Opfern wir die Menschenrechte wirtschaftlichen und politischen Interessen? - mit Wenzel Michalski, Human Rights Watch, und MdB Derya Türk-Nachbaur
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vor 1 Jahr
Über die Menschenrechte in Politik und Wirtschaft diskutiere ich
mit der Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur und Wenzel
Michalski, dem Deutschlanddirektor von Human Rights Watch.
Gefragt, ob er mit seiner Arbeit etwas bewirke, sagt Michalski:
“ich denke schon, die Tatsache, dass Menschenrechte in der
öffentlichen Debatte in den letzten Monaten so im Vordergrund
stehen (ist) bei allen negativen Entwicklungen eine positive
Facette, (weil) Menschenrechte doch ernster genommen werden in
Wirtschaft, in Politik, in Gesellschaft.” Bei Unternehmern gebe
es “in weiten Teilen ein Umdenken, nicht so bei den ganz grossen,
BASF, VW oder auch Siemens, die vor allem jetzt noch mal richtig
viel Geld in China verdienen wollen und dabei auf die
Menschenrechte pfeifen”. Er höre aber auch “positive Signale, wie
zB vom Bundesverband der deutschen Industrie”.
Die Frage, ob die Fortschritte im öffentlichen und politischen
Bewusstsein für die Menschenrechte reversibel seien, verneint
Türk-Nachbaur: “Wer einmal MR genossen und geschmeckt hat, gibt
sie nicht freiwillig wieder her. Die Wachsamkeit der ganzen
globalen Gesellschaft, ist doch so, dass man auf Menschenrechte
pocht,” dabei “sind es die Frauen, die sich organisieren und
Widerstand leisten.”
Sind wir für die Energieversorgung nicht abhängig von
menschenrechtlich dubiosen Staaten, wenn Wirtschaftsminister
Habeck in den Golf oder BK Scholz nach Saudi-Arabien reist?. “Da
muss ich schon sagen”, so Michalski, “dass dort die MR
leichtfertig unter den Tisch gekehrt worden ist, (..) Wir sehen
ja, was passiert, wenn wir das tun. Wir haben das jahrelang mit
Russland gemacht, jahrelang hat man weggeschaut”. Dagegen wendet
Türk Nachbaur ein: “Wir sind weltweit vernetzt und Deutschland
agiert nicht in einem Vakuum (..) Wir können uns unsere
Handelspartner nicht immer aussuchen und manchmal muss man diese
Kröte schlucken, (..) um kurze Überbrückungen in der
Energieversorgung zu gewährleisten”.
Zum Lieferkettengesetz meint Michalski: “ich glaube es hat
eingeschränkte Wirkung”, heute “ist es zu schwach, einzelne
Firmen können nicht zur Verantwortung gezogen werden von den
Opfern” und “die Bundesregierung kämpft jetzt gerade” gegen eine
Verschärfung. Nach den Erfahrungen mit Russland stellt sich die
Menschenrechts- frage besonders gegenüber China im Falle eines
Angriffs auf Taiwan, dazu verlangt Türk-Nachbaur, “dass man jetzt
schon die Sachen auf die Schiene bringt, um die Unabhängigkeit zu
fördern, (das gehe) aber nicht von jetzt auf gleich”. Und
Michalski wendet ein: “Aber wir wollen ja verhindern, dass der
GAU passiert, deswegen müssen wir die Menschenrechte von Anfang
an noch ernster nehmen.”
Was für Michalski aus menschenrechtlicher Sicht vielleicht
“effektiver ist (..), ist die internationale
Strafgerichtsbarkeit.(..) Wir haben in Deutschland ein
wunderbares Mittel, nämlich das Weltrechtsprinzip, das
Völkerstrafrecht, das bedeutet, dass ich einen (..) Folterer,
einen General oder einen Staatsmann festnehmen kann, wenn er in
Deutschland ist, der woanders eine Straftat begangen hat, und vor
ein deutsches Gericht gestellt wird”.
Die Frage, ob Menschenrechte global mehr als früher akzeptiert
werden, bejahen beide Gesprächspartner. Die Behauptung, es handle
sich eine westliche Erfindung , sei nur eine Rechtfertigung der
Repression autoritärer Regime. Und beide sind für die Zukunft
optimistisch - Michalski: “Was wir jetzt sehen, ist eine Reaktion
auf die Macht der Menschenrechtsbewegung, (..) in Russland,
in Ägypten, in China” geht es um den “Aufstand der alten Männer,
die mit dem Rücken zur Wand stehen und danach kommt etwas
besseres”. Auch Türk Nachbauer ist sehr optimistisch, “es ist das
letzte Aufbäumen einer verzweifelten Elite, die jahrelang Macht
missbraucht hat und die Revolution wird sich nicht aufhalten
lassen”.
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