Beschreibung

vor 2 Jahren

Es war ein langer Weg bis zu dieser Bank, die für die Besucher
des Shaolin Klosters unter den Bäumen vor den
Gebäuden aufgestellt war. Gerade dem monumentalen Eingangsbereich
gegenüber, mit direktem Blick zur Tempeltür, eine beeindruckende
Aussicht. Hierher wollte ich, jetzt saß ich genau davor, das
weltberühmte Kampfsportkloster, Mittelpunkt so vieler Kung-Fu
Filme mit fliegenden Mönchen, unglaublicher Technik und fast
übermenschlichen Leistungen, frei von Schmerzen, die
buddhistischen Kampfkünstler also zum Greifen nahe.


Jetzt, am Ziel meiner Reise, verließ mich der Mut, die Zweifel
kehrten zurück, unüberhörbar meldete sich mein nerviges Ego,
kritisierte meinen gesamten Entschluss. Rainer, was machst Du
hier, wie blöde bist Du überhaupt, wie kommst Du nur auf diese
völlig bescheuerte Idee, Du im Shaolin Tempel,
Kampfsport von den Mönchen willst Du lernen, die zerreißen mich
doch in der Luft, gegen solche Kampfmaschinen hast Du doch keine
Chance. So, oder so ähnlich, mein Ego drehte seine Kapriolen,
suchte weiter nach Gründen, warum ich doch besser wieder abreisen
sollte. Immer weiter zog ich den Kopf ein.


Um mich herum wuselten unendlich viele Touristen, die meisten
Chinesen, unter farbigen Flaggen versammelten
sich riesige Reisegruppen, immer einem Führer folgend, die
jeweils in ein Megaphon blöckten, unverständliche Laute,
unbekannte Gerüche, ich wollte plötzlich weinen, ich hatte auf
einmal richtige Angst. Wahrscheinlich auch vor meiner eigenen
Courage. Wie bin ich nur hierher gekommen, was hat mich da
geritten?


Aber wenn ich schon einmal da bin, dann könnte ich mir doch
wenigstens das Kloster einmal ansehen, vor ich
jedenfalls mit eingezogenem Schwanz dann wieder nach Hause fahren
würde. Die mühevolle Anreise hätte sich ja sonst
nicht im entferntesten gelohnt, und ein paar Bilder könnte ja
auch machen, wie gesagt, wenn ich schon einmal da bin, den Moment
der Schande dann wenigstens auskosten, damit ich mich an die
Schmach immer erinnern kann.


Mit bleiernen Gliedern stand ich auf und schleppte mich zum
Eingang, wo die Menschenmassen waren, mit Ticket und Regenschirm
bewaffnete Kulturtouristen, der Shaolin Tempel war und ist auch
bei den Chinesen selbst eine Attraktion, die jedes Jahr Millionen
an Schaulustigen anzieht. Ich stellte mich in die Schlange um ein
Ticket zu erwerben. Als ich so ruhig dastand, da ergriff mich
wieder diese immense Ehrfurcht, der Shaolin Tempel
China, im heiligen Berg Song Shan gelegen, die Wiege des
Kung Fu.


Hierher wollte ich, jetzt stand ich an der Tür, mit vollen Hosen,
der Mut gekühlt, Rainer, wie bist Du nur auf diese Idee gekommen?


Heute weiß ich: Dieser Weg war mein Karma!





Gut zu reisen ist besser als anzukommen


- Buddha - Ehrenname des Siddharta Gautama - 560
bis 480





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