Folge 1178: UNRUH - Maximal entschleunigtes Kino
11 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Anarchie bedeutet, eine herrschende Ordnung in Frage zu stellen,
denn Herrschaft ist keine Legitimation. Und wenn die Ordnung
keinen Sinn macht, wird sie nicht als Ordnung akzeptiert. Für die
Uhrmacherinnen 1877 im Berner Jura bedeutet es, eine
Krankenversicherung für Frauen und Kinder selbstverwaltet
aufzubauen, es bedeutet, den gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu
fordern. Für den russischen Anarchisten Pyotr Kropotkin bedeutet
es, von Behörden und Firmen komplett unabhängig eine sehr genaue
Karte vom Berner Jura anzufertigen, open street map sozusagen.
Dass diese Karte aufgehängt wird, ist der Action-Moment des
Films, dass Josephine Gräbli erklärt, wie eine Unruhe in einer
Uhr funktioniert, ist sozusagen der erotische Höhepunkt dieses
Schweizer Films, der zweite Film von Cyril Schäublin. Sein
Konzept für UNRUH ist ebenfalls anarchistisch. Er beansprucht
nicht die Deutungshoheit über die Geschichte als historische
Wahrheit und er beansprucht nicht die Deutungshoheit über den
Blick der Zuschauer. Er lässt uns diese Freiheit, gibt uns
Totalen dieser Welt, in der die handelnden Figuren klein und oft
am Rande gesucht und gefunden werden müssen. Schäublin verzichtet
auf ein Narrativ, er gibt uns Mosaikstücke, einzelne Szenen,
einzelne Dialoge, aus denen sich eine Idee abzeichnet. Die Idee,
dass es eine Welt geben könnte, die vernünftiger und gerechter
wäre als der Kapitalismus und freier als der Sozialismus. Johanna
und Thomas haben im Palatin in Mainz eine Aufführung gesehen, die
durch die Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische
Bildung freien Eintritt hatte – in Anwesenheit des Regisseurs,
dessen Urgroßmütter selbst Uhrmacherinnen in der Schweiz waren.
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