Ukraine: Wird die westliche Unterstützung brüchig? – Mit Ralf Fücks und Claudia Major
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vor 1 Jahr
Mit Ralf Fücks, Leiter des Zentrums für Liberale Moderne
und Claudia Major, der Forschungsgruppenleiterin des Bereichs
Sicherheitspolitik der SWP diskutiere ich über die brüchige
Zukunft der westlichen Allianz im Ukrainekrieg.
Ralf Fücks ist von seinem jüngsten Ukrainebesuch
zuversichtlicher zurückgekommen, „sowohl hinsichtlich der
militärischen Situation, wo es im Westen vielfach eine völlig
überzogene Erwartung an Geschwindigkeit und Durchschlagskraft der
ukrainischen Gegenoffensive gibt. (..) Die Stimmung im Land ist
eine Mischung aus Ernüchterung, auch Erschöpfung (..), trotzdem
ist die Kampfbereitschaft und der Wille der Selbstbehauptung
ungebrochen.“ Es stelle sich, so Claudia Major „die Frage, ob die
Ukrainer noch Reserven haben und kommen sie bis zum Asowschen
Meer durch. (..) Für ihren weiteren Erfolg hängen sie von der
westlichen Unterstützung ab.“
Für Ralf Fücks geht es um „unsere ureigenen Interessen, das
ist der Dreh- und Angelpunkt, der bei uns noch nicht richtig
angekommen ist, dass nämlich die Ukraine für die europäische
Sicherheit und für die Zukunft der europäischen Demokratie
kämpft. (..) Der Ausgang dieses Krieges wird eine Weichenstellung
sein für die weitere internationale Entwicklung (..) Wenn der
Westen da versagt, dann kommt noch sehr viel mehr ins Rutschen
als nur die Ukraine“. „Im Endeffekt“, so Claudia Major,
„werden Grundsatzfragen verhandelt: Wie gehen Staaten miteinander
um, und muss man sich an Regeln halten.“.
Es gebe im Westen, so Ralf Fücks „keine Entscheidung bisher,
wie dieser Krieg enden soll. Das ist die strategische
Archillesferse (..), die Allianz hat nicht wirklich
definiert, was unser politisches Ziel ist. Soll die Ukraine
gewinnen oder setzten wir auf eine Erschöpfung beider Seiten, die
dann in einen Waffenstillstand mündet, der möglicherweise dann zu
Verhandlungen führt. (..) Diese Unentschiedenheit“ sei „das
größte Risiko“. Dabei spiele „Russland ganz bewusst auf
Zeit“.
Wie reagiert die Allianz, wenn Putin plötzlich offen für einen
Waffenstillstand wäre? Major: „Das würde die westlichen
Unterstützerstaaten vor eine enorme Zerreißprobe stellen. Ich
kann mir die politischen Stimmen vorstellen, die das begrüssen“.
Russland habe seit 2014 „seine Position nicht verändert. (..)
Solange die Regierung, die Gesellschaft und der Staat zutiefst
militarisiert sind, solange wird es mit einer solchen russischen
Regierung keine Stabilität und keinen glaubwürdig belastbaren
Frieden geben. Dann ist jeder Waffenstillstand lediglich eine
Atempause. (..)Die politische Frage käme ja nach einem
Waffenstillstand erst auf den Tisch“. Ebenso auch die Frage
künftiger Grenzen. „Wenn wir in Europa jetzt anfangen, Grenzen zu
diskutieren, ist das die Büchse der Pandorra schlechthin.
Völkerrechtlich anerkannte Grenzen sind auch friedenspolitisch
eine Errungenschaft und sie sind auch von der Sowjetunion (..)
mehrfach anerkannt worden“. „Für die Ukraine“, so Fücks, „wäre
ein solcher Waffenstillstand fatal. Das Land wäre weiterhin in
einer permanenten militärischen Bedrohungssituation (..und)
wirtschaftlich dramatisch geschwächt.“
Für die Zukunft äußert Claudia Major ihre „grosse
Sorge, dass die westliche Unterstützung langfristig abnimmt,
entweder aufgrund der Wahlen in den USA, aufgrund von
europäischen Wahlen (..) und dass die Ukraine nicht die Hilfe
bekommt, die sie braucht. (..) Die Ukraine wird trotzdem
weiterkämpfen. Es droht generell ein langwieriger, sehr blutiger,
sehr brutaler Konflikt“. Trotzdem schliesst Major etwas
optimistischer: „In den letzten 18 Monaten hat die Ukraine es
geschafft, über die Hälfte der von Russland eroberten Gebiete zu
befreien, weil sie eine enorm beeindruckende Kampfbereitschaft
und einen enormen Mut gezeigt haben, weil die westlichen Länder
(..) über sich hinausgewachsen sind (..) Man kann das auch als
positiven Anreiz sehen und sagen: Es ist möglich.“
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