Kann die EU in ihrer Geschlossenheit gegen Putins Krieg die Integration vertiefen und in Polen und Ungarn den Rechtsstaat durchsetzen? - mit Katarina Barley und Fryderyk Zoll
49 Minuten
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vor 2 Jahren
Der Ukrainekrieg bringt neue Bewegung in die Frage des
Rechtsstaats im Verhältnis von Brüssel zu Polen und Ungarn.
Ebenso bietet er neue Chancen für die Vertiefung der Integration.
Darüber diskutiere ich mit der Vizepräsidentin des Europäischen
Parlaments und früheren Bundesjustizministerin Katarina
Barley und dem polnischen Professor Fryderyk Zoll, der
in Krakau und Osnabrück europäisches Recht lehrt.
Mit dem Vorwurf der westlichen Bevormundung und dem Hinweis auf
die kommunistische Erbschaft stellen die Regierungen in Warschau
und Budapest den Vorrang des EU-Rechtes und des europäischen
Gerichtshofs in Frage. Dagegen argumentiert Frydryk Zoll: „Diese
Argumentation ist falsch.(..) Es gibt keine anderen Instrumente,
die in Polen anzuwenden sind (..), kein anderes
Rechtsstaatsverständnis“, zumal viele Polen für den Rechtsstaat
und die Unabhängigkeit der Justiz auf die Strassen gegangen
seien. Barley findet den Rückgriff auf den Kommunismus zur
Rechtfertigung der offiziellen Positionen „schon fast drollig“,
weil sich die PIS und die Fidesz „genauso verhalten wie die
kommunistischen Parteien früher“; zur Durchsetzung der Prinzipien
des Rechtsstaates habe Brüssel vor allem das Mittel der
Vertragsverletzungsverfahrens in der Hand, „aber der ganze Umgang
mit Rechtsstaatlichkeit von Seiten dieser Kommission ist
ausgesprochen halbherzig.“
Viel gravierender als in Polen sei die Situation in Ungarn.
„Auf legalem Wege ist es überhaupt nicht mehr möglich, Viktor
Urban von der Macht zu verdrängen“, argumentiert Barley, „die
Korruption in Ungarn ist himmelschreiend, himmelschreiend
(..) Viktor Orban ist fest im Sattel und das einzige, was ihn
schmerzt, ist, wenn weniger Geld in seine Taschen fliesst“. Hier
kann die Kommission den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus
einsetzen, mit dem man am Ende dem Land EU-Gelder vorenthalten
kann. Aber was die Kommission tatsächlich tut, sei „ein Werfen
mit Wattebäuschchen“. - Frydryk Zoll ist für Polen etwas
optimistischer, weil sein Land angesichts des Krieges und seiner
grossen Solidarität mit der Ukraine dringend auf finanzielle
Hilfe aus Brüssel angewiesen sei.
Ist der Krieg eine Chance für die Vertiefung der Europäischen
Integration?„Ja“, antwortet Barley, mit dem Zitat von Jean
Monnet: „Europa wird aus Krisen gebaut“, „wir sehen bei jeder
Krise der Europäischen Union, dass sie zur Vertiefung führt, in
der Finanzkrise mit der Bankenunion (..), wir haben das bei
Corona gesehen, wo wir auf einmal eine Gesundheitsunion bekommen
haben, und wir sehen es jetzt, in Bereichen der Verteidigung
(..). Dass innerhalb von drei Tagen die EU entscheidet,
selbständig Waffen zu kaufen, wer hätte das gedacht“.
Bei aller Unsicherheit der aktuellen Lage und trotz der
„Pseudo-Anwendung der polnischen Verfassung“, die „die rechtliche
Kontinuität des Staates unterbrochen“ hat, „ändert der Krieg
etwas in der Zusammensetzung der polnischen Gesellschaft“, Zoll
argumentiert weiter, dass die Kluft, „dass man nicht mehr mit
einander sprechen konnte“, überwunden wurde, und „dass Brücken
entstehen und man auf dieser Grundlage über andere Themen
sprechen kann“. Heute sei „klar geworden ist, dass Polen ohne
Europa eine gleiche Grauzone wie die Ukraine“ gegenüber der
russischen Bedrohung würde. - Erfreulich ist auch Slowenien, wo
im April „der kleine Bruder von Viktor Orban, Janez Jansa“
fulminant mit einem riesigen Ergebnis aus dem Amt gewählt worden
ist. „Es macht mich wirklich froh, dass ein Volk das erkennt und
danach handelt“ (Katarina Barley).
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