„Hass im Netz - Was können wir tun?“ - mit Renate Künast und Hasnain Kazim.
54 Minuten
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Über die Frage, was man gegen Hass und Aggression in
sozialen Netzwerken tun kann, diskutiere ich mit Renate
Künast, Mitglied des deutschen Bundestages und frühere
Bundesministerin, und dem deutschen Publizisten Hasnain
Kazim.
Hasnain Kazim schrieb zum Thema ein Buch ("Post von Karlheinz"
und erhielt schon als 16-jähriger die ersten Hassbriefe. Seit dem
Ratschlag seiner Lehrerin „Lass dich nicht einschüchtern“, sagt
er sich: „ich lasse die nicht gewinnen, ich halte nicht meinen
Mund“. Für Renate Künast gilt seit ihrer Erfahrung als
Sozialarbeiterin im Berliner Männerknast das Judoprinzip, die
aggressive Energie auszunützen, um sie zurückzugeben. Soll man
die Täter mit Respekt behandeln? Gegen Trump und seine Anhänger
hatte Michelle Obama gesagt: „When they go low, we go high“.
Künast erzählt, wie sie im Bundestag mit ihrem Zwischenruf
SPD-Kollegen zurechtgewiesen hat, die vom „Mob“ und „Pack“ der
Rechtspopulisten sprachen: „So etwas sagt man nicht !“, denn
diese sind danach mit der Losung: „Wir sind das Pack“ auf die
Strasse gegangen. Kazim geht weiter in seinen manchmal auch
zynischen Reaktionen, in dem er - was er als Marineoffizier
gelernt habe - eine „Zielgruppen-gerechte Ansprache“ wähle, sonst
finde ja gar keine Diskussion mit diesen Mitbürgern mehr
statt.
Warum haben die Agressionen im Netz zugenommen? Sind es
die technischen Möglichkeiten im Netz oder liegt es an einer
zunehmenden Spaltung der Gesellschaft? Künast hält nichts
von der Spaltungstheorie. „Als ich jung war, das war eine
gespaltene Gesellschaft“, weil die Frauen viel weniger Rechte
hatten. Es liesse sich nachweisen, dass alle diese Einstellungen
- Rassismus, Homophobie, Islamophobie Frauenfeindlichkeit und
Antisemitismus - früher in der Gesellschaft genauso, wenn nicht
noch stärker vorhanden waren. Aber heute haben solche
Einstellungen mit den sozialen Medien und der AfD einen
Lautsprecher. Dem stimmt auch Kazim zu, „was aber schlechter
geworden ist, ist, dass wir heute weltweit Leute an der Spitze
von Regierungen haben, Staatschefs, die so reden, Trump,
Bolsonaro, Erdogan, le Pen oder Modi“ die zur Reaktion führen:
„Wenn die das dürfen, dann darf ich das auch. Es ist in Ordnung
so hassvoll zu reden.“
Haben Gerichtsklagen eine Chance? Kazim hat das oft
versucht, „meistens hat es nichts gebracht. Und wo überhaupt
ermittelt wurde, wurden die Verfahren in den meisten Fällen
eingestellt.“ Künast hat „massenhaft Verfahren“ angestrengt,
„jede Menge die ins Nichts führten“. Doch als das Landgericht
Berlin im September 2019, die Beschimpfung der Politikerin
als „Drecksfotze“ nicht verurteilen wollte, weil dieser Angriff
in einem Sachzusammenhang mit dem politischen Kontext gestanden
hätte, zog sie den Fall an das Bundesverfassungsgericht weiter
und gewann. Dieses Urteil - „eine Sensation“ so die
Organisation „Hateaid“ - stellte vor allem zwei Dinge klar:
Erstens die besondere Wirkung des Digitalen, weil etwas in der
Masse komme und reproduzierbar sei, und zweitens den Vorrang des
öffentlichen Interesses, dass die Persönlichkeitsrechte von
Menschen, die sich in öffentlichen Ämtern engagieren, besonders
geschützt werden müssen. Das wird die Referenz für künftige
Gerichtsentscheide. Künast erwartet deshalb, dass das Landgericht
Berlin von Facebook die Herausgabe der Nutzerdaten verfügen wird,
was dann eine Zivilklage ermöglicht.
Das Netz ist kein rechtsfreier Raum, es ist aber angesichts der
rasanten Entwicklung der Technik viel zu oft ein
rechtsdurchsetzungsfreier Raum. Fortschritte sind nicht möglich,
wenn die Rechtsmittel auch international mit der Entwicklung
nicht mithalten. „Die Zukunft der Demokratie wird im Netz
entschieden“, so Renate Künast.
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