550-Wer hat dich begraben?-Buddhismus im Alltag
5 Minuten
Beschreibung
vor 1 Jahr
In einem weit entfernten Land, vor vielen vielen Jahren, da
lebte eine sehr arme Frau. Sie hatte nur
das Nötigste, ein Kleid, ein Paar Schuhe, einen Mantel. Nie fand
sie genug zu essen, immer hatte sie Hunger. Die Menschen aus dem
Dorf mochten die Frau nicht, sie roch schlecht, und konnte sich
nur selten waschen. Ihre Behausung war ein zusammengenagelter
Bretterverschlag ohne Wasser und Heizung, ganz am Rande der
Ansiedelung.
Dieser eine Winter war viel kälter als sonst die Jahreszeit war,
ihre Lage war verzweifelt. Völlig entkräftet lag die Frau auf
ihrem Lager, die Vorräte waren schon vor Tagen
ausgegangen, sie wartete still und einsam auf ihren
Tod.
Wie aus dem Nichts kam die Bäuerin vom
nächstgelegenen Hof vorbei, stellte ihr Essen auf den Boden der
Hütte, fütterte sie und sprach freundlich zu ihr. Die arme Frau
erholte sich daraufhin wieder, der Winter kam zu einem Ende, der
Frühling stand vor der Tür.
Die arme Frau fasste sich ein Herz und
machte sich auf, die gütige Bäuerin zu besuchen. Am Hof
angekommen stand diese vor der Türe und rief ihr zu: „wo warst du
so lange Zeit, ich habe auf dich gewartet“. Die arme Frau ging
auf die Bäuerin zu, um sich zu bedanken. Da sagte die Bäuerin:
„du musst dich nicht bedanken. Vor einiger Zeit war ich im
Tempel, als ein gelehrter Meister dort verweilte. Er zeigte mir
in einem Spiegel mein vorheriges Leben. Ich sah mich in einem
Wald umherlaufen, als ich fiel und mir den Fuß brach. Weil ich
nicht mehr weiterlaufen konnte bin ich in diesem Wald verhungert,
die Tiere frassen schon an meinem Körper, als du des Weges kamst.
Meinen geschundenen Körper bemerkend warst du tief erschrocken.
Dann nahmst du aber allen Mut zusammen und hast
mich in der Erde begraben, du hast mich
dort nicht einfach liegen gelassen. Als ich dich jetzt im Spiegel
des Meisters erkannte, habe ich dich dann beobachtet. Da du die
Hütte im letzten Winter nicht mehr verlassen hattest dachte ich
mir schon, dass es dir schlecht ergehen würde. Deshalb habe ich
dir Essen gebracht. Du hast mich einst begraben, dafür bin ich
dir sehr dankbar. Bitte komme herein, wasch dich, und esse mit
uns“.
Gesagt, getan. Die Bäuerin gab der armen Frau ein ganz neues
Kleid. Als sie dann so am Tisch der Bauern saß, gewaschen und
anständig gekleidet, da kam der Bauer mit seinem Bruder zur Türe
herein. Der Bruder war sofort angetan
von der Frau, die jetzt sogar sehr hübsch
aussah. Noch beim Abendessen wurden die Beiden sich
einig, aus ihnen wurden ein Paar.
Viele Jahre später, als bereits fröhliche Kinder durch das Haus
des Ehepaars liefen, sprachen die Beiden über die Irrungen des
Schicksals, und wie unglaublich sich ihre Wege getroffen hatten.
Da rückte ihr Ehemann mit der Sprache heraus: „nicht nur meine
Schwägerin war im Tempel und hat in diesen Spiegel gesehen, auch
ich war dort. Ich sah, wie ich inmitten einer glücklichen Familie
stand, mit einer lieben Frau und vielen Kindern. Heute weiß ich,
dass du diese Frau warst, und die Kinder sind ebenfalls wie aus
diesem „Spiegelbild“.“
"Deine Güte hat uns zusammengebracht, deine
Taten aus einem vorherigen Leben sind
der Grund für unser heutiges Glück."
Die Menschen befinden sich in einem Kreislauf von
Wiedergeburten, die durch ihr Karma bestimmt sind.
Also, wer hat Dich im letzten Leben begraben?
Wie dem Geiste nichts zu groß ist, so ist der
Güte nichts zu klein
- Jean Paul -
Deutscher Schriftsteller - 1763 bis 1825
Copyright: https://shaolin-rainer.de
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