Z0125 Das allmähliche und das plötzliche Erwachen (Teisho vom 16.1.2021)

Z0125 Das allmähliche und das plötzliche Erwachen (Teisho vom 16.1.2021)

Z0113 Das allmähliche und das plötzliche Erwachen (Teisho vom 16.1.2021)
34 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
Die Zen-Tradition berichtet von einer Auseinandersetzung zwischen
der nördlichen und der südlichen Schule des Zen in China: Die
nördliche Schule vertrat die Lehre von der allmählichen Reifung und
Entwicklung, während die südliche Schule nach dem plötzlichen
Erwachen strebte. Eine plötzliche existentielle Erschütterung kann
unter Umständen zu einer Art von Erwachen führen, einem inneren
Umschlagen der Sicht der Welt, das zu einer ganz anderen und
realeren Auffassung des Lebens führt. Aber auch ein solcher
radikaler Paradigmenwechsel in der persönlichen Erfahrung braucht
danach einen Integrations- und Reifungsprozess, wie Christoph Rei
Ho Hatlapa am Beispiel der Lebensgeschichte von Reiko Mukai,
genannt Kosan, erläutert. Der - irrtümlichen - Auffassung, dass mit
einem existentiellen Erwachen schon alles erreicht wäre,
widersprach der Zenmeister Oi Saidan Roshi, obwohl er Reiko Mukais
"Erwachen" anerkannte. Denn auch nach einem tiefen Erwachen liegt
der lange Weg der Integration und Reifung noch vor uns. Das
Erwachen, selbst ein tiefes Erwachen mit einer echten Einsicht in
die Wesensgleichheit, braucht danach immer noch die Integration mit
dem Leben im Alltag und die Bewährung in der Praxis des realen
Lebens. Aber auch ohne ein initiales existentielles Erlebnis kann
eine gut angeleitete Schulung zu einem fortschreitenden Prozess des
Erwachens führen. Beide Wege, die sogenannte "plötzliche
Erleuchtung" und die langsame Reifung können sich tatsächlich
gegenseitig ergänzen. Diese Integration und Reifung wird in der
zenbuddhistischen Tradition, hier vom Meister Fuketsu vertreten,
als das Dharmasiegel des Buddha und der Patriarchen bezeichnet. Wer
diesen Weg gegangen ist und diese Integration geleistet hat, der
kann mit den drei Daseinsmerkmalen des Lebens schöpferisch und
aktiv umgehen. Diese drei Daseinsmerkmale sind, laut buddhistischer
Lehre: 1.: Die Nicht-Substantialität des Ich (anatta), 2.: die
Vergänglichkeit und Flüchtigkeit aller Erscheinungen (anicca) und
3.: Das Verlöschen aller Konzepte im Erwachen (nirvana). In dem
Maße, in dem wir mit diesen Daseinsmerkmalen - nicht nur als
gedanklich wiedergekäute Theorien, sondern als selbst erfahrene
Einsichten - im realen Leben präsent und schöpferisch umgehen
können, in dem Maße kann man dann wirklich von Erwachen sprechen.
Gerade die selbst erfahrene Einsicht in die Natur der
Vergänglichkeit aller Erscheinungen, bis hin zu den Beziehungen der
Menschen untereinander, kann uns dann öffnen für die
Einzigartigkeit und die volle Intensität jeden Augenblicks. Wir
werden dann sorgfältiger im Umgang untereinander und mit der
Mitwelt und bleiben auch dann hellwach, wenn wir durch unangenehme
Erlebnisse hindurchgehen. Und in dem Maße, in dem wir wissen -
durch eigene Einsicht - was mit Nicht-Ich (anicca) gemeint ist,
können wir auch die eigene Vergänglichkeit bis hin zum eigenen
biologischen Tod annehmen. Wir wissen dann, dass das Große Leben,
aus dem wir alle hervorgegangen sind, weitergeht. Und wir können
darauf vertrauen, dass wir in diesem über uns hinausreichenden
größeren Zusammenhang aufgehoben bleiben; auch wenn das, was wir
heute für unser "Ich" halten, sich in seine Bestandteile aufgelöst
hat. Wie in unserer buddhistischen Tradition immer wieder aus dem
Herz-Sutra, dem Hannya-Shingyo, rezitiert wird: Nichtbegrenztheit
(Leerheit, shunyata) ist identisch mit den Formen, die Formen sind
identisch mit der Nicht-Begrenztheit, der Leerheit. Damit wir diese
Identität von Großem Leben und unserem begrenzten eigenen Leben,
diese Identität von Form und Leerheit, im realen Leben umsetzen
können, brauchen wir die Übungspraxis. Auf diesem Weg der
Integration können wir in zunehmendem Maße mit dem ständig neue
Formen gebärenden Gewebe des Großen Lebens in Einklang kommen. Um
für junge Erwachsene den Aufenthalt im ToGenJi zu ermöglichen,
bitten wir um eine Spende. Sie finden die Kontodaten/Paypal auf
unserer Website http://choka-sangha.de/kontakt/spenden/ Herzlichen
Dank

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