Zerstört der zunehmende Hass gegen Amts- und Mandatspersonen die Demokratie? - mit Sawsan Chebli und Jörg Müller
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Mit Sawsan Chebli, der ehemaligen Staatssekretärin
im Berliner Senat, und Jörg Müller, Chef des
Verfassungsschutzes von Brandenburg diskutiere über diese
bedrohliche Entwicklung: Gemäß Bundeskriminalamt haben sich
zwischen 2018 und 2021 die Straftaten gegen Amts- und
Mandatspersonen bundesweit mehr als verdreifacht. Jörg Müller hat
eine entsprechende Studie in Brandenburg durchgeführt: „Die
Befunde sind leider so, wie wir es erwartet haben, sehr
alarmierend.“
„Wir haben“, so Müller „eine breite Radikalisierung auch in der
Sprache. (..) Früher war man der Gegner in der politischen
Debatte, heute ist man gleich der Feind.“ Man habe über lange
Zeit wahrnehmen können, dass „immer zunächst die Verrohung der
Sprache kommt und dann meistens Taten folgen.“ Die Taten folgten:
„Wir hatten die Attentate von Halle und Hanau, wir hatten den
Mord an Walter Lübke.“
Dazu Sawsan Chebli: „Ich habe da auch viele Morddrohungen
bekommen. (..) Ich hatte nicht das Gefühl, dass Facebook mich
schützt, dass der Hass gelöscht wird. (..) Vor allem weiss ich,
dass es für meine Familie noch schlimmer ist als für mich (..)
Die Betroffenen lernen, damit umzugehen (..) Aber die Menschen um
einen herum, die belastet das teilweise viel, viel stärker“. Da
habe sie sich „gefragt, lohnt sich das alles, ich bin dann zu dem
Schluss gekommen, ja es lohnt sich, ich möchte nicht schweigen,
ich möchte nicht kapitulieren. (..) Mein Wunsch wäre es, dass das
Thema raus aus der Nische kommt, dass alle kapieren, was es
bedeutet, was dieser Hass mit uns als Gesellschaft
tut“.
Was Müller am schlimmsten findet „ist, dass wir diese Fähigkeit
zum Diskurs verlieren, (..) die Fähigkeit, sich auch mal zu
streiten. Und am Ende einen Konsens zu erzielen.“ Das führe, so
Müller, zum „Problem, dass es heute immer schwieriger ist,
jemanden zu finden, der sich überhaupt noch ehrenamtlich
engagieren möchte, (..) vor allem auf der kommunalen Ebene. (..)
Das heisst, wir haben eine immer weniger breite Aufstellung der
Demokratie. (..) Auf den Markt kommen natürlich andere, (.. von
der) AfD, die sich selbst als Opfer geriert haben, (..) die
wollen diese Lücken ja füllen.“ Deren Ziel sei es, „die Meinung
zu beeinflussen, Sie rauszukriegen, Sie rauszubekommen aus der
Diskussion und Sie nicht mehr wahrnehmbar zu machen, das wäre der
größte Verlust.“
„Die Social Media wirken wie ein Brandbeschleuniger “ so Chebli.
- „Wir haben es im Bereich Social Media nicht geschafft“, führt
Müller fort, „eine eigene Ethik, eine eigene Moral in den
sozialen Netzwerken zu entwickeln“. (..) „Wir müssen aus der
Anonymität raus.“ (..) Wir müssen ja nicht zusehen, dass die
grossen Konzerne viel Geld verdienen, aber nicht helfen bei der
Durchsetzung der Regeln.(..) Wir brauchen Kennzeichnungspflicht.
Und wir müssen die grossen Anbieter dazu zwingen, (..) dass wir
die Identifizierungsmöglichkeit schaffen.“ So argumentiert auch
Chebli: „Wir haben es verschlafen in den letzten Jahren,
Antworten zu finden auf diese gigantische Macht der US-Netzwerke“
mit ihren Algorithmen, die bewirken, „dass Hass nach oben
getrieben wird“. Das sei das Geschäftsmodell von Facebook, was
die Whistleblowerin Frances Haugen nachgewiesen habe.
Jörg Müller berichtet von einer Podiumsdiskussion, wo ein
Programmierer aus China gesagt habe: „‚Warum habe ich eigentlich
keinen Auftrag, Moral zu programmieren. Ich könnte das. Ich
müsste der Moral und hohen ethischen Werten höhere Punktwerte
geben. Ich gebe aber Hass und Gewalt höhere Punktwerte.‘ Wenn wir
das wissen, müssen wir die grossen Konzerne einfach dazu zwingen.
(..) Der Anbietungsort muss entscheiden, welche Regeln gelten“.
Chebli sieht dafür Möglichkeiten im Netzwerkdurchsetzungsgesetz:
„Wir können das zurückholen mit einer Politik, die verstanden
hat, dass sie reagieren muss und dann auch etwas dafür tut, dass
ihre Gesetze dann durchgesetzt werden“, denn: „Die Zukunft
unserer Demokratie wird im Internet verhandelt“.
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