"Ist ein Richter mit Kippa zumutbar?" Das heilig.Berlin "Gespräch zur Zeit" vom 12. November 2018.
Podiumsgespräch mit Dalia Grinfeld, Neval Parlak, Dr. Alexander
Bischkopf, Dr. Thomas M. Schimmel, Astrid Ehrenhauser (Moderation)
1 Stunde 42 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 6 Jahren
„Ich habe Religion nie als etwas verstanden, was mir Regeln und
Normen vorschreibt, sondern als etwas, was richtungsweisend in
meinem Leben ist“. Das sagte Neval Parlak beim „Gespräch zur Zeit
zu dem heilig.Berlin am 12. November 2018 in das Auditorium des
„Jakob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums“ eingeladen hatte. Im Mittelpunkt
der Diskussion stand die Frage: „Wie religiös soll Deutschland
morgen sein?“ Neval Parlak, Sozialwissenschaftsstudentin und
Muslima, führte weiter aus: „Wer bin, was mache ich, wer will ich
sein? Da hat mir meine Religion die Antworten gegeben.“ Die
Religion habe sie motiviert, sich mit ihren Werten in der
Gesellschaft zu engagieren. So ist Neval Parlak Vorstandsmitglied
in der Initiative „Juma – jung, muslimisch, aktiv“. Dr. Alexander
Bischkopf, Weltanschauungsreferent des „Humanistischen Verbands“,
betonte seine nichtreligiöse Haltung. „Für mich ist Religion eher
wie ein Bild, das sich Menschen entwickeln, weil sie Dinge zu
erklären versuchen, die sie nicht erklären können.“ Als Humanist
vertrete er ein weltliches Menschenbild ohne göttlichen Anteil.
Dass ihre Religion ein Privileg sei, bekannte Dalia Grinfeld,
Präsidentin der „Jüdischen Studierendenunion Deutschlands“. Ihre
Familie habe im Holocaust und unter Pogromen im russischen
Zarenreich gelitten. „Weil meinen Großeltern das verboten war, ist
die Identität sehr stark: Wir sind jüdisch. Wir sind stolz darauf.“
An der jüdischen Religion gebe es ein großes Interesse. Doch viele
würden sich auch nicht trauen nachzufragen, was ihre Religion
bedeute. Trotz allem sei es in Deutschland alles andere als normal,
jüdisch zu sein. Dalia Grinfeld sagt: „In meinem gesamten
Freundeskreis kenne ich niemanden, der mit der Kippa auf die Straße
geht, ohne eine Mütze darüber zu tragen.“ Von Diskriminierung und
Alltagsrassismus berichtete auch Neval Parlak. Ein Erlebnis zum
Beginn ihres Studiums habe sie geprägt. In einer Vorlesung habe ihr
Professor über Nietzsches Aussage „Gott ist tot“ gesprochen.
Daraufhin habe er eingeworfen: „Wenn man einem Muslim sagt, ‚Allah
ist tot‘, dann ist man schnell selbst tot.“ Damit habe der
Professor alle Muslime pauschal mit Terroristen gleichgesetzt. „Das
ist Rassismus“, stellte Neval Parlak klar. Sie habe den Hörsaal
aber nicht aus Protest verlassen. „Ich habe gemerkt, dass Dialog
der Schlüssel ist.“ Für Dr. Thomas Schimmel, für viele Jahre
federführend im interreligiösen Dialog des Erzbistums Berlin, sei
es bereichernd, wenn Synagogen, Kirchen, Moscheen und Tempel im
Straßenbild sichtbar sind. „Man wird daran erinnert, dass es noch
etwas Anderes gibt als die Kaufhäuser und die Einkaufsmalls“, so
Thomas Schimmel. Doch wie weit sollen religiöse Symbole im
staatlichen Bereich sichtbar sein? „Ich finde nicht, dass in
Schulen Kreuze hängen sollen“, stellte er als Katholik klar. Und im
Gerichtssaal? Auch dort solle ein Richter seine Religiosität unter
der Robe verbergen. Diese Forderung sei für religiöse Menschen aber
„super schwierig“ zu erfüllen, warf Dalia Grinfeld ein. Ein
Parteiabzeichen könnte man kurzerhand ablegen. Ein religiöses
Symbol aber nicht. „Es ist nach dem Glauben eine Pflicht“,
unterstrich die jüdische Politikwissenschaftlerin. Religiöse
Menschen würden damit von bestimmten Ämtern ausgeschlossen.
Alexander Bischkopf entgegnete aus humanistischer Sicht: „In einer
pluralen Gesellschaft wird es immer wichtiger, dass wir den Staat
religionsfrei halten. Es gibt auch eine negative Religionsfreiheit,
da Sie auch das Recht haben, nicht mit Religion in Kontakt kommen
zu müssen.“ Nach Ansicht von Neval Parlak würde in diesem Fall die
Gesellschaft unzulässig über religiöse Menschen herrsche: „Menschen
mit Kopftuch können eben als Putzfrauen in der Schule arbeiten,
aber sie können nicht unterrichten. Da muss sich der Staat einfach
ganz offen die Frage stellen: „Gehören sie dazu oder nicht. Auch in
einer staatlichen Institution sollten Lehrerinnen mit Kopftuch
willkommen sein“, forderte die junge Muslima. Den Podiumsgästen und
den zahlreichen Besuchern im Publikum gelang es trotz einer fairen
und offenen Diskussion nicht, in dieser Frage einen Konsens zu
finden. Heilig.berlin wird diese Frage weiter bearbeiten,
Positionen wahrnehmen und zur Meinungsbildung beitragen. Online
oder im Podcasplayer anhören Das „Gespräch zur Zeit“ bildet einen
lebendigen Diskurs ab, der unsere Gesellschaft heute und morgen
beschäftigt. Welchen gemeinsamen Rahmen die diversen Stimmen in
diesem Punkt bilden, bleibt eine spannende Frage. Die Diskussion
kann aus diesem Grund auf der Website heilig.berlin/gespraech/ oder
als Folge 18 in der Podcastreihe "heilig.Berlin Podcast" nachgehört
werden. Beteiligte Dalia Grinfeld, JSUD – Jüdische
Studierendenunion Deutschland Neval Parlak, JUMA – jung,
muslimisch, aktiv Dr. Alexander Bischkopf, Humanistischer Verband
Deutschlands (HVD) Dr. Thomas M. Schimmel, 1219. Religionsdialog
Astrid Ehrenhauser (Moderation) Dietmar Päschel, heilig.Berlin
(Einführung) Fotos: Stephan Hartmann
Normen vorschreibt, sondern als etwas, was richtungsweisend in
meinem Leben ist“. Das sagte Neval Parlak beim „Gespräch zur Zeit
zu dem heilig.Berlin am 12. November 2018 in das Auditorium des
„Jakob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums“ eingeladen hatte. Im Mittelpunkt
der Diskussion stand die Frage: „Wie religiös soll Deutschland
morgen sein?“ Neval Parlak, Sozialwissenschaftsstudentin und
Muslima, führte weiter aus: „Wer bin, was mache ich, wer will ich
sein? Da hat mir meine Religion die Antworten gegeben.“ Die
Religion habe sie motiviert, sich mit ihren Werten in der
Gesellschaft zu engagieren. So ist Neval Parlak Vorstandsmitglied
in der Initiative „Juma – jung, muslimisch, aktiv“. Dr. Alexander
Bischkopf, Weltanschauungsreferent des „Humanistischen Verbands“,
betonte seine nichtreligiöse Haltung. „Für mich ist Religion eher
wie ein Bild, das sich Menschen entwickeln, weil sie Dinge zu
erklären versuchen, die sie nicht erklären können.“ Als Humanist
vertrete er ein weltliches Menschenbild ohne göttlichen Anteil.
Dass ihre Religion ein Privileg sei, bekannte Dalia Grinfeld,
Präsidentin der „Jüdischen Studierendenunion Deutschlands“. Ihre
Familie habe im Holocaust und unter Pogromen im russischen
Zarenreich gelitten. „Weil meinen Großeltern das verboten war, ist
die Identität sehr stark: Wir sind jüdisch. Wir sind stolz darauf.“
An der jüdischen Religion gebe es ein großes Interesse. Doch viele
würden sich auch nicht trauen nachzufragen, was ihre Religion
bedeute. Trotz allem sei es in Deutschland alles andere als normal,
jüdisch zu sein. Dalia Grinfeld sagt: „In meinem gesamten
Freundeskreis kenne ich niemanden, der mit der Kippa auf die Straße
geht, ohne eine Mütze darüber zu tragen.“ Von Diskriminierung und
Alltagsrassismus berichtete auch Neval Parlak. Ein Erlebnis zum
Beginn ihres Studiums habe sie geprägt. In einer Vorlesung habe ihr
Professor über Nietzsches Aussage „Gott ist tot“ gesprochen.
Daraufhin habe er eingeworfen: „Wenn man einem Muslim sagt, ‚Allah
ist tot‘, dann ist man schnell selbst tot.“ Damit habe der
Professor alle Muslime pauschal mit Terroristen gleichgesetzt. „Das
ist Rassismus“, stellte Neval Parlak klar. Sie habe den Hörsaal
aber nicht aus Protest verlassen. „Ich habe gemerkt, dass Dialog
der Schlüssel ist.“ Für Dr. Thomas Schimmel, für viele Jahre
federführend im interreligiösen Dialog des Erzbistums Berlin, sei
es bereichernd, wenn Synagogen, Kirchen, Moscheen und Tempel im
Straßenbild sichtbar sind. „Man wird daran erinnert, dass es noch
etwas Anderes gibt als die Kaufhäuser und die Einkaufsmalls“, so
Thomas Schimmel. Doch wie weit sollen religiöse Symbole im
staatlichen Bereich sichtbar sein? „Ich finde nicht, dass in
Schulen Kreuze hängen sollen“, stellte er als Katholik klar. Und im
Gerichtssaal? Auch dort solle ein Richter seine Religiosität unter
der Robe verbergen. Diese Forderung sei für religiöse Menschen aber
„super schwierig“ zu erfüllen, warf Dalia Grinfeld ein. Ein
Parteiabzeichen könnte man kurzerhand ablegen. Ein religiöses
Symbol aber nicht. „Es ist nach dem Glauben eine Pflicht“,
unterstrich die jüdische Politikwissenschaftlerin. Religiöse
Menschen würden damit von bestimmten Ämtern ausgeschlossen.
Alexander Bischkopf entgegnete aus humanistischer Sicht: „In einer
pluralen Gesellschaft wird es immer wichtiger, dass wir den Staat
religionsfrei halten. Es gibt auch eine negative Religionsfreiheit,
da Sie auch das Recht haben, nicht mit Religion in Kontakt kommen
zu müssen.“ Nach Ansicht von Neval Parlak würde in diesem Fall die
Gesellschaft unzulässig über religiöse Menschen herrsche: „Menschen
mit Kopftuch können eben als Putzfrauen in der Schule arbeiten,
aber sie können nicht unterrichten. Da muss sich der Staat einfach
ganz offen die Frage stellen: „Gehören sie dazu oder nicht. Auch in
einer staatlichen Institution sollten Lehrerinnen mit Kopftuch
willkommen sein“, forderte die junge Muslima. Den Podiumsgästen und
den zahlreichen Besuchern im Publikum gelang es trotz einer fairen
und offenen Diskussion nicht, in dieser Frage einen Konsens zu
finden. Heilig.berlin wird diese Frage weiter bearbeiten,
Positionen wahrnehmen und zur Meinungsbildung beitragen. Online
oder im Podcasplayer anhören Das „Gespräch zur Zeit“ bildet einen
lebendigen Diskurs ab, der unsere Gesellschaft heute und morgen
beschäftigt. Welchen gemeinsamen Rahmen die diversen Stimmen in
diesem Punkt bilden, bleibt eine spannende Frage. Die Diskussion
kann aus diesem Grund auf der Website heilig.berlin/gespraech/ oder
als Folge 18 in der Podcastreihe "heilig.Berlin Podcast" nachgehört
werden. Beteiligte Dalia Grinfeld, JSUD – Jüdische
Studierendenunion Deutschland Neval Parlak, JUMA – jung,
muslimisch, aktiv Dr. Alexander Bischkopf, Humanistischer Verband
Deutschlands (HVD) Dr. Thomas M. Schimmel, 1219. Religionsdialog
Astrid Ehrenhauser (Moderation) Dietmar Päschel, heilig.Berlin
(Einführung) Fotos: Stephan Hartmann
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