Florian Bieber zur Kosovo-Krise: „Image der EU als neutraler Vermittler nimmt Schaden"

Florian Bieber zur Kosovo-Krise: „Image der EU als neutraler Vermittler nimmt Schaden"

Florian Bieber spricht mit Franziska Tschinderle über die jüngste Eskalation im Kosovo.
29 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Florian Bieber spricht mit Franziska Tschinderle über die jüngste
Eskalation im Kosovo.


Der Kosovo steht wieder einmal im internationalen Fokus. Die Lage
ist so angespannt, wie seit Jahren nicht mehr. Und das muss etwas
heißen. Denn bereits 2022 war ein echtes Krisenjahr für das
kleine Balkanland gewesen, das 2008 einseitig seine
Unabhängigkeit von Serbien erklärt hat. Hier lesen Sie Antworten
auf die wichtigsten Fragen und hier über die historischen Wurzeln
des jahrzehntelang schwelenden Konflikts. 


Diese Woche haben wir einen neuen Höhepunkt der Eskalation
gesehen.


Am Mittwoch, dem 14. Juni, wurden im Norden des Kosovo drei
kosovarische Polizisten von serbischen Sicherheitskräften
festgenommen. Ein Foto zeigt sie mit gefesselten Händen und
zugebundenen Augen am Boden liegen. Prishtina spricht von einer
Entführung auf kosovarischem Territorium, Serbien weist das
zurück.


Über den Vorfall und seine Folgen spricht
profil-Auslandsreporterin Franziska Tschinderle mit dem
Balkan-Experten Florian Bieber. Er ist der Leiter des Zentrums
für Südosteuropastudien an der Universität Graz.


„Der Verdacht liegt nahe, dass diese Polizisten auf dem Gebiet
des Kosovo verhaftet beziehungsweise vielleicht sogar gekidnappt
wurden, als dass sie nach Serbien rübergegangen sind,“ sagt
Bieber im Podcast. Ein solcher Übertritt wäre „ein großer
Skandal“ und ein Bruch mit der seit 1999 geltenden UN-Resolution.


Die Ereignisse schüren einmal mehr die Angst vor einem
militärischen Konflikt. Nicht zuletzt, weil Russland als der
wichtigste Alliierte Serbiens gilt, während der Kosovo unter dem
Schutzschirm der NATO steht.


Wäre ein Krim-Szenario im Kosovo denkbar?


Bieber verneint das, weil – anders als in der Ukraine – die NATO
im Kosovo stationiert ist „Wenn es die NATO zulassen würde,
dass sich Serbien Territorium im Kosovo aneignet, dann würde das
die Glaubwürdigkeit der NATO massiv in Frage stellen. Gerade im
Kontext des Krieges mit der Ukraine ist das kaum denkbar. Die
Glaubwürdigkeit des Westens würde massiv darunter leiden.“


Doch das Image der EU als neutraler Vermittler habe Risse
bekommen, so Bieber. „Die EU und die USA suchen die
Verantwortung für die Eskalation fast ausschließlich in
Prishtina,“ sagt er im Gespräch mit Tschinderle. Albin Kurti, der
Ministerpräsident des Kosovo, habe ganz klar strategische Fehler
gemacht und sei deutlich weniger kompromissbereit als seine
Vorgänger, aber die Position gegenüber Belgrad sei angesichts der
Provokationen viel zu unkritisch. Dadurch, so Bieber, erhoffe man
sich, das Land aus der russischen Einflusssphäre zu ziehen. 


„Der Westen setzt Kosovo unter Druck, weil er glaubt, sich das
leisten zu können. Bei Serbien hat man das nicht getan. Das
erweckt ein fatales Bild der Einseitigkeit“, kritisiert
Bieber. 


Die EU und die USA vermitteln zwischen Kosovo und Serbien. Anfang
des Jahres sah es danach aus, dass sich eine Lösung anbahnt –
mehr dazu hören Sie hier.  Aber insbesondere im mehrheitlich
von Serben bewohnten Norden kommt das Land nicht zur Ruhe.


 

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