Warum stresst uns Weihnachten so, Eva-Maria Seibel?

Warum stresst uns Weihnachten so, Eva-Maria Seibel?

"Ende November, Anfang Dezember gibt es häufig einen Ansturm auf psychotherapeutische Praxen", sagt Eva-Maria Seibel. Sie arbeitet als Diplom-Psychologin, systemische Therapeutin und Familientherapeutin in Berlin. Dass sich jetzt mehr Menschen bei Therape
36 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
"Ende November, Anfang Dezember gibt es häufig einen Ansturm auf
psychotherapeutische Praxen", sagt Eva-Maria Seibel. Sie arbeitet
als Diplom-Psychologin, systemische Therapeutin und
Familientherapeutin in Berlin. Dass sich jetzt mehr Menschen bei
Therapeuten melden, hätte sicher auch mit dem Winter zu tun,
erzählt sie im ZEIT-ONLINE-Podcast Frisch an die Arbeit. Die
Dunkelheit und der anstehende Rückblick auf das Jahr wirkten zudem
belastend. Die Pandemie verstärke dieses Jahresendgefühl noch.
Seibel, 42, stammt aus dem Pfälzerwald und lebt seit 2005 in
Berlin. Ehe sie sich als Therapeutin selbstständig machte,
arbeitete sie als Psychologin in der Marktforschung und in der
Werbestrategie. "In das Bild der schrulligen Therapeutin will ich
reinwachsen", sagt sie im Podcast. In ihrer Praxis seien
Familientreffen wie an Weihnachten zum Jahresende ein Thema. Die
Beziehung zu den Eltern sei immer eine besondere und manchmal eben
auch besonders anstrengend: "Man fährt zur Familie und zwei Tage
lang ist es schön – dann kippt man in alte Muster", erklärt Seibel.
Man fühle sich wieder als Kind oder rebellischer Teenager und auch
die Eltern verhielten sich dementsprechend: "Das sind ganz übliche
Abgrenzungsprobleme, die an Weihnachten, aber auch zu anderen
Familienanlässen auftreten." Es seien viele junge Menschen, die
sich bei ihr meldeten. "Sie sind Anfang 20 und wollen sich schon in
jungem Alter mit sich selbst auseinandersetzen", sagt Seibel.
Ältere Menschen würden seltener ihre Hilfe in Anspruch nehmen: "Sie
haben ganz andere Durchhaltestrategien, gerade die, die in der
Kriegs- und Nachkriegszeit sozialisiert wurden." Gefühle
runterzuschlucken und wegzudrücken seien Überlebensstrategien. Doch
die könnten mit zunehmendem Alter auch stören. Für sie als
systemische Therapeutin sei wichtig, dass die Menschen, mit denen
sie arbeitet, keine Patienten sind – sondern Klienten. Der Mensch
werde nicht als krank angesehen. Die Symptome seien Ausdruck eines
Problems im System. "Wir schauen: Welche Funktion haben Symptome
und Konflikte im System?", sagt Seibel. Wenn man zum Beispiel
Sorgen wegen Weihnachten habe, müsse man das gesamte Wertesystem
der Familie betrachten: "Was wird in der Familie etwa zum Thema
Familienzusammenhalt propagiert, was zum Thema Harmonie? Und wie
will man sich davon abgrenzen, sanft oder klar?" Dann müsse man
betrachten, was die betreffende Person erreichen will und welche
Muster sie abhalten. "Oft hilft, wenn man sich fragt: Was müsste
passieren, dass es an Weihnachten so richtig fetzt?", sagt Seibel.
Um danach herauszufinden: "Wie kann man dieses Muster unterbrechen
und was anderes ausprobieren?" Wichtig sei ihr dabei, dass die
Klientinnen und Klienten eigenverantwortlich bleiben. "Ich habe ein
sehr großes Vertrauen in die Personen und deren Ressourcen", sagt
Seibel. "Ganz viel Lösungspotenzial steckt in den Menschen drin.
Man muss das manchmal nur ein bisschen reaktivieren." [ANZEIGE]
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