HIStory: Bismarck oder Wilhelm II. – Wer hat Schuld am Niedergang Deutschlands?

HIStory: Bismarck oder Wilhelm II. – Wer hat Schuld am Niedergang Deutschlands?

27 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
Das Thema heute: Bismarck oder Wilhelm II. – Wer hat Schuld am
Niedergang Deutschlands? Jeder sieht vor seinem geistigen Auge jene
Karikatur aus der englischen Zeitschrift Punch: Bismarck steigt die
Gangway von einem großen Dampfer herunter, um auf ein kleines
Lotsenschiff umzusteigen. Oben steht der jugendliche Kaiser Wilhelm
und schaut ihm versonnen nach. Deutsche Titelübersetzung „Der Lotse
geht von Bord“. Englischer Originaltitel: „Dropping the Pilot“.
Also etwa: „Man entledigt sich des Steuermanns“. Tatsächlich nahmen
dem jungen Kaiser einflussreiche Kreise in England, Frankreich oder
den USA jene Entlassung des „Eisernen Kanzlers“ sehr übel. Was
immer Wilhelm II. tat: er hatte in jenen Ländern nach diesem
Vorfall fast immer eine außerordentlich schlechte Presse. Und die
Bewunderung und Liebe für den Kanzler aus Blut und Eisen ist in den
anglo-amerikanischen Eliten bis heute lebendig. Als zum Beispiel
Maggie Thatcher mit brutalen Mitteln die mageren Eckpfeiler der
englischen Sozialpartnerschaft einriss, nannte die britische Presse
die rüde Kämpferin in treffender Anspielung auf den eisernen
Kanzler Bismarck the iron lady – die Eiserne Dame. Otto von
Bismarck hatte seine Karriere und sein Reich vornehmlich durch
kriegerische Gewalt zusammengeschustert; durch „Blut und Eisen“,
wie er selbst bereits bei seinem Regierungsantritt 1862 knorzig
angedroht hatte. 1864 hatte Bismarck zunächst die Dänen mit Hilfe
der Österreicher aus Schleswig-Holstein verjagt. Um als nächstes im
Jahre 1866 die Österreicher aus dem gemeinsamen deutschen
Staatenbund zu verjagen. Um die süddeutschen Staaten den
Österreichern auszuspannen und sie sodann der eigenen
protestantisch-norddeutschen Allianz zu unterwerfen, lockte er die
Fürsten nicht nur mit genau jenen Geldschätzen, die er den
unterworfenen Welfen in Hannover sowie der freien Reichsstadt
Frankfurt in mittelalterlicher Raubrittermanier gestohlen hatte.
Sondern Bismarck ließ sie auch teilhaben an dem Beutegut aus dem
Krieg gegen Frankreich. So und nicht anders vollzog sich die
vielgepriesene Deutsche Einigung. Der Anlass zum
deutsch-französischen Krieg war absolut unbedeutend. Spanien suchte
einen neuen König, und erkor zu diesem Zweck einen Spross der
Hohenzollern-Dynastie, der allerdings nur entfernt mit Wilhelm I.
verwandt war. Frankreich fühlte sich durch Hohenzollern in Spanien
und in Preußen in die Zange genommen und protestierte auf
diplomatischem Wege. Eine solche Irritation hätte sich
wahrscheinlich durch Gespräche auf Diplomatenebene bereinigen
lassen. Wenn nicht tatsächlich beide Seiten auf diesen Krieg
hingearbeitet hätten. Eine misslungene Kontaktanbahnung zwischen
einem französischen Diplomaten und König Wilhelm I. im Kurort Bad
Ems wurde Bismarck per Telegramm berichtet. Rein zufällig saß
Bismarck gerade mit seinen beiden Mitstreitern, nämlich
Kriegsminister Roon sowie Generalstabschef von Moltke beim Essen.
Bismarck frisierte das Telegramm des Ministerialbeamten zu einem
pressetauglichen Text, so dass es jetzt wirkte– so Bismarck in
seinen Erinnerungen – wie ein „rotes Tuch“ auf den „gallischen
Stier“. Und Bismarck enthüllt in seinen „Gedanken und Erinnerungen“
genau jenes Muster, nach dem alle modernen Angriffskriege den
Menschen draußen im Lande verkauft werden: „ es ist wichtig, dass
wir die Angegriffenen seien, und die gallische Überhebung und
Reizbarkeit wird uns dazu machen, wenn wir mit europäischer
Öffentlichkeit, soweit es uns ohne das Sprachrohr des Reichstags
möglich ist, verkünden, dass wir den öffentlichen Drohungen
furchtlos entgegentreten.“. Das „furchtlose Entgegentreten“ kostet
sage und schreibe 183.652 Kombattanten beider Seiten das Leben. Und
für immerhin 232.732 verwundete und verstümmelte junge Männer auf
beiden Seiten war das Leben nach diesem Trauma nicht mehr das
gleiche wie zuvor. Die französische Regierung wiederum ist sich
auch nach der demütigenden Niederlage gegen Deutschland keineswegs
zu schade, mit deutscher Munition die Pariser Kommune zu
exekutieren und dabei eine stattliche Strecke von weiteren 30.000
Toten zu verursachen. Der Deutsch-Französische Krieg von 1871 war
ein bestialisches Gemetzel. Bismarcks Reichsgründung stand auf
immensen Leichenbergen. Diese Geschichte ist für uns von Belang,
weil in den nachfolgenden harten Forderungen des Siegers Preußen
gegen den Verlierer Frankreich der Grundstein gelegt ist für die
noch viel härteren Bedingungen des Vertrages von Versailles im
Jahre 1920. Frankreich musste nämlich 1871 tatsächlich fünf
Milliarden Silbermark Reparation zahlen. Frankreich musste sich
zudem von Elsass-Lothringen trennen. Die deutschen Geschichtsbücher
lehren indes heute wieder, dass die Franzosen die Reparationen
bereits nach drei Jahren zurückgezahlt und sich schnell erholt
hätten. Frankreich war allerdings wichtiger wirtschaftlicher
Potenzen beraubt. Die Erzvorkommen in Elsass-Lothringen standen mit
einem Schlag nicht mehr zur Verfügung. Der Ökonom John Maynard
Keynes stellte fest, dass Frankreich in der Bevölkerungsentwicklung
und in der Wirtschaftskraft seitdem immer weiter hinter Deutschland
zurückgefallen sei, was den unstillbaren Rachedurst vergreister
französischer Generäle in Versailles erregt habe. Bismarck ist nach
dieser Eisen und Blut-Kur für annähernd zwanzig Jahre der
unumstrittene Herr der deutschen Politik, und Kaiser Wilhelm I.
sein ergebenes Sprachrohr. Als Kaiser Wilhelm I. 1888 im Alter von
91 Jahren stirbt, folgt ihm für 99 Tage sein Sohn Kaiser Friedrich
III., der jedoch an einem Krebsleiden verstirbt. So ist der
mittlerweile dreiundsiebzigjährige Bismarck einem dramatischen
Generationenwechsel ausgesetzt. Denn sein neuer Vorgesetzter Kaiser
Wilhelm II. ist gerade mal 26 Jahre alt. Zunächst glaubt Bismarck,
er könne mit dem Neuling auf der politischen Bühne gerade so
umspringen wie mit dessen Großvater. Doch der junge Kaiser hat
seine ganz eigenen politischen und sozialen Pläne für die Zukunft.
Die lassen sich nicht so schnell aus der Welt schaffen, wie
Bismarck mit Schaudern feststellt. So bringt das Jahr 1889 eine
Welle von Arbeitskämpfen von bislang ungekannter Intensität.
Betroffen ist besonders der Bergbau im Ruhrgebiet, im Saarland und
in Oberschlesien. Wilhelm II., der ab 1877 an der Universität Bonn
Rechts- und Staatswissenschaften studiert hatte, erkennt, dass die
Bedeutung der Arbeiterschaft unweigerlich immer weiter anwachsen
wird. Der Kaiser eilt am 12. Mai unangemeldet in den Ministerrat.
Also in die Regierung des Reichs. Was Wilhelm dem Kabinett zu sagen
hat, fasst Bismarck in seinem Buch „Gedanken und Erinnerungen“ wie
folgt zusammen: „Die Unternehmer und Aktionäre müßten nachgeben,
die Arbeiter seien seine Untertanen, für die er zu sorgen habe;
wollten die industriellen Millionäre ihm nicht zu willen sein, so
würde er seine Truppen zurückziehen; wenn dann die Villen der
reichsten Besitzer und Direktoren in Brand gesteckt, ihre Gärten
zertreten würden, so würden sie schon klein werden.“ Tatsache ist,
dass Wilhelm II. am 14. Mai eine Delegation der streikenden Kumpels
in seinem Palais empfängt. Hierbei polemisiert Wilhelm gegen die
Sozialdemokratie: „für mich ist jeder Sozialdemokrat
gleichbedeutend mit einem Reichs- und Vaterlandsfeind.“ Am nächsten
Tag empfängt er eine Abordnung der Grubenherren. Wilhelm moderiert
Verhandlungen zwischen Arbeitern und Unternehmern, aus denen am
gleichen Tage das Berliner Protokoll, eine Kompromissvereinbarung,
hervorgeht. Und wie geht’s weiter? Kaum sind die Grubenherren
wieder zuhause, die Arbeit ist wieder aufgenommen, da widerrufen
sie auch schon die Abmachungen. Doch die Politiker sind auf Seiten
der Arbeiter, wie Friedrich Engels berichtet. Der Militärgouverneur
des Bezirks, Emil von Albedyll macht den Grubenherren klar, dass
das nun gar nicht geht. Der Düsseldorfer Regierungspräsident Hans
Hermann von Berlepsch redet den Unternehmern ins Gewissen.
Innenminister Ernst Ludwig Herrfurth reist extra aus Berlin an und
versucht die Grubenbarone zur Vernunft zu bringen. Bismarck dazu:
„und alles wurde versucht, um die Zechenbesitzer zu bewegen,
Konzessionen zu machen. Der Kaiser selbst riet ihnen, ihre Taschen
zu öffnen.“ Bismarck will nicht begreifen, dass er isoliert ist.
Eine völlig neue, ungewohnte Erfahrung. Er wähnt sich von
Intriganten und Verschwörern umzingelt. Bismarck will Wilhelm in
den Schwitzkasten nehmen, indem er ihn zu überreden versucht, die
1890 auslaufenden Sozialistengesetze in radikal verschärfter Form
neu aufzulegen. Eine bislang ungekannte Aufrüstung soll zudem die
nationale Anspannung verschärfen. Wenn Wilhelm da mitzieht, ist er
von seinen Leuten isoliert und vollständig Bismarck ausgeliefert.
Doch der Machtpolitiker im fortgeschrittenen Rentenalter hat sich
verrechnet. Wilhelm durchschaut, dass der alte Intrigant nichts
mehr in der Hand hat.(...) Weiterlesen und alle Quellen: KenFM
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