Führt der Ukrainekrieg zu einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur? - mit Jana Puglierin und Roderich Kiesewetter
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vor 1 Jahr
Mit Jana Puglierin, der Leiterin des Berliner Büros des European
Council on Foreign Relations, und Roderich Kiesewetter, Mitglied
des Bundestages und früherer Generalstabsoberst der Bundeswehr,
diskutiere ich über die europäische Sicherheitspolitik nach dem
24. Februar.
Beide Gesprächspartner begründen, warum für sie der russische
Überfall keine Überraschung war. Die in Berlin verkündete
Zeitenwende habe, so Kiesewetter, für Estland schon 2007
stattgefunden und „was mich dann 2014 politisch so entsetzt
hat, war unsere deutsche Antwort auf (..) die Besetzung der
Krim: Northstream II (..) Unsere Politik war sehr stark
wirtschaftsgetrieben, Wandel durch Handel“. Dagegen sei der 24.
Februar „ein heilsamer Schock“ gewesen.
Auf die Frage, ob dieser Schock dazu führen kann, Osteuropa
aktiver in die Sicherheitspolitik einzubeziehen, antwortet
Kiesewetter, es herrsche „in Deutschland (..) eine Art
Russlandromantik“, andere Prioritäten hätten verhindert, „die
Sicherheitswahrnehmung der Osteuropäer zu verstehen“. In der
europäischen Antwort auf den Krieg zeige sich, so Puglierin, dass
sich „aus Mittel- und Osteuropa (..) ein neues
Gravitationszentrum gebildet hat, (..) aus Polen, aus Tschechien
und den baltischen Staaten, auch unterstützt von Finnland,
Schweden und Dänemark“, die in einer harten Haltung gegenüber
Russland „immer viel mehr wollten“ bei „ganz viel Blockade,
Zögern und Abmildern von Deutschland und Frankreich (..) Aber
dennoch hat die EU ganz erstaunlich geschlossen reagiert und hat
eine Angleichung der Bedrohungswahrnehmung vorgenommen“, vor
allem in der Sanktionspolitik und in der gemeinsamen Finanzierung
von Waffenlieferungen an die Ukraine.
Auf die Frage, ob für eine andäquate Sicherheitsarchitektur die
europäische Integration insbesondere durch Mehrheitsentscheide in
der EU vertieft werden könnte, sagt Puglierin, dass es „schon
immer grosse Resentiments gerade in Mittel- und Osteuropa
gegenüber einer Vergemeinschaftung der Sicherheits und
Verteidigungspolitik“ gegeben habe. "Ich sehe die EU in Zukunft
viel mehr im Bereich Krisenmanagement gefordert, als im Bereich
der Verteidigungspolitik“.
Für Puglierin kann Europäische Sicherheit „auf absehbare Zeit
nicht mit Russland gestaltet werden.“ Aber heute sei noch zu viel
im Fluss, deshalb „ist es zu früh, heute schon mit fertigen
Lösungen, Modellen zu kommen.(..) Es geht jetzt darum, dass
dieser Krieg so endet, dass Russland nicht gestärkt daraus
hervorgeht. (..) Es geht jetzt um Krisenmanagement.“
Ist es möglich, die heutige Sicherheitspolitik gegen Moskau
einmal in eine Sicherheit mit Moskau zu überführen ? „Es sind ja
viele Signale gesetzt worden mit der Reisediplomatie vor dem
Krieg“, so Kiesewetter, und danach „mit einer Reihe von
Angeboten“, dann aber seien die russischen Kriegsverbrechen
gekommen und „die Signale aus Russland, dass Moskau noch keinen
Wert auf Verhandlungen legt“.
Für die Zukunft hält Puglierin es „für ganz wichtig, dass wir als
Europäer die gemeinsame Sicht auf Russland beibehalten“, dabei
dürfen wir „nicht wieder den Fehler machen“, das
Sicherheitsinteresse von Mittel- und Osteuropa „zu ignorieren.
(..) Wir brauchen eine europäisch abgestimmte Russlandpolitik“.
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