helferei fundamental in Frage gestellt wurde,(..) weil
man gesehen hat, dass dies die falsche Hilfe ist, die nicht den
Bedürfnissen entspricht.“

Ist es legitim, in der globalen Unordnung mit Gaunern und
Schurken als Partner zu verhandeln? „Das war immer so, das hat
sich nicht geändert“, antwortet Frischkopf, „man hat mit Saddam
Hussein und Gaddafi gut verhandelt, das hat realpolitisch immer
funktioniert“. Und Maurer ergänzt aus seinen Erfahrungen mit
autoritären Regimen: „Wir haben die unangenehme Gewohnheit, sie
als Diktaturen und als korrupte Regierungen (zu bezeichnen), wie
wenn es Korruption bei uns nicht gäbe, wie wenn es autoritäre
Bestrebungen bei uns nicht gäbe. " Dazu Frischkopf: „Ich habe das
in China erlebt und das hat mich sehr beeindruckt (..) Wenn man
mit Chinesen zusammensitzt, sind sie da, um von einem zu lernen.“

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: