„Kann nach Jahrzehnten von Krieg und Gewalt im Irak und in Algerien ein Weg zu innerer Stabilität und nationaler Verständigung gefunden werden.?“ – Mit Isabelle Werenfels und Daniel Gerlach
52 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Mit Isabelle Werenfels, der Nordafrikaspezialistin der Stiftung
Wissenschaft und Politik in Berlin, und Daniel Gerlach, dem
Buchautor, Orientalisten und Filmproduzenten, diskutiere ich über
beide Staaten in ihrer heutigen politischen Lage. Der Vergleich
bietet sich – trotz geographischer Distanz – durch eine Reihe von
Parallelen an: Beide sind mit einer Bevölkerung von je 43
Millionen gleich gross. Beide waren in den letzten Jahrzehnten
Opfer von politischer Gewalt: Kriege, Bürgerkriege, Repression
und Terrorismus haben in beiden Ländern wohl je über eine Million
Todesopfer gefordert und haben damit die Gesellschaft zerrüttet:
In Algerien durch den Unabhängigkeitskrieg 1954-62 und den
Bürgerkrieg 1992-2002 - im Irak durch Saddams Angriffskrieg gegen
den Iran, seine Repression gegen die Kurden und Schiiten, die
verheerenden Folgen des UNO-Programms Oil for Food, durch den
US-Angriffskrieg 2003 und den Terrorismus des IS-Staates
2014-2017. Dabei wurden beide Staaten durch den islamistischen
Terror existentiell gefährdet: Algerien im Bürgerkrieg durch die
islamistische „Front islamique du Salut“ (FIS), der Irak durch
den „Islamischen Staat“, der erst 2017 von einer breiten
nationalen Allianz mit amerikanischer und iranischer
Unterstützung besiegt werden konnte.
In beiden Staaten stützt sich die staatliche Macht auf die
Streitkräfte, auf die Armee in Algerien, auf die Milizen im
Irak. Entscheidend sind aber die grossen Öl- und Gaseinnahmen,
die es der Regierung, erlauben, Legitimation zu „kaufen“ und die
Bevölkerung in direkter Abhängigkeit vom Staat zu halten. Gegen
diese Machtausübung mobilisierte sich 2019 in beiden Staaten eine
breite zivilgesellschaftliche Protestbewegung: In Algerien
stoppte die Hirak-Bewegung die fünfte Präsidentschaft des greisen
Bouteflika. Im Irak richtete sich die breite
Tishreen-Mobilisierung gegen die ganze politische Klasse und ihre
Korruption und überschritt damit die religiös und ethnisch
bestimmten Grenzlinien der irakischen Politik. Trotzdem erreichte
die „Strasse“ dadurch keine grundlegenden Reformen. In Algerien
behaupten sich die Machtstrukturen von Armee und Bürokratie,
kooptierten die Opponenten ins System und schwächten die
zivilgesellschaftlichen Kräfte. Im Irak setzt sich die
Auseinandersetzung zumindest in einem einigermaßen demokratischen
aber nach wie vor fragilen System fort.
Die Iraker sind heute, auch in der Folge des russischen
Angriffskriegs, darum bemüht, die ausländische Einmischung
abzuwehren. Das sei aber nur möglich, so Daniel Gerlach, „wenn
sie ihre gesellschaftlichen Konflikte überwinden
können, dann sind sie auch wieder in der Lage, Souveränität zu
erlangen. (..) Viele Iraker fühlen sich so, als wären sie
eigentlich noch ein besetztes Land“. Algerien hingegen, so
Isabelle Werenfels, knüpfe nach der internationalen Isolation der
letzten Jahre an seine Tradition der blockfreien Nähe zur
Sowjetunion an, versuche heute, international wieder „ein Player
zu sein“ und verfolge seine blockfreie Haltung mit einem Antrag,
„den BRIC-Staaten“ (Brasilien, Russland, Indien, China)
beizutreten. „Gleichzeitig war dieser Krieg für die Algerier auch
ein Erwachen“ bezüglich der Qualität russischer Waffen, die den
Hauptteil der algerischen Rüstung ausmache. Sie wollen „ihre
Unabhängigkeit stärken, in dem sie in alle Richtungen spielen,
aber immer“ mit der Ansage „wir schwimmen gegen den westlichen
Strom“. Trotzdem habe sie, „in keinem Land, wo ich gewesen bin,
so viele Sympathien für Russland erlebt, wie in Algerien (..)
Gleichzeitig wollen alle nach Frankreich“.
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