Heilige Nächte heute - eine zeitgemäße Weihnachtsgeschichte von Stefanie Aufleger

Heilige Nächte heute - eine zeitgemäße Weihnachtsgeschichte von Stefanie Aufleger

21 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Es begab sich zu jener Zeit, als eine Verordnung der
Bund-Länderkonferenz ausging, dass alle Menschen sich solidarisch
erklärten und die Ärmel hochkrempelten. Ein, zwei, drei kleine
Piekser sollten die pandemische Notlage inter-nationaler
Tragweite beenden. Sollten! - Hingegen aller Erwartungen waren
die Inzidenzen höher denn je und das Land und die Menschen tiefer
gespalten als je zuvor. Obwohl Weihnachten vor der Tür stand, das
Fest der Liebe, herrschte große Angst. Wie im letzten Jahr durfte
nur im kleinen Kreis gefeiert werden, im Kreise der Familie: mit
Abstand, größter Vorsicht und negativ getestet.


Irgendwo in Deutschland machen sich auch heute Menschen auf, um
zu ihren Wurzeln zurück zu kehren. Unter ihnen sind Joshua und
Marie auf dem Weg, um Jo‘s Familie auf der schwäbischen Alb zu
besuchen. Ein wenig bang ist ihnen schon zumute: Marie ist
schwanger und Joshua’s Eltern wissen noch nicht, dass sie bald
Großeltern werden. „Wir müssen es ihnen schonend beibringen! Das
ist kein Thema am Telefon“, hörte man Joshua in den letzten Tage
öfters sagen. „Ja, ich weiß“, entgegnet ihm Marie. „Sie sind
streng katholisch und besser unglücklich verheiratet als ein Kind
unehelich geboren.“


Marie’s Eltern - geschieden! - sind zwar eingeweiht,
interessieren sich jedoch wenig für den Nachwuchs. Beide sind mit
ihren neuen Partnern vereist und verbringen die Festtage in
Übersee. Dankenswerterweise überlässt ihnen Marie’s Mutter ihren
ZOE, so kann Joshua zusammen mit seiner jungen Frau (nicht zu
verwechseln mit Jungfrau!) im E-Mobil und klimaneutral die Alb
bereisen. Für Marie ein wichtiger Punkt, denn sie ist nicht
bereit, für den familiären Pflichtbesuch ihres Freundes ihre
CO2-Bilanz zu belasten. Und im Zug mit Maske - hochschwanger -
keine Option!


Die Fahrt mit dem E-Mobil erweist sich für das Paar gerade als
kleine Herausforderung. Seit über einer Stunde suchen die beiden
in der schwäbischen Winterlandschaft nach einer Tankstelle.
„Marie, wie müssen die Heizung ausmachen, sonst bleiben wir
gleich stehen. Wir haben nur noch 12 Prozent.“ - 


„Aber mir ist kalt! Ich frier! Wo sind wir hier? Mitten in
Sibirien!“ Auf der Alb wird überall gespart, nicht nur an
Tankstellen, sondern auch Mobilfunkmasten sind rar. Angestrengt
sucht Jo mit Hilfe seiner App nach der nächsten Stromzapfsäule.
Die Tankstelle zwar geschlossen, jedoch mit
24-Stunden-Zahlautomat. Hallelujah! Grad nochmals gut gegangen.
Joshua steigt aus, studiert die Anleitung am Zapfhahn und startet
kurz darauf eine Fluchparade in ursprünglichster schwäbischer
Mundart. Marie versteht kein Wort, wundert sich nur über die
Sprachgewandtheit ihres Freundes. 


„Was ist denn nun? Tankst du endlich?“ -
„Geht nicht! Nur für Mitglieder der Raiffeisen-Genossenschaft.
Zum Tanken brauchst du einen extra Schlüssel.“ 


...



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